Auch in diesem Jahr hat uns die Corona-Pandemie beschäftigt, selbst wenn manches durch die Impfungen entspannter geworden ist. Die Pandemie ist weiter eine Bedrohung geblieben. An manchen Zuschriften merke ich, dass die Nerven bei nicht wenigen Menschen blank liegen.
Ich lade Sie alle ein, die Weihnachtstage als eine Chance zu sehen, innerlich zur Ruhe zu kommen, und den Frieden, von dem wir in jedem Jahr im Weihnachtsevangelium hören, auch für das eigene Seelenleben zu erbitten und zu fördern. Frieden beginnt im Denken und setzt sich im täglichen Miteinander fort, er prägt das Reden mit- und übereinander. So ist besonders das Weihnachtsfest eine schöne Gelegenheit, für eine gute Gemeinschaft zu sorgen.
Natürlich ist für glaubende Menschen Weihnachten mehr als ein Fest friedlichen menschlichen Miteinanders: Christus, der Sohn Gottes, steigt aus seiner Herrlichkeit herab in unseren menschlichen Alltag; keine Freude, keine Sorge, kein Leid soll ihm fremd bleiben. Weihnachten will ja keine künstliche Idylle erzeugen, sondern uns einem Gott näherbringen, der selbst keine Nähe zu uns scheut. Und: Weihnachten ist nicht nur ein schönes Fest für Kinder. Der erwachsene Jesus wird uns in seine Nachfolge rufen. Wie er sollen wir Menschen des Friedens werden, sollen wir Menschen werden, die sich die Hände schmutzig machen im Dienst an den anderen. Jesus scheut sich nicht, uns auf den Kreuzweg zu rufen, den Weg der Hingabe an Gott und die anderen. Christus lebt ganz aus der Beziehung zum Vater. In diese Beziehung sind wir eingeladen.
„Gott hat keine Einzelkinder“ hat Papst Franziskus einmal in einer Predigt gesagt. Wie für alle großen Weltreligionen gilt: Das Christsein ist ohne die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft – zum Gottesvolk – nicht möglich. Als Kirche in Deutschland sind wir auf einem Weg, nach glaubwürdigen Formen des Christseins heute zu suchen. Ich danke allen, die sich vor Ort, in ihren Familien, im Beruf und im persönlichen Lebenszeugnis dieser Herausforderung stellen.
Das kirchliche Wort des Jahres 2021 ist für mich das von Papst Franziskus herausgestellte Prinzip der „Synodalität“. Er hat im Oktober mit uns einen „Synodalen Weg“ begonnen, der in die Bischofssynode 2023 münden wird. Der Papst stellt heraus, dass kirchliches Leben im Sinne Jesu nur synodal gestaltet werden kann. Synodal heißt: im Miteinander, im wirklichen Interesse am anderen, im Zuhören, in Respekt und Wertschätzung. Die Gläubigen sind nicht nur „Schafe“, oder anders gesagt: auch die Hirten der Kirche sind „Schafe“, die sich der Führung Christi anvertrauen müssen. Das ganze Gottesvolk muss nach gemeinsamen Wegen unter dem Wort Gottes suchen. Der Papst will ein neues Miteinander, ein geistliches Suchen und Ringen nach den rechten Wegen in die Zukunft von Kirche und Welt. Für diesen weltweiten Weg hat der Papst uns kein weiteres Thema vorgegeben. Wir sollen eine neue Kultur einüben. Das ist das Thema der Kirche für heute.
Die Kirche in Deutschland ist mitten in einem derartigen „synodalen Weg“, mit allen Chancen, aber auch den Problemen und Schwierigkeiten. Ob wir in unseren Treffen und Mühen immer schon das erfüllen, was der Papst sich unter Synodalität vorstellt, wage ich zu fragen. Vieles läuft überraschend gut, aber es gibt auch andere Erfahrungen. Denn auf den gemeinsamen Wegen geht es nicht ums Rechthaben, um das Erreichen eigener Ziele. Vielmehr kann es sein, dass sich die je eigenen Ziele im Zuhören oder im gemeinsamen Hören auf Gottes Wort verändern. Ein synodaler Weg ist nicht dann gelungen, wenn sich meine Ziele „eins zu eins“ umsetzen lassen. Da müssen wir – so glaube ich – noch viel lernen.
Das gilt auch für die synodalen Bemühungen auf dem Pastoralen Weg unseres Bistums. Viel gute Arbeit ist geleistet worden, und ich will nicht versäumen, für so viel Engagement zu danken. Ich spüre, dass dies nicht selbstverständlich ist. Einen Weihnachtswunsch habe ich: Möge es uns gelingen, ein synodales Bistum zu sein und es immer mehr zu werden. Das heißt, ein Bistum zu werden, das von einem Miteinander geprägt ist, einem Hören aufeinander und einem gemeinsamen Hören auf Gottes Wort; ein Bistum, dass aus der Zuwendung Gottes in den Sakramenten lebt. In jeder Eucharistiefeier wird die Menschwerdung in Christus neu lebendig. Konflikte werden und dürfen kommen. Doch immer sollte die kritische Frage leitend sein, ob es uns um das eigene Interesse geht oder um den Willen Gottes und das Wohl unserer Mitmenschen. Das wird in den kommenden Jahren in der Phase II des Pastoralen Weges immer wieder die entscheidende Testfrage sein.
Wir gehen in ein neues Jahr, viele unbeschriebene Seiten eines neuen Buches sind zu schreiben. Gott schreibt mit uns. Ich wünsche allen Hoffnung, Geduld und die Kraft des Friedens. Unter sich normalisierenden Bedingungen freue ich mich auf viele persönliche Begegnungen.
Alle unsere Wege möge der gütige Gott segnen: +Der Vater +und der Sohn +und der Heilige Geist!