Ein neuer Roman der Autorin von „Über die See“, der mich von der Thematik her ein wenig an „Die Assistentin“ von Caroline Wahl erinnert, aber poetischer geschrieben und insgesamt nicht so nahe an der Realität angesiedelt ist. In beiden Romanen geht es um die heutige „entmenschlichte“ Arbeitswelt, in der sich junge Menschen nur behaupten können, indem sie einen Teil ihrer Persönlichkeit abspalten oder verleugnen. Der Originaltitel „Palais de verre“ passt besser zur Handlung als die deutsche Version.
Claire ist unzufrieden mit ihrer Arbeit, obwohl sie so viel geopfert hat, um dahin zu kommen, wo sie jetzt ist. Sie stammt aus kleinen Verhältnissen aus der Provinz und ist jetzt bei einem renommierten Unternehmen, wo sie doch zufrieden sein müsste.
Eines Tage klettert sie während der Mittagspause aufs Glasdach des Unternehmens, um Luft zu schnappen. Dann kommt sie nicht mehr zurück, die Klappe ist fest verschlossen. Während um sie herum ein wilder Sturm tobt, gegen den sie sich nur notdürftig schützen kann, erkennt sie, wie weit sie sich nicht nur von ihren Wurzeln, sondern auch von sich selbst entfernt hat und wie hohl und wertlos diese schöne neue Arbeitswelt eigentlich ist. Sie kehrt zurück, denn am anderen Tag lässt sich die Luke wieder öffnen, aber niemand ist im Büro, sie liest eine Beurteilung über ihre Person (provinziell sei sie), die sie sehr trifft, und zerstört einige der PCs. Dann geht sie, ohne jemanden zu treffen und ohne Reue. Ihre Stelle wird schnell neu besetzt, mit einer Person, die besser ins Unternehmen passt.
Interessant ist die Form des Erzählens, denn es geht um Claire (ich) und die anderen in der Firma (wir), die sich weiterhin unterdrücken lassen und ihre Menschlichkeit für die Karriere opfern, dazu auch andere für ihre Zwecke benutzen.
Mariette Navarro (Jg. 1980) kommt vom Theater und hat lange als Dramaturgin gearbeitet, bevor sie Romane verfasste, das merkt man ihren Texten an.