In welcher Welt leben S/sie denn?

Fachtagung für die Arbeit mit Jugendlichen vom Dezernat Schulen und Hochschulen und dem Dezernat Jugend.

Jugend (c) BDKJ
Jugend
Datum:
Mi. 22. März 2017
Von:
Constanze Coridaß
Fachtag (c) Aaron Torner
Fachtag

Schnittfeld Schule und Kirche

„In welcher Welt leben S/sie denn?“  - Fachtag für alle, die mit Jugendlichen in Schule und Freizeit arbeiten

 

Reichlich Inspiration für einen neuen Blick auf die Begegnung mit jungen Menschen bekamen am Donnerstag (9.2.17) rund 80 Teilnehmer bei der ersten gemeinsamen Fachtagung des Bischöflichen Ordinariats (BO) für Religionslehrer, Schul- und Gemeindeseelsorger sowie Akteure der katholischen Jugendarbeit und Dekanate im Haus der Jugend.

 

Die Herausforderungen – und Chancen – im Schnittfeld Schule und Kirche erkennen, vielversprechende Beispiele mit Modellcharakter zu gesicherten Angeboten ausbauen, den Blick weiten, um gemeinsam Jugendliche dabei zu unterstützen, sich zu entwickeln und zu entfalten. Dazuermunterten unter anderem die Dezernatsleiter Weihbischof  Dr. Udo Bentz (Jugendseelsorge) und Ordinariatsdirektorin Dr. Gertrud Pollak (Schulen und Hochschulen).

 

Unter der Moderation von Sascha Zink, Referent der Abteilung Fortbildung und Beratung,

wurden nach einem Vortrag des Pastoraltheologen Prof. Dr. Hans Hobelsberger (s.u.)

praxiserprobte Projekte vorgestellt. Dabei galt es, folgende Beobachtungsfragen im Hinterkopf zu behalten: Was ist das Alleinstellungsmerkmal des Projektes? Was macht das Angebot so attraktiv? Was ist der nachhaltige Erfolg?

 

CSR steht für „Corporate Social Responsibility“, und Christina Mayer und Tobias Flierl illustrierten exemplarisch am Beispiel der CSR – Maßnahme „05er Klassenzimmer“ das Ziel des Mainzer Fußballvereins, seiner gesellschaftlichen Vorbildfunktion gerecht zu werden. Die Module, auf denen alle Aktionen basieren, reichen vom Brötchenverkauf zu Gunsten der „Tafel“ über Präventionstage zu Rauchen und Alkohol bis hin zu Bewerbungstraining. Bei einer Stadionführung kann man Mainz 05 zwar auch „hautnah erleben“, doch nicht der Fußball steht bei diesen Aktivitäten im Mittelpunkt, sondern soziale Aspekte.

 

Mario von Wantoch-Rekowski von „medien.rlp Institut für Medien und Pädagogik e.V.“ ist für die Abteilung Medienpädagogik vor allem außerschulisch unterwegs. „Wir sind vier Leute und fahren auf Zuruf zu Jugendzentren“ und anderen Einrichtungen, erklärte er. Mit technischen Möglichkeiten zu arbeiten, sei ein Türöffner, darüber hinaus ginge es jedoch darum, den Jugendlichen über Partizipationsprojekte die Möglichkeit zu bieten, ihre Umwelt mitzugestalten. „Das ist bewusst vage formuliert, damit die Jugendlichen mit eigenen Ideen an uns herantreten und nicht vorgefertigte Vorschläge wie aus einer Speisekarte auswählen.“ Aktuell liefen gerade die Vorbereitungen für den Tag der deutschen Einheit, für den Jugendliche in ihrem sozialen Umfeld eine Demokratie-Tour erstellten.

 

Lars Richter vom Jugendbildungswerk Darmstadt-Dieburg nahm die Herausforderung, über 20 Jahre Musikcamp in einer Viertelstunde wiedergeben zu müssen, an und stellte den Projektrahmen vor: Jährlich fahren 50-60 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 21 Jahren für eine Woche in den Sommerferien ins Kreisjugendheim Ernsthofen. Die Abgeschiedenheit des Jugendheims im Odenwald lasse den Jugendlichen viel Raum für professionelle Kreativstudios und Workshops und dafür, sich aktiv an der Planung für den Ablauf der Woche zu beteiligen. Zu den wichtigsten Kriterien zählen Entfaltung ermöglichen und Wertigkeiten herausnehmen: „Alle bringen etwas mit, es sind keine Vorkenntnisse nötig, alle können etwas.“  Richter zitierte aus der Mail einer Mutter, die sich dafür bedankt, „dass Kreativität nicht bewertet, sondern gefördert wurde und dass unsere Tochter vor Musik sprühend zurückkam.“

 

