Zukunft gestalten
Die Frage nach der Gestaltung der Zukunft hängt eng mit Visionen zusammen, die wir für unser zukünftiges Handeln entwickeln und nach denen wir die Gestaltung unserer Zukunft ausrichten.
Erinnern Sie sich noch an die mit viel medialem Aufwand verbreitete Vision, die Menschen in unserem Bistum entwickelt haben?
Diese Vision, an der in einem breiten Prozess seit 2018 viele Menschen im Bistum gearbeitet und sich eingebracht haben, wurde letztendlich am 26.11.2021 im Diözesan-Pastoralrat verabschiedet und ist als Grundlage für Leitbilder zu sehen, die in den jetzt entstehenden neuen Pastoralräumen entwickelt werden sollen.
Stellt die Vision ein konkretes und realistisches Zukunftsbild dar, das für die Menschen sinnstiftend und motivierend sein soll, so ist die daraus abgeleitete Mission eine als wertvoll erachtete Aufgabe zu sehen, die sich nicht nur auf die Zukunft, sondern auch auf die Gegenwart erstreckt und über mehrere Jahre Bestand hat.
Das Leitbild kann als Überbegriff von Vision und Mission verstanden werden.
Das Leitbild konkretisiert unsere Vision, schafft eine starke Identität und beschreibt den unverwechselbaren Charakter unseres Handelns.
Es gibt uns Leitlinien zur Orientierung und kreiert eine gemeinsame Vertrauensbasis, um Stabilität und Kontinuität in unserer Ausrichtung zu gewährleisten.
Die im Bistum verabschiedete Vision steht unter der Überschrift „Mehr Leben wagen“ und zeigt in 4 kurzen Abschnitten auf, wie dies zu verstehen ist.
Der Text der verabschiedeten Vision wird im folgenden Absatz auszugsweise zitiert:
mehr Leben wagen
Jesus Christus lädt dazu ein.
Diese Einladung nehmen wir an - diese Einladung geben wir weiter.
Deshalb nehmen wir wahr, was ist,
und gestalten hoffnungsvoll eine Kirche, die teilt:
1 Wir teilen die Vielfalt des Lebens.
2 Wir teilen Glauben und Zweifel und laden zur Suche nach Gott ein.
3 Wir teilen unsere Ressourcen und nutzen sie verantwortungsvoll.
4 Wir nehmen gemeinsam Verantwortung wahr.
Wenn ich diese Vision auf mich wirken lasse und dazu die Schwerpunkte in Beziehung setze, die wir in der Pfarrgruppe Mainspitze in Phase I des Pastoralen Weges für unser zukünftiges Handeln auf dem Pastoralen Weg beschrieben haben, so ist für mich erkennbar, wie weit wir schon unsere Vorstellungen von „Mehr Leben wagen“ in der Gemeinde vor Ort mit den Sätzen „Wir wollen eine offene und präsente Kirche sein, die in Gott verankert und den Menschen zugewandt ist.“ zum Ausdruck kommen.
Und genau diese Vorstellungen von Gemeinde vor Ort haben wir in den verschiedenen Schwerpunkten wie Öffentlichkeitsarbeit, lebensnahe Liturgie, Ökumene, Sozialpastoral und caritatives Tun, Kinder- Jugend- und Familienpastoral, Erwachsenenkatechese sowie Kirche bietet Heimat beschrieben.
Mit viel Aufwand sind wir in die zweite Phase des Pastoralen Weges gestartet, haben Projektgruppen u. a. für Katechese, Gottesdienste, Sozialpastoral, Gebäude, Vermögen und Verwaltung gebildet, die alle ihre Arbeit aufgenommen und über Konzepte für die Gestaltung der Arbeit in der neuen Pfarrei beraten.
Diese Konzepte sollen wesentliche Elemente des Pastoralkonzeptes werden, die bis zur Gründung der Pfarrei vorliegen müssen. Wenn ich diese Vorhaben betrachte, so habe ich den Eindruck, dass wir die Grundvollzüge in unserer Kirche voll im Blick haben und uns sach- und fachgerecht darum kümmern. Doch ist dies für mich nicht allein Zukunft gestalten.
