Tatort Grab - Eine österliche Spurensuche für Skeptiker

Am liebsten sehen die Deutschen Krimis. Dieses Filmgenre läuft tagtäglich in den Fernsehprogrammen der Republik und das in immer neuen Formaten. Es ist offenbar spannend, Spuren zu sichern, Zeugenaussagen nachzugehen, Informationen zu verknüpfen und dann den oder die Täter zu ermitteln.
Machen wir das doch jetzt einmal und stellen wir ganz rational Nachforschungen an, was es mit der abhanden gekommenen Leiche auf sich hat, um die es am Ostersonntag (auch) geht.
Die Informationslage für unsere Recherchen ist gut. Tatort ist das Grab des Ratsherrn Josef von Arimathäa – ein Höhlengrab, bei dem der Verschlussstein weggewälzt vorgefunden wurde. Die Leiche, die zwei Tage zuvor dort bestattet worden war, war nicht mehr auffindbar, wohl aber Grabtücher, diese dem Vernehmen nach sogar ordentlich zusammengelegt.
Uns liegen ferner vier schriftlich festgehaltene Zeugenaussagen bzw. Sammlungen von Zeugenaussagen vor, die unter den Namen „Matthäus“, „Markus“, „Lukas“ und „Johannes“ firmieren.[1] Die Aussagen darin sind in Einzelheiten unterschiedlich, was für einen Ermittler - wie übrigens auch für einen Althistoriker – nicht ungewöhnlich ist. Sie stimmen aber in folgenden zentralen Punkten überein:
- Im Grab lag ein Gekreuzigter, dessen Hinrichtung zwei Tage zuvor stattgefunden hatte.
- Der Gekreuzigte hatte unter dem Namen Jesus von Nazareth eine überregionale Bekanntheit erlangt. Er war Lehrer und Prediger, auch Wundertaten wurden ihm nachgesagt. Er geriet mit dem Sanhedrin, der obersten jüdischen Religionsbehörde, in Konflikt, weil er behauptete, direkt von Gott gesandt zu sein und diesen genau zu kennen. Diesen Anspruch erhob er vor einer immer größer werdenden Öffentlichkeit, so dass der Hohe Rat um die öffentliche Sicherheit und die religiöse Ordnung fürchtete. Daher veranlasste er dessen Verhaftung. Beim römischen Statthalter Pontius Pilatus erwirkte er seine Kreuzigung, wodurch er nach verbreiteter Auffassung völlig diskreditiert war.[2]
- Der Anhängerkreis, mit dem sich Jesus umgab, suchte noch in der Nacht seiner Verhaftung das Weite und trat danach wochenlang nicht mehr in Erscheinung.
- Die für einen Gekreuzigten ungewöhnlich ehrenvolle und von Pilatus genehmigte Bestattung war nur durch die Bereitschaft des Josef von Arimathäa, sein Familiengrab dafür zur Verfügung zu stellen, überhaupt möglich. Dieses Höhlengrab war zuvor noch nicht belegt worden.
- In der Morgenfrühe des dritten Tages danach gingen eine oder mehrere Frauen zum Grab, entweder um nach dem Grab zu sehen[3], oder um eine Salbung vorzunehmen[4]. Sie fanden das Grab zu ihrer Bestürzung offen, der Leichnam Jesu war verschwunden.
- Kurze Zeit später kamen zunächst die Frauen, aber auch die Jünger immer mehr zu der Überzeugung, Jesus sei auferstanden. Sie begründeten es übereinstimmend mit der Aussage, er sei ihnen erschienen, d.h. sie hätten ihn lebend vor sich gesehen.[5]
Was ist passiert? Spielen wir alle denkbaren Möglichkeiten durch und vergleichen wir die vorhandenen Aussagen. Wenn wir das Unwahrscheinliche nach und nach herausfiltern, muss die Möglichkeit, die am Ende als schlüssigste übrigbleibt, dem tatsächlichen Tathergang am nächsten kommen.
Als zusätzlicher Zeuge ist noch Paulus aus Tarsus aufzurufen, dessen Angaben in seinen Briefen authentisch vorliegen. Diese sind anschließend zu besprechen.
