#empowerment. Austausch zur feministischen Entwicklungszusammenarbeit

#empowerment. Austausch zur feministischen Entwicklungszusammenarbeit

Teilnehmerinnen der digitalen Veranstaltung (c) Eva Baillie
Teilnehmerinnen der digitalen Veranstaltung
Datum:
Do. 23. Juni 2022
Von:
Dr. Eva Baillie

Was ist feministische Entwicklungszusammenarbeit? Welche Rolle spielen die Ansätze in der weltkirchlichen Projektarbeit? Zu diesem Thema diskutierten am 21. Juni Vertreterinnen von PSG Diözesanverband Mainz, kfd Diözesanverband Mainz, Solwodi Deutschland e.V. sowie des Frauenmissionswerks mit Dr. Ilona Auer-Frege, der Leiterin des misereor Büros Berlin. „Feministische Entwicklungszusammenarbeit setzt eine machtkritische und inklusive Haltung voraus“, so Auer-Frege, die eine Entwicklung von einem wirtschaftsliberalen Ansatz der Gleichstellungspolitik (1980er Jahre) hin zu einer intersektionellen Geschlechtergerechtigkeit skizzierte. „Personen und soziale/ politische Konstellationen, aber auch Konflikte sind multidimensional und können nicht getrennt voneinander betrachtet und bearbeitet werden“, so Auer-Frege. Deswegen ginge es einer feministischen Entwicklungszusammenarbeit auch um alle Gruppen einer Gesellschaft, insbesondere aber marginalisierte Bevölkerungsteile.

Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung spricht sich aus für eine feministische Außen – und Entwicklungszusammenarbeit:

„Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir im Sinne einer Feminist Foreign Policy Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen weltweit stärken und gesellschaftliche Diversität fördern. Wir wollen mehr Frauen in internationale Führungspositionen entsenden, den Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der VN-Resolution 1325 ambitioniert umsetzen und weiterentwickeln.“ (S. 144, Koalitionsvertrag (bundesregierung.de))  

 

Widerstand aushalten

Selbstkritisch merkten die Vertreterinnen der Organisationen und Verbände an, dass auch die eigene Verflechtung in patriarchale Systeme zu hinterfragen sei, so etwa die Geberrolle in globalen Partnerschaftsbeziehungen. Als Ansatz aus der Praxis formulierte Auer-Frege das Denken von der Partnerorganisation her, die besondere Beachtung der Schnittstellen zwischen individueller Förderung und gesellschaftlichem Wandel, der Fokus auf vielseitige und diverse Zielgruppen sowie Langfristigkeit und die Bereitschaft, Widerstand auszuhalten. „Es geht einer feministischen Entwicklungszusammenarbeit um eine normative Werteorientierung und die Anerkennung universeller Menschenrechte, aber gleichzeitig soll das Engagement kontextspezifisch und kultursensibel sein, man sieht hier den möglichen Widerspruch und wir werden hier an Auseinandersetzungen nicht vorbeikommen“, so Auer-Frege. Insgesamt bewertete sie aber die Ansätze der Koalitionsvereinbarung als positiv: „Entwicklung soll mehr sein als wirtschaftliches Wachstum, sondern soziale und Ressourcengerechtigkeit im Blick haben und hier erkennt man an der Vereinbarung einen ernsthaften Willen, in der Außen- und Entwicklungsarbeit umzudenken“, so Auer-Frege. Die drei Ebenen, die vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Bereich feministische Entwicklungsarbeit identifiziert werden sind: Rechte verwirklichen – Ressourcen einsetzen – Repräsentanz verbessern (Feministische Entwicklungspolitik | BMZ) und werden von einem „4.R“ – der Realität ergänzt werden müssen.

Feministische Entwicklungspolitik

Feministische Ansätze in der katholischen Verbands- und Vereinsarbeit

Kampf für Geschlechtergerechtigkeit (c) Eva Baillie
Kampf für Geschlechtergerechtigkeit

Die Vertreterinnen der katholischen Verbände und Vereine begrüßten die Ansätze der feministischen Entwicklungsarbeit. „In unserem Verband sowie auch in Hinblick auf unser internationales Engagement ist Diversität zentrales Thema“, so Elena Gross, PSG Diözesanverband Mainz. Sowohl Dr. Maria Decker, Vorsitzende SOLWODI als auch Margret Dieckmann-Nardmann, Präsidentin des Frauenmissionswerkes, betonten, dass in der projektbezogenen Arbeit ihrer Organisationen die Förderung der Teilhabe von Frauen an gesellschaftlichen Transformationsprozessen ein wichtiger Faktor sei. Für Dr. Auer-Frege ein wichtiger Punkt: „Sie werden kaum eine Person finden, die es kritisch sieht, wenn Sie Mädchen und Frauen helfen, eine Hütte zu bauen. Aber wie sieht es aus, wenn Sie sie unterstützen, in Führungspositionen oder Regierungsverantwortung zu kommen?“

Für Luzeyi Kuelusukina, Vorsitzende des Gesundheitsvereins Lisungi e.V., ist die Kooperation mit kirchlichen Organisationen in ihren Frauengesundheitsprojekten in der DR Kongo Arbeit wichtig. „Als Akteure der Zivilgesellschaft helfen sie uns, die Menschen zu unterstützen, die in einem korrupten und ungerechten Staatssystem sonst wenig Anwaltschaft haben.“ 

Gisela Franzel, Referentin kfd Diözesanverband Mainz, betonte die universelle Dimension eines feministischen Ansatzes in der Entwicklungszusammenarbeit: „Es geht auch darum, den Zusammenhang zwischen der Fortschreibung traditioneller Frauenbilder (z.B. in der Aufrechterhaltung der ausschließlichen Weihe von Männern) in der katholische Kirche bewusst wahrzunehmen und zu reflektieren, welchen Einfluss diese auf die Aufrechterhaltung von untergeordneten und abhängigen Frauenrollen in anderen
Erdteilen haben.“ Für Janina Adler, Referentin der Frauenkommission Mainz, ist es „die Aufgabe der Frauenkommission, Fragen der Geschlechtergerechtigkeit in unserem Bistum zu stellen und an einer zukunftsfähigen Kirche aus Frauensicht zu arbeiten.“

In Bezug auf die Rolle der katholischen Hilfswerke sowie der Bistümer betonte Auer-Frege, dass hier an verschiedenen Stellen ebenfalls intensiv an kollaborativen und inklusiven Förderungs- und Partnerschaftskonzepten gearbeitet werde. „Als Kirche müssen wir allerdings verstehen, dass Mitgliedschaft allein keine Türen mehr öffnet für einen Dialog mit der Politik. Wenn wir aber mit den Themen Klimawandel, Frieden/Sicherheit, inclusive Governance und Menschenwürde als Eckpfeiler sowie einem Ansatz zur strukturellen Überwindung von Armut, Ungerechtigkeit und Gewalt auftreten, bleibt Kirche glaubwürdiger und kompetenter Ansprechpartner.“