Vielmehr steht die Frage im Raum, wie wir uns mittel- und langfristig als Glaubensgemeinschaft in dem Raum AKK-Mainspitze positionieren werden. Wo wollen wir Schwerpunkte für unsere Arbeit legen und wie werden wir diese Zukunft und mit wem gestalten?
Derzeit werden die anstehenden strukturellen Veränderungen aus meiner Sicht von vielen als Vorgabe aus Mainz verstanden, die es gilt so gut wie möglich abzumildern und den Status quo nicht wirklich zu verändern.
Dies mache ich an dem Gebäudekonzept fest, das erfreulicherweise zwar keine unmittelbare Schließung von Kirchen vorschlägt, aber bei der Anpassung der Flächen von Gemeindehäusern in den überwiegenden Fällen darauf hofft, dass Flächen ver-mietet werden können und ansonsten alles so bleiben kann wie bisher. Hier fehlt mir der Gedanke, alte Gebäude zu verkaufen und mit dem Erlös etwas Neues zu schaffen, das auf zukünftige Strukturen und zukünftige Schwerpunkte ausgerichtet eine Signal-wirkung nach innen und außen erzeugt! Was werden die Menschen in Zukunft brauchen? Auch diese Frage haben wir schon einmal in der Phase 1 des Pastoralen Weges untersucht und sind der Antwort durch vielfältig geführte Interviews auf die Spur gekommen. Die Ergebnisse dürfen wir nicht einfach in der Schublade stecken lassen!
Wenn wir Zukunft gestalten wollen, müssen wir auch lernen loszulassen, Altes hinter uns zu lassen und Neues zu wagen. Dies ist nicht nur eine schöne Erkenntnis aus der Managementlehre von Veränderungsprozessen oder aus dem Umfeld der Psychologie, wo der Rat des sich frei machen von etwas und des Raumschaffens für etwas erteilt wird.
Am 28. Sonntag im Jahreskreis 2024 heißt es im Markusevangelium (Mk 10,21).
Geh, verkaufe, was du hast,
gib es den Armen
und du wirst einen Schatz im Himmel haben;
dann komm und folge mir nach!
Diese Aufforderung von Jesus Christus wurde in einer Predigt so ausgelegt, dass wir lernen müssen, los zu lassen, alte Gewohnheiten aufzugeben, um unser Leben neu auf Gott ausrichten zu können. Modern ausgedrückt taucht dazu der Begriff der Exnovation auf, der das Aufgeben von nicht mehr wirksamen Nutzungssystemen umschreibt.
Dieses Loslassen beziehe ich auch auf die Situation in unserem Pastoralraum. Wenn wir es schaffen, Gewohntes und bisher Bewährtes auf den Prüfstand zu stellen, uns auch davon zu verabschieden, kann Neues für die Zukunft, kann Innovation, entstehen. Wie wollen wir uns und mit wem wollen wir uns als Glaubensgemeinschaft zukünftig so aufstellen, dass wir Wege erkennen, Zukunft mit allen Alters- und Interessengruppen in der neuen Pfarrei zu gestalten? Dabei sind die endlichen Ressourcen nicht aus dem Blick zu verlieren und geschickt für Verwirklichung der Zukunft zu nutzen.
Ich hoffe, dass wir in den Anfang des Jahres neu gewählten Gremien das Augenmerk nicht nur auf die Bewahrung des Bewährten legen, sondern uns zutrauen, neue Wege zu gehen. Ein Schritt dazu kann das Anfang 2025 stattfindende gemeinsame Wochenende des PGR in der Mainspitze werden.
Ich hoffe darauf und arbeite mit daran, dass wir es schaffen, miteinander in Kontakt zu kommen und mit den Vertreterinnen und Vertretern der Gremien in den anderen Pfarreien, in der Pastoralraumkonferenz und bei vielfältigen Begegnungen mit Menschen aus dem Pastoralraum Wege finden, uns auszutauschen und gemeinsame Schritte in eine spannende Zukunft zu gehen.
Heinz Witting