Die in der Forschungsgeschichte aufgekommen Thesen lassen sich wie folgt skizzieren:
- Pfusch am Kreuz? Hat das Hinrichtungskommando Jesus noch lebend vom Kreuz abnehmen lassen? - Dagegen sprechen eine Reihe von Argumenten. Alle Berichte über die Kreuzigung Jesu beschreiben seinen sicheren Tod. Die Nachfrage des Pilatus in dieser Sache gab darüber hinaus zu besonderer Gründlichkeit Anlass.[6] Nach Johannes hatte sich der zuständige Hauptmann durch einen Lanzenstich, der dem Herzen des Gekreuzigten galt, zusätzlich vergewissert.[7] - Am Tod Jesu, der sich in aller Öffentlichkeit vollzog, ist bei seinen Zeitgenossen nie ein Zweifel laut geworden, nicht einmal bei seinen Gegnern. Bei einer Scheintodvermutung müsste zudem nachvollziehbar erklärt werden, wie ein von einer Kreuzigung schwer Gezeichneter schon am dritten Tag nach seiner Kreuzabnahme mit durchbohrten Händen und Füßen einen massiven Verschlussstein vor dem Grab wegrücken und als strahlender Sieger erscheinen konnte. - Fazit: Diese These hat keinerlei Wahrscheinlichkeit für sich.
- Leichenraub der Jünger? Dieser Verdacht wurde tatsächlich von einigen Gegnern Jesu erhoben und fand weite Verbreitung.[8] Deshalb muss diese Möglichkeit genau untersucht werden. Bevor wir über mögliche Motive ins Gespräch kommen, macht im Vorfeld eine Beobachtung stutzig. Einige Osterberichte erklären, die Grabtücher Jesu seien in seinem Grab vorgefunden worden.[9] Die Jünger Jesu müssten demnach zuerst in das Felsengrab eingebrochen sein.[10] Eine solche Tat allein bedeutet schon eine erhebliche Störung der Totenruhe. Geht man von einem Leichenraub der Jünger aus, wäre angesichts der zurückgelassenen Leinenbinden zu fragen: Sollen die Jesusjünger den Leichnam etwa splitternackt durch die Gegend getragen haben und wenn ja, wohin? Man kann eine Leiche ja nicht einfach irgendwo ablegen! Das Risiko, bei einer solchen Aktion beobachtet zu werden, war gerade zur Paschazeit außergewöhnlich hoch. Jerusalem mit seinen geschätzt 40.000 Einwohnern musste während der Festtage mit mehr als 100.000 Besuchern zurecht kommen. Auch die Vororte waren überfüllt und in der Umgebung kampierten weitere Pilgerscharen.[11] Ist eine derartige Respektlosigkeit samt der damit verbundenen Risiken wirklich zu erwarten? - Als Urheber einer solchen Tat kämen, wenn es sie gegeben hätte, viel eher die Gegner Jesu infrage. Diese konnten dessen ehrenvolle Bestattung als – buchstäblich in Stein gemeißelte – Kritik am Vorgehen des Hohen Rates und damit als Provokation verstehen.[12] Auch die Überlegung, das Grab als künftigen „Wallfahrtsort“ von Jesusanhängern zu verhindern, hätte hier eine Rolle spielen können. Beim Aufkommen der Auferstehungsbehauptungen in Jerusalem hätten sie diese mit dem Hinweis auf den neuen Bestattungsort rasch zunichte machen können. Schon diese Indizien sprechen gegen diese Theorie.