Wie junge Menschen zu „WELTfairÄnderern“ werden können, zeigten Matthias Göbel und Aaron Torner auf. Das Projekt „Werde WELTfairÄNDERER“ in Trägerschaft des Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und des Bischöflichen Jugendamts (BJA) des Bistums Mainz ist inzwischen mehrfach ausgezeichnet worden. Im Wechsel erklärten der ehrenamtliche Mitarbeiter Göbel, Lehramtsstudent für Geschichte und Religion, und der hauptamtliche Mitarbeiter Torner das Prinzip der aufsuchenden Bildungsarbeit: Mit ihrem Zelt – sind sie für eine Woche auf dem Schulhof vor Ort, wo während der Schulzeit jeden Tag mehrere Gruppen für je eine Doppelstunde für ihre Möglichkeiten, zu einer lebenswerten Umwelt beizutragen, sensibilisiert werden. Das Motto hierfür stammt von Albert Schweitzer: „Das Wenige, das du tun kannst, ist viel.“ Mit Blick auf die Sinus-Studie haben die „WELTfairÄNDERER“ vor allem Haupt-, Real- und Berufsschulen in den Blick genommen, um durch ein Angebot „an, aber nicht in der Schule“ auch junge Menschen ansprechen zu können, die sonst nicht so leicht zu erreichen wären.

 

Lebendige Eindrücke von jugendlichen Lebensvorstellungen gab es über YouTube-Einspielungen aus dem Wettbewerb „Was bewegt dich im Leben?“, bei dem Jugendliche im Spannungsfeld Glaube, Liebe und Hoffnung selbst zu Wort kommen.

 

Nachdem die Teilnehmer in fünf Workshops Gelegenheit zum Austausch hatten, nahmen einige außer der Anregung, vor Ort nach geeigneten Kooperationspartnern Ausschau zu halten, auch schon konkrete Projektideen mit nach Hause. So soll z.B. an rheinhessischen Schulen bald generationenübergreifend der Kochlöffel geschwungen und unter dem Motto „Kochen wie bei Oma“ gesunde Ernährung in den Mittelpunkt gerückt werden.

 

Hinweis für die Redaktion:

Informationen zum 1-31.TV-Wettbewerb unter http://2016.1-31.tv/#ts_jury

 

 

Verwirklichungsorte von Kirche

Vortrag: Jugendarbeit und Schule – Erfahrungsorte des Evangeliums

 

„Wo sind die Verwirklichungsorte der Liebe Gottes zu den Menschen, vor allem zu den jungen Menschen?“ Dieser Frage ging der Pastoraltheologe Prof. Dr. Hans Hobelsberger, Rektor der Katholischen Fachhochschule NRW in Paderborn, bei seinem Vortrag auf den Grund.

 

Um das Evangelium erlebbar zu machen, sei es wichtig, existenzielle Grundfragen junger Menschen ernst zu nehmen. „Das verhindert, dass wir mit dem Evangelium Fragen beantworten, die überhaupt noch niemand gestellt hat“, erklärte er und plädierte dafür, die Sozialformorientierung nicht über die Sendungsorientierung zu stellen.

 

Es gehe darum, Orte der Verwirklichung zu suchen und zu schaffen und um „die Pastoral des Hingehens, nicht des Herholens. Kirche als Ferment in der Welt, als Salz der Welt, muss sich verstreuen.“ Schule sei ein zentraler, wenn auch nicht alleiniger Ort, um Kirche präsent zu machen. Dabei sei es gleichgültig, ob es sich um eine kirchliche Schule handele oder nicht.

 

Für Prof. Hobelsberger ist die Vernetzung im kirchlichen Bereich hier noch nicht so weit gediehen, wie sie könnte; Jugendarbeitsstruktur und Bildungsstruktur existierten nebeneinander her, Schulpastoral und Jugendarbeit stünden oft in Konkurrenz zueinander. „Ich würde mir hier eine Blickweitung auf Jugendliche aus bildungsprekären Zusammenhängen wünschen.“

 

Noch zentraler als früher sei es heute, die Botschaft zu leben: „Das erste Zeugnis des Christen ist nicht das Wort, sondern das Zeugnis des Lebens. Wie gehe ich mit Jugendlichen um? Glaube ich daran, dass das Evangelium zu mehr Leben beiträgt?“ Sprache funktioniere nur, wenn sie uns erfahren ließe, was da behauptet würde, denn „unsere Rede muss nicht gedeckt, sondern verursacht werden von unseren Erfahrungen.“

 

 Die Verkündigung des Glaubens müsse durch Glaubenszeugnis und das Vorschlagen des Evangeliums, nicht Besserwisserei, erfolgen. „Die Verkündigung des Evangeliums kann nicht ohne Kontext verstanden werden. Wir verpassen unsere Chance als Kirche, wenn wir junge Menschen mit ihren existenziellen Fragen nicht ernst nehmen.“

 

Fachtag (c) Aaron Torner
Fachtag (c) Aaron Torner
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Fachtag (c) Aaron Torner
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