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Gedanken eines Jugendlichen zur Emmaus-Geschichte - Predigt vom Sonntag, 3.5.2024

Emmaus
Datum:
5. Mai 2025
Von:
Benjamin Hektor

Liebe Gemeindemitglieder,
Im Zuge eines nachösterlichen Gottesdienstes an meiner Schule habe ich zusammen mit meinem Team den Auftrag übernommen, einige Gedanken über die Emmaus-Geschichte aufzuschreiben.

Am Anfang hatten wir, um ehrlich zu sein, keine Ahnung, was uns diese Geschichte sagen soll. Das hat irgendjemand vor Jahrhunderten
aufgeschrieben, und jetzt sollen wir das auf die heutige Zeit beziehen. Wie soll das möglich sein? Erst nach mehrmaligem Durchlesen und langem Grübeln erkannten wir, dass ein wesentlicher Bestandteil dieser Geschichte etwas ist, das uns tagtäglich beschäftigt.

Manchmal fühlt sich das Leben an wie ein langer Weg. Ein langer, steiniger Weg, der von Zweifeln gesäumt und von Fragen überhäuft ist. Wir starten mit Hoffnung im Herzen, mit Träumen und Erwartungen. Doch dann geschieht etwas – und plötzlich scheint alles verloren. Wir fragen uns: Wo bist du, Gott? Warum hast du uns allein gelassen?

Ich glaube, fast jede*r von Ihnen hatte dieses Gefühl schon einmal in seinem Leben verspürt. Wenn man eine große Hoffnung in sich trägt, doch dann bitterlich enttäuscht wird. So ging es auch den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus. Sie hatten auf Jesus gesetzt, auf
ihn gehofft. Sie hatten alles in ihn gelegt – ihr Vertrauen, ihre Zukunft, ihr Herz. Doch dann kam das Kreuz. Und mit dem Kreuz: die Enttäuschung.

„Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde.“ Das haben Sie gerade in der Lesung gehört. Im ersten Moment haben wir diesen Satz auch überlesen, aber als wir uns überlegt haben, was die Jünger sich eigentlich von Jesus erhofften, erkannten wir, dass dieser Satz die Hoffnung der Jünger widerspiegelt. Sie erhofften sich die Erlösung Israels. Sie hofften darauf, dass Jesus der Messias, ihr Retter sei. Ihre Hoffnung war real. Sie war nicht naiv, nicht falsch – aber sie wurde erschüttert.

Hoffnung ist etwas Wunderbares. Sie ist der Motor, der uns vorwärtsbringt. Hoffnung lässt uns leben, glauben, lieben – aber: Hoffnung macht auch verletzlich. Wer hofft, kann enttäuscht werden. Und genau das erleben die beiden Jünger.
Sie hatten sich das anders vorgestellt – den Messias als Retter, nicht als Leidenden am Kreuz. Ihr Bild von Gott war ein anderes.
Und so wurde ihre Hoffnung erschüttert, weil sie sich in ihren Erwartungen getäuscht hatten.

Wenn ich darüber nachdenke, wie ich mich immer wieder gefühlt habe, wenn ich enttäuscht wurde, läuft mir jedes Mal ein Schauer über den Rücken. Sie kennen das sicher: Ihnen wurde etwas versprochen, auf das Sie sich sehnlichst gefreut haben – sei es ein Geschenk, eine
besondere Unternehmung oder einfach das Wiedersehen eines geliebten Menschen.

Doch dieser Hoffnungsgedanke muss nicht immer von außen kommen. Oft entsteht er ganz von allein, in uns – aus unserer eigenen Sehnsucht, unserem Wunsch, dass etwas Schönes geschieht. Sie haben sich bestimmt auch schon mal Hoffnungen gemacht. Egal, ob Sie neue Freunde gefunden oder sich frisch verliebt haben und hoffen, dass Ihr Gegenüber dasselbe fühlt wie Sie. Immer wieder verspüren wir in unserem Alltag dieses Gefühl von Hoffnung.

Doch genau so schnell, wie diese Hoffnung fruchtbaren Boden in Ihnen findet und zu einer großen Pflanze heranwächst, genau so schnell kann sie auch vertrocknen, zertrampelt oder vergiftet werden. Von dem einen auf den anderen Augenblick zerplatzt der Traum, die Hoffnung geht zugrunde.

Dieses diffuse, drückende Gefühl, das sich in genau jenen Momenten in Ihnen ausbreitet, wenn die Freundschaft sich doch nicht so entwickelt, wie Sie es erwartet haben, die ersehnte Antwort auf Ihre Liebeserklärung ausbleibt oder Sie ganz allgemein spüren, wie Ihre Erwartungen an der Realität zerschellen – das ist es, was man Enttäuschung nennt.