- Betrugsversuch der Jünger? Eng verknüpft mit dem Verdacht des Leichenraubs ist das Motiv des Betrugsversuches. War das Entfernen der Leiche nur der Auftakt eines Komplotts, um in hochstaplerischer Absicht eine Auferstehung zu behaupten und so den Ruf ihres Meisters – und damit auch ihren eigenen – posthum zu retten?[13] Wie ist ein solcher Verdacht zu bewerten, vor allem aber: wie klug wäre die Wahl der Mittel gewesen? - Gehen wir von den geistesgeschichtlichen Voraussetzungen aus, ist zunächst festzustellen: Von den unterschiedlichen jüdischen Gruppen glaubten die Sadduzäer, die die Priesterschaft im Tempel stellten, grundsätzlich nicht an eine Auferstehung.[14] Ein solcher Glaube war eher unter den Pharisäern verbreitet, dort aber mit zwei konkreten Vorstellungen verknüpft: 1. Die Auferstehung der Toten wurde als kollektives Ereignis gedacht. Zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich am jüngsten Tag, würden die Toten gemeinsam auferstehen. Die vorzeitige Auferstehung eines einzelnen war für sie völlig abwegig. 2. Die Auferstehung geschah nach ihren Vorstellungen ganz leiblich; eine Auferstehung allein der Seele war ihrem Gedankengut komplett fremd.[15] - In einer so geprägten Vorstellungswelt die Auferstehung Jesu mit dem Diebstahl eines einzigen Leichnams zu begründen, wäre eine Torheit sondergleichen gewesen.
Für die Rehabilitierung Jesu hätte sich zudem ein viel geeigneterer Weg angeboten: Mit dem Hinweis auf die ungerechte Verurteilung Jesu hätten die Jünger an das Schicksal vieler alttestamentlicher Propheten anknüpfen können. Dort war es nicht unüblich, dass sich um einen Propheten Schüler sammelten, die das Werk ihres Lehrers nach dessen Tod weiterführten.[16] Damit wäre es ein Leichtes gewesen, sich als Schülerkreis Jesu zu präsentieren, der sich dessen Lehren auch weiterhin verpflichtet wusste. Ein Vorbild dafür lag sogar zeitlich in unmittelbarer Nähe: Der Jüngerkreis Johannes' des Täufers. Zwischen Jesus und Johannes bestand eine engere Verbindung. Auch ihre jeweiligen Jüngerkreise standen in Kontakt.[17] Es gibt deutliche Hinweise, dass Täufergruppen nach dem gewaltsamen Tod des Johannes fortbestanden.[18] Dass Jesus mit allen anderen Gerechten einmal auferstehen würde, hätten sie auf diesem Wege mit erheblich weniger Schwierigkeiten darlegen können. Einer vorzeitigen Auferstehungsbehauptung hätte es also gar nicht bedurft.
Haben diese Darlegungen bisher nur das leere Grab zu erklären versucht, so müssen wir nun den zweiten Hauptpunkt der Osterberichte betrachten: Die Aussage der Jünger, Jesus sei ihnen als Auferstandener erschienen.
Für dieses Phänomen wurde in der historisch – kritischen Forschung das Erklärungsmodell der sogenannten „kognitiven Dissonanzbewältigung“ entworfen: Hinter dieser Formel verbirgt sich die Theorie, dass die Jünger nach dem Tod Jesu dazu gezwungen waren, die damit verbundenen Enttäuschungen[19] rational und psychisch aufzuarbeiten. In den dadurch angestoßenen Prozessen hätten die Jünger schließlich die Vorstellung entwickelt, dass, auch wenn Jesus selbst tot sei, die „Sache Jesu“ weiterginge. Dieses Ergebnis hätten sie dann in die Metapher „Auferstehung“ gekleidet. Einziger Inhalt dieser Aussage sei gewesen, dass Jesus „in den Herzen und Seelen“ der Seinen auferstanden sei und dort weiterlebe. Diese Theorie unterstellt den Jüngern damit keine betrügerischen Absichten, sondern billigt ihnen gewachsene ehrliche Überzeugungen zu.
Gegen diese Theorie lassen sich jedoch folgende Einwände geltend machen:
- Innere Verarbeitungsprozesse dieser Art brauchen längere Zeit. Die kurze Zeitspanne von gerade einmal drei Tagen, nach der bereits die ersten Auferstehungserzählungen die Runde machten, reicht für die Wiedergewinnung psychischer und intellektueller Stabilität bei weitem nicht aus. Man darf nicht außer acht lassen, dass wir uns hier auf einer die menschliche Persönlichkeit tief berührenden Ebene bewegen, nämlich der der religiösen Überzeugungen und der persönlichen Lebensentwürfe. Diese waren mit dem Tod Jesu auf fundamentale Weise infrage gestellt worden. Einen solchen Absturz steckt man innerhalb weniger Tagen und Wochen nicht einfach weg.[20]
- Für die Überzeugung der bleibenden Gültigkeit der Lehre einer Person wäre zur Zeit Jesu niemand auf den Gedanken gekommen, metaphorisch dafür den Begriff „Auferstehung“ zu verwenden. Als Bildwort für ein Weiterleben im Gedächtnis war er der vorchristlichen Antike nirgendwo geläufig[21] und wäre in dieser Form deshalb auch gar nicht verstanden worden.
