„Ihr Deutschen habt nie Zeit, immer muss es schnell gehen. Sogar im Gottesdienst.“ Damit spielt die Studentin nicht auf die Länge der Predigt an. Sie vermisst im Gottesdienst Zeit zum Beten und Besinnen. Aus ihrer Heimat ist sie anderes gewohnt: Dort nehmen sich die Menschen Zeit für Begegnung mit sich und mit Gott – eigentlich Grund und Ziel der Liturgie. Erstaunlich, wie stark und unbemerkt sich hier Lebenskultur in der Liturgie abbildet: „Wir Deutschen“ halten Stille schwer aus und kommen selten zur Ruhe. Zeit scheint ein rares Gut, um das kämpft, wer gut leben möchte. Diesen Kampf zahlen allzu viele mit ihren Nerven oder gar dem Leben.
Wie schaffen es Menschen anderer Länder so viel mehr Zeit aufzubringen und dennoch entspannter zu leben? Sie zählen doch dieselben 60 Minuten pro Stunde, ihr Tag hat ebenfalls 24 Stunden – genau wie wir.
Allerdings sind sie in dieser Zeit anders präsent als wir. Während wir unsere Zeit oft bestimmen lassen von dem, was wir gerne hätten und erreichen wollen, investieren sie ihre Zeit direkt in den Moment: Sie nehmen sich Zeit zum Menschsein, dazu, sich selbst, andere und Gott zu hören. Deswegen leben sie in geringerem materiellen Wohlstand, doch glücklicher als wir. – So wird es uns der World Health Report kommende Woche wohl wieder präsentieren.
Damit praktizieren sie instinktiv, was viele von „uns hier“ neu lernen müssen: Sie beachten und reagieren auf innere Regungen und nähern sich so ihrem Kern, dem Geist Gottes. Ganz wie es der jesuanischen Praxis entspricht: Wenn es Jesus zu viel wurde, zog er sich zurück. Immer wieder war er unavailable: auf dem See, auf einem Berg oder einfach abseits von der Menge, mit Zeit für sich und für Gott. Nur auf dieser Basis konnte er wirken. Er war eben (auch) ein Mensch.
Versuchen wir uns in den Tagen bis Ostern, daran zu orientieren: Suchen wir Zeit Ruhe, versuchen Stille auszuhalten und geben anderen, Gott und uns selbst eine Chance, uns zu erreichen und zu kräftigen. In unserem Alltag und in der Liturgie.
Gelegenheit dazu besteht in unseren Gottesdiensten diese Woche. Herzlich laden wir im Namen der Initiatoren ein zum ersten Treffen von InsEKT, einer studentischen Initiative zum Mitmachen und Anpacken in der KHG.
Für das KHG-Team
Maike