Den beiden Jüngern ergeht es in diesem Augenblick genauso wie Ihnen. Mit diesem Gefühl wenden sie sich von Jerusalem ab – sinnbildlich von jenem Ort, an dem Gott wirksam gewesen ist. Sie kehren zurück in ihr altes Leben, müde, enttäuscht, voller Fragen. Sie fühlen sich nutzlos und leer, wie Sie sich vielleicht auch schon einmal gefühlt haben.

Und dann passiert das Wunder: Jesus selbst kommt dazu. Aber sie erkennen nicht, dass er es ist, der den Weg mit ihnen beschreitet. Warum?
Vielleicht, weil sie ihn nicht erwarteten.
Vielleicht, weil sie so in ihrer Trauer gefangen waren.
Vielleicht, weil Jesus anders ist, als sie ihn kennen.
Und so gehen sie ihren Weg – traurig, verwirrt und doch nicht allein. Denn Jesus ist bei ihnen, auch wenn sie ihn nicht als diesen wahrnehmen.

Wie oft geht es uns auch so? Wie oft sind wir enttäuscht von Gott, von Menschen, vom Leben – und merken nicht, dass wir die ganze Zeit begleitet wurden? Wie oft waren Sie enttäuscht und haben sich so auf Ihr Leid konzentriert, dass Sie vorbeigeschaut haben? Vorbeigeschaut an wundervollen Taten, Zuwendungen oder Menschen, die Sie begleitet haben, die Sie aber vielleicht gar nicht richtig begreifen konnten, weil Sie in Ihrer Enttäuschung gefangen waren. Und doch sind es eben diese, die Ihnen am Ende eine neue Hoffnung schenken. Das könnten Ihre Freunde sein, Ihre Familie, ein Tier oder jemand oder etwas ganz anderes. Am Ende sind es diejenigen, die Sie aus Ihrer Enttäuschung holen, Sie trösten, Sie aufbauen. Und am Ende erkennen Sie vielleicht, dass das, was Ihnen geschehen ist, gar nicht so schlecht war. Vielleicht hat es Sie nachhaltig geprägt, depressiv oder innerlich krank gemacht.

Aber, eine Sache, die ich aus meiner eigenen Erfahrung versprechen kann: Es hat Sie geformt, Ihnen eine Erfahrung gegeben, Sie zu der Person gemacht, die Sie heute sind. Und auch das ist etwas, was jede*r von uns lernen muss, auch wenn das vielen nicht leichtfällt:
Sie sind gut so, wie Sie sind.

Wenn Sie es schaffen, diese Erkenntnis zu fassen, dann haben Sie schon sehr viel geschafft. Wenn Sie sich eingestehen können, dass selbst die negativsten Erfahrungen in Ihrem Leben Sie geformt und geprägt haben, dann haben Sie schon viel in Ihrem Leben erreicht.

Und so ähnlich ging es auch den beiden Jüngern. Nachdem sie all den Weg gelaufen waren, voll Trauer, voll Leid, entdeckten sie beim Abendessen, dass sie den ganzen Weg über nicht alleine waren. Sie erkannten, dass ihr Glaube nicht falsch war. Plötzlich ergab alles einen Sinn. Die Puzzleteile fügten sich zusammen. Die Hoffnung lebte neu auf. Er hat sie nicht verlassen. Ihre Hoffnung war nicht vergeblich.

Schließlich kehrten sie um, zurück nach Jerusalem. Zurück zu den anderen. Zurück ins Leben.
Und so wie die Jünger es getan haben, möchte ich jetzt auch Sie dazu ermutigen, weiterzumachen, Ihren Weg fortzusetzen.

Ich weiß, wie hart das Leben sein kann, auch ich habe meine Erfahrungen gemacht. Vielleicht nicht so schlimme oder tiefgreifende wie Sie, aber ich habe sie gemacht. Und wenn ich daran zurückdenke, wie es mir ging und auch heute noch geht, dann verdrücke ich doch immer wieder eine Träne. Aber das gehört einfach zu mir, das bin ich, das hat mich geformt.

Diese Erkenntnis hat mich viel Kraft gekostet, aber ich habe es geschafft. Und das schaffen auch Sie. Auch wenn vergangene Taten oder Erfahrungen nicht rückgängig gemacht werden können, möchte ich mit diesen Gedanken einen kleinen Hoffnungsschimmer in Ihnen pflanzen. Es gibt Hoffnung. Auch wenn sie vielleicht gerade sehr schwach scheint. Es gibt sie. Irgendwann kommt die Zeit, da können Sie der Hoffnung den nahrhaften Boden und die Sonne geben, die sie braucht, und dann wächst sie heran zu einer wundervollen
Pflanze.

Es kann sein, dass dann wieder etwas passiert, das die Hoffnung förmlich niederschlägt. Ich wünsche Ihnen allen, jedem einzelnen von Ihnen, dass dann jemand an Ihrer Seite steht, der wieder einen winzig kleinen Hoffnungsschimmer in Ihnen pflanzt – und dieser
Hoffnungsschimmer zu einer noch wundervolleren Pflanze heranwächst, als sie es zuvor war.