- Der letzte und vielleicht wesentlichste Einwand gegen diese Theorie ist, dass man mit ihr das leere Grab nicht erklären kann. Dass dieses leer war, wurde selbst von den Gegnern Jesu nicht bestritten. Da für das jüdische Umfeld eine Auferstehung nur in leiblicher Form denkbar war, hätte ein Hinweis auf das nach wie vor belegte Grab Jesu genügt, um allen Auferstehungspredigten ein Ende zu machen. Das gilt mutatis mutandis auch für alle Theorien, die Sinnestäuschungen, Halluzinationen und andere psychopathologische Phänomene bei den Jüngern mutmaßen.[22]
Exkurs: Ein „missratener“ Auferstehungszeuge
„Zuletzt erschien er auch mir, gleichsam der Missgeburt. Denn ich bin der geringste unter den Aposteln; ich bin nicht wert, Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe.“[23] Mit diesen Sätzen schließt Paulus die Liste der ihm bekannten Auferstehungszeugen in 1 Kor 15, 1-8 ab. In deutlichem Kontrast hebt sich Paulus schon durch seine Selbstqualifikation von den vorhergehenden Genannten ab. Diese gehörten zu dem Kreis derer, die Jesus bereits vor seinem Tod gefolgt waren oder wenigstens mit ihm sympathisierten. Paulus war das ganze Gegenteil davon. Er verwarf nicht nur den entstehenden Christusglauben[24], sondern verfolgte die sich sammelnde Jesusgemeinde mit aller Härte.[25] Den Lynchmord an Stephanus begrüßte er,[26] andere verfolgte er mit Drohungen und Mord.[27] Mit dieser Vorgeschichte fallen bei ihm wesentliche Voraussetzungen, die bei den anderen Jüngern die Entstehung des Osterglaubens förderten, komplett aus. Dennoch wurde aus dem eifernden Christenverfolger einer der eifrigsten Christusboten. Wie ist diese Veränderung zu erklären?
Als Ursache dafür kommt eigentlich nur das sogenannte „Damaskuserlebnis“ in Frage. Die Apg (9, 3-6) beschreibt dieses als Erscheinung eines hellen Lichtes und des Hörens einer Stimme, die Paulus nach dem Grund seiner Verfolgungen fragt und sich am Ende auf Bitten des Apostels mit den Worten vorstellt: „Ich bin Jesus, den du verfolgst“ (Apg 9, 5). Wir müssen hier nicht der Frage nachgehen, inwiefern Lukas, der Autor der Apostelgeschichte, diese Szene stilistisch ausgestaltet haben könnte. Denn Paulus selbst beschreibt sie als Erscheinung des auferstandenen Jesus, die den vorherigen Erscheinungen in nichts nachstand.[28] Nach Gal 2, 15-17 geschah sie zudem ohne irgendwelche menschengemachten Einflüsse.[29] - Deshalb müssen alle oben aufgeführten Theorien über eine mögliche Entstehung des Osterglaubens spätestens an Paulus scheitern. Aber gerade bei ihm müsste man doch nach einer Erklärung suchen, nicht zuletzt wegen der außerordentlichen Wirkungsgeschichte dieses Apostels. Wie könnten wir zu belastbaren Ergebnissen kommen?
Ein unumgänglicher Perspektivwechsel
Wir haben uns mit Blick auf die entstehende Auferstehungsbotschaft verschiedene Gedankengebäude angeschaut, die in den zurückliegenden ca. 200 Jahren vertreten wurden. Eine konsistente, in sich stimmige Erklärung haben wir bislang nicht ermitteln können. Aber haben wir wirklich alles bedacht?
