Mord, Moor und Mundart
Wenn Radiomoderator und Autor Tim Frühling zur Lesung bittet, wird der Saal zum Tatort – und das Publikum zu Mitermittlern.
Zum zehnten Geburtstag der Bücherei St. Remigius in Ober-Mörlen hat Frühling Einblicke in seine Arbeit als Krimiautor gewährt, der auch ernste Themen mit leichter Feder verpackt.
Weit vor der Zeit strömen die Besucher in den Bonifatiussaal, nehmen dankbar ihr Freigetränk entgegen und vertiefen sich erwartungsfroh ins Gespräch. Tim Frühling mischt sich unters Publikum. Der redegewandte Radiomoderator (hr1), telegene Wettervorhersager (hr und ARD) und leidenschaftliche Autor regionaler Kriminalromane und Wanderführer ist bester Dinge und versprüht unbändige Lust auf einen unterhaltsamen Krimi-Abend. Nur zu gut erinnert sich der Autor an seinen ersten Gastauftritt im frühlingsfrischen Ober-Mörlen vor fünf Jahren – als herzlich willkommener Ehrengast beim fünften Geburtstag der öffentlichen Gemeindebücherei St. Remigius nach der Fusion aus kommunaler und kirchlicher Bücherei. Dass zwei Wochen nach der gefeierten Premiere an der Usa der erste Corona-Lockdown die Welt auf den Kopf stellen sollte, ahnte an jenem Abend wohl niemand. Auch nicht, dass die geplante Vorstellung von Frühlings viertem Krimi „Hessentagtod“ auf dem Hessentag in Bad Vilbel um drei Jahre verschoben werden musste.
Wie 2020 weht auch jetzt, zum zehnten Bücherei-Geburtstag, eine erfrischende Frühlings-Brise durch den proppenvollen Bonifatiussaal, als der Autor seinen Ermittler Daniel Rohde eloquent zu Leben erweckt – als „Kommissar in Wanderschuhen“ und eigentlich privat auf geführter Tour über den Hochröhnweg mit Kollegin Brigitte Schilling, die Rohde nun auch privat zur Seite steht. Das Publikum lernt die Eigenarten der strategisch überzeichneten Wandervögel in der bunt zusammengewürfelten Gruppe um Wanderführer Moritz „Mo“ aus Bayern dank Frühlings bildreicher Formulier- und blitzgescheiter Erzählkunst mit allerlei Dialekten geradezu hautnah und mit allen Klischees kennen. Selbst in seine Trickkiste lässt Tim Frühling seine Zuhörer schauen: „Es ist wichtig, beim Bücherschreiben Bilder entstehen zu lassen, die müssen nicht immer schön sein“, verrät er nach der Beschreibung der unrasierten Frauenbeine einer Protagonistin. Im nächsten Moment springt der Autor auf, um am Abgrund (Bühnenrand) stehend eine brenzlige Situation in der Hochrhön darzustellen. Kaum ist sein Trupp am Roten Moor eingetroffen, um dort in Zelten zu übernachten (dichterische Freiheit, das ist natürlich nicht erlaubt), spitzt sich die Situation zu: Am nächsten Morgen wird Wanderer Frank vermisst. Was nur Daniel und Brigitte erfahren: Im nahen See wird wenig später ein Schlafsack gefunden, und die Polizisten beginnen ihre Undercover-Arbeit…
Hier beendet Tim Frühling grinsend seine Lesung „aus ermittlungstechnischen Gründen“, verrät aber so viel: Nach der Aufklärung des Mordes bleiben noch 50 überraschende Seiten mit einem Cold Case übrig. „Sie bekommen also zwei Krimis zum Preis von einem“, strahlt Frühling und wird für den kurzweiligen Krimiabend mit begeistertem Beifall bedacht. Bereits in der Pause war der Signiertisch dicht umlagert, das änderte sich auch nach Leseschluss nicht. Auch der Wunsch nach Hörbuchversionen seiner regionalen Krimireihe wird laut – und die Vorstellung einer Verfilmung. Mit Witz, Charme und flüssiger Feder widmet der Autor wunschgemäß seine Bücher, darunter neben den fünf Krimis um Kommissar Daniel Rohde aus Bad Hersfeld auch einen Köln-Krimi und mehrere Wanderführer.
Zwei Drittel seines sechsten Falls für Kommissar Rohde seien schon fertig, verrät Frühling im Gespräch. Das Geschehen spielt in Osthessen, wo ein ganzer Ort wegen eines geplanten Solarparks in Aufruhr gerät. Eine Leiche, ausgerechnet genau auf der Fuldaer Kreisgrenze, sorgt für Zündstoff. Im Sommer 2026 soll der neue Krimi erscheinen. Ihn reize es, Kriminalromane auch für aktuelle Themen zu nutzen, neutral mit Argumenten pro und kontra zu spicken und den Leser im Zwiespalt zu beschäftigen. „Mich interessieren die Geschichten hinter den Fassaden.“
INFO - Regionale Krimis, Wanderführer und am Mikrofon
Tim Frühlings bislang fünf Regionalkrimis mit Kommissar Daniel Rohde und Kollegin Brigitte Schilling sind seit 2015 erschienen im „weltweit regionalen“ Verlag emons: „Der Kommissar in Badeshorts“ ermittelt auf Fuerteventura, gerät dann ins Bad Hersfelder „Festspielfieber“, ermittelt auf Gran Canaria als „Kommissar mit Sonnenbrand“, dann beim „Hessentagtod“ in Bad Hersfeld und nun als „Kommissar in Wanderschuhen“ in der Rhön. Ein weiteres Ermittlerpaar ist in „Totgegrillt“ bislang einmalig in Köln am Start. Frühlings Beiträge zu „111 Orte, die man gesehen haben muss“ findet man in Osthessen und der Rhön, in Mittelhessen sowie an Main und Kinzig. Seine Kurzgeschichten hielten Einzug in vier Anthologien „Ein Viertelstündchen Frankfurt“ (CharlesVerlag). Sein Erstling „Nichts kann ich mir am besten merken“ (Fischer-Verlag) zeugt von blitzgescheitem Humor und sein jüngstes Werk „Komm, lass uns wandern“ (Verlag emons) von des Wanderfreaks Leidenschaft für schöne Routen durch Rheingau, Taunus, Wetterau und Vogelsberg.
Tim Frühling ist in Stuttgart aufgewachsen, lebt seit 1997 in Frankfurt und arbeitet seit 27 Jahren beim hessischen Rundfunk. Er moderiert bei der Radiowelle hr1 und präsentiert die Wettervorhersage im hr-Fernsehen und in der ARD.
Text und Foto © Annette Hausmanns