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„Das Erntedankfest in der Wetterau“

Messdienerschar in den 1950er Jahren zum Erntedankfest.
Datum:
Di. 16. Sept. 2025
Von:
Kai Schraub

erzählt von Kai Schraub aus Ober-Mörlen

Einmal im Jahr werden in christlichen Kirchen die Gaben und Erträge der Natur gewürdigt. Der Altarbereich erstrahlt dann in prächtigen Farben durch die kunstvollen Arrangements aus Gemüse, Obst, Getreide und natürlich Brot. Am ersten Sonntag im Oktober feiern die deutschen katholischen Gemeinden das Erntedankfest. Diesen Termin hat die Deutsche Bischofskonferenz bereits im Jahr 1972 festgelegt. Wie viele christlich geprägten Feste hat auch das Erntedankfest vorchristliche Vorläufer. Bereits im Römischen Reich kannte man etwas vergleichbares, auch im antiken Griechenland und in Israel waren Rituale zum Erntedank bekannt. Die Christen übernahmen den Brauch und integrierten ihn in ihren Glauben. Der Mensch ist nach wie vor hauptverantwortlich für die Schöpfung und muss sorgsam mit ihr umgehen, das war, ist und bleibt ein weiterer zentraler Gedanke des Erntedankfestes. Dieses Fest soll Anlass sein, über die Abhängigkeit des Menschen von der Natur nachzudenken und Gott dankbar zu sein für das, was er von ihm erhält. Der Abschluss der Ernte wird von jeher festlich begangen. Bereits im ersten Buch der Bibel ist das erste „Erntedankfest“ niedergeschrieben. Die Brüder Kain und Abel bringen Gott die Erzeugnisse ihrer jeweiligen Arbeit dar. Kain opfert Früchte, sein Bruder als Hirte ein Tier seiner Herde. Das Fest soll den Menschen auch mahnen, er ist Teil der Schöpfung Gottes und wird zum einen seine Nahrung aus Ackerbau und Viehzucht stets auf Gott zurückführen. Zum anderen begreift er sich als von der Natur abhängig und hat für die Fülle der Ernte immer zu danken. Viele Familien sprechen vor dem gemeinsamen Essen das Gebet: „Komm Herr Jesus sei unser Gast und segne was du uns bescheret hast“. 

Auch in der „goldenen Wetterau“, die wie schon ihr Name sagt, von jeher eine ertragreiche Ernteregion ist, werden die Erntedankfeste ebenso begangen. Auf unserem Foto vor der Pfarrkirche „St. Remigius“ in Ober-Mörlen sind die Messdiener der 1950er Jahre abgebildet. Über ihnen ein großes Kornkreuz als Zeichen der vollendeten Erntezeit, die regional einen hohen Stellenwert besitzt. Die Erntezeit war mühevoll, wie das Foto des Bauern auf dem Wagen zeigt und war der Ertrag der Ernte früher schlecht ausgefallen, standen bittere Zeiten bevor. So waren in diesen Jahren die Bewohner auf den Dörfern meist noch kleinbäuerlich geprägt mit Höfen, Scheunen und Viehställen. Man besaß Äcker und ein Stück Gartenland für die Selbstversorgung und Wiesen für die Nutztierhaltung. Streuobstwiesen als Garant für Erzeugnisse wie Zwetschgenhoink oder Apfelwein sind für die Wetterau ebenso prägend wie die Bezeichnung als „Kornkammer des Landes“. Heute hat sich im Vergleich zu einst das Bild gewandelt, nur noch sehr wenige Kleinbauern zählt man, die Zahl der größeren Betriebe ist in der Wetterau noch stabil, in anderen Regionen sieht dies leider anders aus. Vielerorts haben die Landwirte Nachfolgesorgen, alteingesessene Höfe verschwinden. Umso wichtiger ist es an dieses Fest des Dankes an die Ernte zu erinnern. Der sogenannte „Erdüberlastungstag“ war in diesem Jahr bereits am 3. Mai, bedeutet ab diesem Tag hat die Bundesrepublik rechnerisch die ihr zustehenden Ressourcen der Erde für dieses Jahr aufgebraucht. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine kleine Verbesserung um einen Tag aber es zeigt deutlich, wie sehr man von einer globalen Ernte und von Mutter-Natur abhängig ist.