Die Prinzipien, unter deren Regie wir unsere bisherigen Überlegungen unternommen haben, sind die der Aufklärung. Deren Blütezeit lag im 17. und 18. Jahrhundert. Diese philosophische Schule hält allein die menschliche Vernunft für imstande, die Wirklichkeit restlos zu begreifen.[30] In deren Folge entwickelte sich der Rationalismus, der in der menschlichen Erkenntnis nicht mehr „ein konkretes Ganzes (sieht), das aus den Beiträgen der Sinne u(nd) des Verstandes erwächst“[31], sondern nur noch die Verstandestätigkeit anerkennt. Diese Prämissen fassten auch im Bereich der Theologie Fuß mit der Folge, dass deren Verfechter alles, auch Glaube und Offenbarung, ausschließlich nach den Maßstäben der rein menschlichen Vernunft beurteilten. Was nicht in deren Raster passte, ließen sie nicht gelten. Die daraus hervorgegangene philosophische Gotteslehre ist der Deismus, der davon ausgeht, dass Gott die Welt zwar perfekt geschaffen hat, danach aber nicht mehr in ihre Abläufe eingreift.[32] Seit dem 18 Jahrhundert fanden die Prinzipien der Aufklärung nach und nach auch in die biblischen Wissenschaften Eingang – mit tiefgreifenden Folgen. Man begann, den „echten“ historischen Jesus von allen vermuteten späteren dogmatischen „Übermalungen“ befreien zu wollen und ließ infolgedessen alle bis dahin akzeptierten göttlichen Attribute, die Jungfrauengeburt, die Wunder und natürlich auch die Auferstehung bestenfalls nur noch als Legende, Dichtung oder Metaphorik gelten. Dieses Denken prägt die neutestamentliche Wissenschaft bis heute, und das in hohem Maße.[33]
Mit solcherlei Einschränkungen sind wir allerdings bislang zu keinen befriedigenden Ergebnissen gekommen. Nun können wir aber das leere Grab und die Überzeugung der Jünger, den Auferstandenen gesehen zu haben, nicht einfach wegdiskutieren. Dafür sind sie historisch zu gut bezeugt. Zudem hält deren erstaunliche Wirkungsgeschichte - die Herausbildung einer weltumspannenden Glaubensgemeinschaft, also der Kirche - bis heute an. Das verlangt nach einer Erklärung.
Folgendes können wir jedenfalls festhalten: Die Gründe, die für die Historizität des leeren Grabes sprechen, wiegen schwer: 1. Alle vier Evangelien berichten davon. Auch Paulus setzt mit der Bemerkung „er (Jesus) ist begraben worden“ ein solches voraus.[34] 2. Nicht einmal vonseiten der Gegner Jesu wurde diese Tatsache geleugnet, sondern nur mit der Behauptung eines Grabraubs anders erklärt. 3. Ohne ein leeres Grab wären die Beteuerungen der Jünger, Jesus sei auferstanden, völlig absurd gewesen, da für ihr jüdisches Umfeld eine Auferstehung, wenn überhaupt, nur leiblich denkbar war.
Viel bedeutsamer jedoch sind die Aussagen der Jünger, sie hätten den Auferstandenen gesehen. Sie sind in den Quellen breit dokumentiert. Welcher Art dieses „Sehen“ war, können wir nicht genau beschreiben. Andererseits verwundert das nicht, da das gesehene „Objekt“ nicht Teil der dem Menschen vertrauten Welt ist.[35] Über die genaue Gestalt des Auferstandenen gibt es bestenfalls Andeutungen. Auffällig ist, dass mehrere Jünger Jesus in seinem neuen Aussehen zunächst nicht erkennen.[36] Gewissheit bekommen sie erst, als sie seine Hände und Füße sehen[37] bzw. beim Anblick der Wundmale[38], beim Hören seiner Stimme[39] oder bei für ihn typischen Gesten wie etwa dem Brotbrechen[40]. Ohnehin ist es naheliegend, dass es sich hier um Erscheinungen der wunderbarsten Art gehandelt haben muss. So, wie sie geschildert werden, handelt es sich um einen in der Weltgeschichte bislang singulären Vorgang, für den keine Parallelen namhaft gemacht werden können. Diese fehlenden Vergleichsmöglichkeiten machen eine nähere Beschreibung des Gesehenen undurchführbar. Ist es aber nicht gerade diese Lückenhaftigkeit, die die Berichte glaubwürdig macht, ebenso wie der Verzicht, den Vorgang der Auferstehung als solchen zu schildern? All die genannten Phänomene rücken daher die Osterereignisse auf beträchtliche Weise in den Bereich der Erfahrung, nicht der Erfindung.[41]
Natürlich muss man mit der Einbeziehung übernatürlicher Ursachen in eine Argumentation besonders vorsichtig sein, sonst öffnet man dem Aberglauben und der Esoterik Tor und Tür. Wenn aber erst deren Hinzunahme die plausibelste Erklärung von historisch ansonsten gut dokumentierten Vorgängen ermöglicht, dann ist ein solches Vorgehen nicht nur vernünftig, sondern sogar geboten - bis zum Erweis des Gegenteils. Ob ein solcher im Fall der Auferstehung Jesu jemals zu erbringen sein wird, ist in meinen Augen höchst fraglich.
