80% Regenwahrscheinlichkeit – die Wettervorhersage war eher bescheiden. Nicht so gut, wenn man sich beim Oasentag nach Franziskusweg und Bonifatiusweg wiederum für ein Ziel entschieden hat, bei dem man fast ausschließlich im Freien unterwegs ist. Aber das hat auch gute Gründe: Zum einen ist das ein angenehmer Ausgleich für unseren doch eher sitzenden Beruf, zum anderen ist es so auch bei der zum Zeitpunkt der Planung noch unklaren Corona-Lage sinnvoller.
Ab 10 Uhr stand uns am 27. September an der Touristeninfo eine Führerin Rede und Antwort, die uns jede Menge zum aktuellen Stand der Forschung rund um das Welterbe Kloster Lorsch erzählen konnte. Und wir hatten auch mit dem Wetter Glück: Wenn wir draußen unterwegs waren, kam zeitweise sogar die Sonne heraus. Die Regentropfen fielen nur, wenn wir drinnen waren, zum Beispiel in der berühmten Torhalle aus karolingischer Zeit. Bei dem ehemals reich verzierten Raum im Obergeschoss ist bis heute nicht klar welchen Zweck er hatte. Die Forschung vermutet darin einen repräsentativen Raum zum Empfang des Herrschers; viele andere tendieren eher dazu, dass er als eine Art Gerichtssaal genutzt wurde.
Von dem Kloster, das der Sage nach Ute nach dem Tod ihres Gatten, des Burgunderkönigs Dankrat, im Jahr 764 gestiftet hat, ist bis auf ein Kirchenfragment und die Klostermauer nicht mehr viel übrig. Im südlichen Klosterareal ist die Mauer noch zu rund zwei Dritteln erhalten und man kann in etwa das Ausmaß der früheren Anlage nachvollziehen. Die Lorscher Mönche kamen zunächst aus dem benachbarten Frankreich. Die Abtei stieg bereits 772 zu einem Königskloster auf, und sogar Karl der Große war bei der Weihe im Jahr 774 anwesend. Schon bald kamen Reliquien des hl. Nazarius nach Lorsch, die dem Kloster zu großem Wohlstand verhalfen. Seine Besitzungen erstreckten sich schon um 800 herum über das Gebiet von heute sechs europäischen Staaten. Für viele Gemeinden von der Schweiz bis nach Bremen ist der Lorscher Codex eine wichtige Quelle für die Erforschung der Geschichte ihres Ortes. Das Kloster Lorsch verfügte eine reichhaltige und sehr berühmte Bibliothek, die alles Wissen der damaligen Zeit zusammenführte. Viele der wertvollen Bücher sind allerdings als Schenkungen weltweit verstreut. Besonders erwähnenswert ist außer dem Lorscher Codex das Lorscher Arzneibuch. Zur damaligen Zeit wurden Krankheiten als Strafe Gottes gesehen und es gab keinen Grund sie zu behandeln. Das Arzneibuch verknüpfte aber das heilende Handeln klug mit den Grundsätzen christlicher Nächstenliebe und war wahrscheinlich ein grundlegendes Werk medizinischen Handelns. Im Lorscher Kräutergarten werden heute noch Medizinalpflanzen aus der damaligen Zeit gezogen.
Interessant war auch die Zehntscheune, in der heute eine Schausammlung mit Fundstücken aus dem Klostergelände zu finden ist. Viele davon wurden als Bruchstücke aus einem Brunnen auf dem Klostergelände geborgen und mühsam wieder zusammengesetzt. Das bekannteste Objekt ist ein Sarkophag König Ludwigs des Deutschen.
Nach vielem Wissenswerten über das Kloster im Lauf der Jahrhunderte erwartete uns im gemütlichen Brau- und Backhaus Drayß ein stärkendes Mittagessen und vor allem viele bereichernde Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen.
Der anschließende Spaziergang zur Klosteranlage Altenmünster, dem kleinen Ursprungskloster an der Weschnitz, tat gut, auch wenn davon außer den später aufgemauerten Umrissen wenig übrig ist. Da das Wetter nach wie vor unbeständig war, wurde die Andacht mit unserer geistlichen Beirätin Claudia Flath kurzerhand in die evangelische Kirche verlegt. Sie stellte uns die Perlen des Glaubens vor; die 18 Perlen behandeln Grundthemen des Lebens: Die Gottesperle bildet Anfang und Ende des Perlenarmbands und hält das Leben zusammen; sechs Perlen der Stille sind an verschiedenen Stellen eingebettet, es gibt eine Ich-Perle, eine Taufperle, eine Wüsten-Perle, eine Perle der Gelassenheit, zwei Perlen der Liebe, drei Geheimnis-Perlen, eine Perle der Nacht und eine Perle der Auferstehung.
Das Wetter hatte schlussendlich doch mitgespielt und es war viel schöner als vorhergesagt. Wir haben einiges Neues erfahren und konnten in den vielen Gesprächen und der Andacht wieder Kraft schöpfen für unseren Berufsalltag. Schön, dass es diese Oasen zwischendurch gibt und der Vorstand unseres Berufsverbands sie immer wieder so toll organisiert!
(Maria Lorenz)