Die ersten Auferstehungszeugen benannten übereinstimmend Gott als den eigentlichen Urheber der Auferstehung und machten damit deutlich, dass der „Täter“, dem wir auf die Spur kommen wollten, jenseits der uns bekannten Welt zu suchen ist. Deshalb werden wir ihn weder zu fassen bekommen, noch können wir ihn in ein herkömmliches (Gedanken-)gebäude einsperren. Natürlich ist niemand gezwungen, an die Auferstehung zu glauben. Aber die, die es tun, tun es auf Basis vernunftbegründeter Überlegungen. Der Sinnhorizont, der dadurch eröffnet wird, steht auf tragfähigem Boden. Nichts anderes wollte die vorliegende Untersuchung zeigen.
Meinem Lehrer Prof. Dr. Marius Reiser danke ich für die kritische Durchsicht des Textes.
Weiterstadt, Ostern 2025
Pfarrer Peter Eckstein
[1]Ich behandle hier die Evangelien, wie es klassische Philologen und Althistoriker auch tun würden, wie gewöhnliche antike Quellentexte, die nach Aussage anerkannter Vertreter dieser Wissenschaftszweige bedeutend mehr Vertrauen verdienen, als es ihnen die „historisch – kritische“ oder sagen wir zutreffender „liberal – skeptizistische“ Exegese des 19. und 20. Jahrhunderts zubilligen will. Deren Einfluss hält bis heute an. Jede historische Darstellung ordnet den behandelten Stoff nach bestimmten Schwerpunkten, Darstellungsmethoden und Aussageabsichten, die auch mit Stilisierungen arbeiten. Das bedeutet per se aber keine inhaltliche Fälschung, vgl. hierzu Marius Reiser, Kritische Geschichte der Jesusforschung (SBS 235), Stuttgart 2015, 162-194. - Das Befremden über den bei den Neutestamentlern verbreiteten Hyperskeptizismus hat die Althistorikerin Helga Botermann zu der Bemerkung veranlasst: „Wenn die Althistoriker ihre Quellen so 'kritisch' bearbeiteten wie die meisten Theologen das Neue Testament, müßten sie ihre Akten über Herodot und Tacitus schließen“ (Helga Botermann, Das Judenedikt des Kaisers Claudius (Hermes - Einzelschriften 71), Stuttgart 1996, 24 (Anm. 39)). Methodisch muss also der Grundsatz gelten, dass eine Quelle bis zum Erweis des Gegenteils Vertrauenswürdigkeit zuzubilligen ist. Wie will man auch sonst in der Erforschung der Geschichte der Alten Welt zu zusammenhängenden Ergebnissen kommen? Die Beweislast liegt beim Kritiker, vgl. Marius Reiser, Die Gerichtspredigt Jesu, Münster 1990, 190f.; Helga Botermann, a.a.O. 34 (Anm. 69).
[2]Vgl. Dtn 21, 22f.
[3]Vgl. Mt 28, 1; Joh 20, 1.
[4]Vgl. Mk 16, 1; Lk 24, 1. - Nur Joh 19, 39f. berichtet von einer Salbung des Leichnams noch am Todestag Jesu durch Josef von Arimathäa und Nikodemus, aber keiner der Synoptiker. Die in beiden Stellen genannten Salbungsabsichten der Frauen erklären sich aus dem Wunsch, das Versäumte nachzuholen. - Wir können die Divergenzen auf sich beruhen lassen, für unsere Untersuchungen sind sie nicht entscheidend.
[5]Vgl. Mt 28, 1-10.16-20; Mk 16, 1-8 sowie der sekundäre Schluss 16, 9-20; Lk 24; Joh 20, 11-21,23; Apg 3, 12-26. 4, 8-10.
[6]Vgl. Mk 15, 44.
[7]Vgl. Joh 19, 33f.
[8]Vgl. Mt 27, 62-66.
[9]Vgl. Lk 24, 12. Nach Joh 20, 6f. wurden diese sogar ordentlich zusammengefaltet im Grab vorgefunden, was ein merkwürdiges Verhalten für Einbrecher wäre.
[10]Mit dem Einverständnis des Grabbesitzers wäre nach dessen persönlichen Einsatz für eine würdevolle Bestattung kaum zu rechnen gewesen. - Josef von Arimathäa wird in den Evangelien abwechselnd als „reicher Mann“ (Mt 27, 57), als „vornehmes Mitglied des Hohen Rates, der auch auf das Reich Gottes wartete“ (Mk 15, 43; vgl. Lk 23, 50f)., als „guter und gerechter Mensch“ (Lk 23, 50) und als „Jünger Jesu“ (vgl. Mt 27, 57), „wenn auch nur im Verborgenen“ (Joh 19, 38) beschrieben. Außer beim Begräbnis Jesu taucht er in den Evangelien nirgendwo auf. All das spricht nicht für besonders enge Beziehungen zur Gemeinschaft von Jesu Jüngern und macht eine Teilnahme an einem solchen Komplott, wenn es ein solches denn gegeben hätte, äußerst unwahrscheinlich.
[11]Vgl. Willibald Bösen, Der letzte Tag Jesu , Freiburg³ 1994, 95f.
[12]Für Hingerichtete war gewöhnlich nur ein spezielles Massengrab weit außerhalb der Stadt vorgesehen, vgl. Willibald Bösen, a.a.O. 334.
[13]Vgl. Mt 28, 11-15. Danach griffen die Hohepriester und die Ältesten zu diesem Mittel, um die um sich greifenden Auferstehungsnachrichten einzudämmen.
[14]Vgl. Mt 22, 23; Mk 12, 18; Lk 20, 27; Apg 23, 6-8.
[15]Vgl. Marius Reiser, Der unbequeme Jesus (BthS 122), Neukirchen-Vluyn 2011, 224-227.
[16]Vgl. Werner H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament ³, Berlin 1985, 176.
[17]Das lassen schon die Berichte von der Taufe Jesu erkennen, vgl. Mt 3, 13-17; Mk 1, 9-11; Lk 3, 21-22. - Lk 1, 36 beschreibt sie sogar als Verwandtschaftsverhältnis. - Nach Joh 1, 35-39 stammten die ersten Jünger Jesu aus dem Kreis um den Täufer. Umgekehrt erinnerten sich einige Täuferjünger in späterer Zeit auch noch an Jesus, vgl. Apg 18, 25; 19, 1-4.
[18]Vgl. Bargil Pixner, Wege des Messias und Stätten der Urkirche (hg. von Rainer Riesner), Gießen 1991, 173f. - Flavius Josephus, Jüdische Altertümer XVIII, 3, berichtet von dem großen Eindruck, den der Täufer auch nach seinem Tod hinterließ, so dass nach der militärischen Niederlage des Herodes Antipas gegen die Nabatäer unter den Juden die Ansicht verbreitet war, hier handle es sich um eine Strafe Gottes für die willkürliche Hinrichtung des Johannes. - Nach Apg 19, 1-7 traf selbst Paulus noch im entfernten Ephesus auf eine Gemeinschaft von Jüngern, die sich auf den Täufer Johannes beriefen. Ähnliches gilt nach Apg 18, 24-26 von Apollos, der erst durch Aquila und Priska eine christliche Fortbildung erhält. - Siehe auch Martin Hengel / Anna Maria Schwemer, Jesus und das Judentum. Geschichte des frühen Christentums Bd. 1, Tübingen 2007, 309: „Die enge Verbindung von Täufer- und Jesusbewegung ist in der Überlieferung fest verankert.“
[19]Vgl. Lk 24, 23: „Wir aber hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde“.
[20]Ich spreche hier durchaus auch aus über 34-jähriger Erfahrung in der Seelsorge. - Innerhalb einer Gruppe, die der Jüngerkreis ja war, kommen zusätzliche Dynamiken ins Spiel. Dass eine solche Aufarbeitung zu einheitlichen Ergebnissen führt, ist zudem keineswegs ausgemacht.
[21]Vgl. Marius Reiser, a.a.O, 233.
[22]Apg 2, 37-42 berichtet von der großen Resonanz, die die Auferstehungspredigt der Jünger erhielt, so dass sich der Hohe Rat nach Apg 4, 5-22; 5, 17-42 zu einem raschen Einschreiten veranlasst sah. Und die Repressalien hielten an. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus, Annalen XV, 44, 3 bestätigt, dass der Christenglaube in Judäa früh unterdrückt wurde, bevor er dann wieder hervorbrach. Wie kann eine Gruppe psychisch Auffälliger eine derartige Wirkung erzielen? - In 1 Kor 15, 1-8 begegnet uns die wahrscheinlich älteste Liste verschiedener Ostererscheinungen und -erscheinungszeugen. Wie kann es sein, dass teils größere Gruppen von Personen – 1 Kor 15, 6 etwa weiß von „mehr als fünfhundert Brüdern zugleich“, zur selben Zeit dieselben Halluzinationen bekommen? Diese Fragen wären von Befürwortern einer solchen Theorie zu beantworten.
[23]1 Kor 15, 8-9.
[24]Für einen Juden war dieser nach 1 Kor 1, 23 ein „Ärgernis“.
[25]Vgl. dazu seine Selbstaussagen in Gal 1, 13f.
[26]Vgl. Apg 7, 54 – 8, 1.
[27]Vgl. Apg 9, 1.
[28]Siehe auch 1 Kor 9, 1.
[29]Vgl. Martin Hengel / Anna Maria Schwemer, Paulus zwischen Damaskus und Antiochien (WUNT 108), Tübingen 1998, 63-72.
[30]Vgl. Walter Brugger, Art. Aufklärung, in: Ders. (Hg), Philosophisches Wörterbuch, Freiburg 17. Auflage (1985), 32f.
[31]Walter Brugger, Art. Rationalismus, in: Ders. (Hg), a.a.O. 313-314, hier: 313.
[32]Vgl. Walter Brugger, a.a.O.,314.
[33]Eine grundlegende Darstellung bietet Marius Reiser, Kritische Geschichte der Jesusforschung (SBS 235), Stuttgart 2015, hier besonders 29-151. Nüchtern resümiert er: „Es sind … nicht die Ergebnisse der kritischen Forschung, die in dieser Frage ihren Gang bestimmt haben, sondern ihre philosophischen und theologischen Prämissen. Da sich diese bis heute nicht geändert haben, ist das auch die Erklärung dafür, daß die fixe Idee der nachösterlichen 'Vergöttlichung' Jesu bis heute unter Theologen virulent ist“ (74).
[34]1 Kor 15, 4. - Das hat Marius Reiser, a.a.O. 232, klar gesehen.
[35]Interessante Überlegungen bei Gerhard Lohfink, Jesus von Nazareth, Freiburg² 2012, 417-419.
[36]So Maria Magdalena (Joh 20, 14-16) oder die Emmausjünger (Lk 24, 15f.).
[37]Vgl. Lk 24, 39.
[38]Vgl. Joh 20, 24-27.
[39]Vgl. Joh 20, 16.
[40]Vgl. Lk 24, 30f.
[41]Vgl. Jacob Kremer, Die Auferstehung Jesu Christi, in: Handbuch der Fundamentaltheologie 2, hg. von Walter Kern, Hermann J. Pottmeyer, Max Seckler, Freiburg 1985, 175-196, hier 181-187.192-194.