ERBACH. Wenn an einem Samstagabend mitten in Erbach eine Bücherei ihre Gäste im Schein bunter Fackeln begrüßt, steckt das Team von St. Sophia dahinter. Das diesjährige Motto „Diwan" versprach nicht nur einen Gaumengenuss nach orientalischem Geschmack, sondern auch ein entsprechendes Tanzvergnügen und gute Unterhaltung auf dem Sofa.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Trotz „Salem Aleikum"-Begrüßung stellte Bibliotheksleiter Willi Weiers eingangs klar, dass das Programm "den Bogen vom west- zum östlichen Diwan spannen" werde - was auch die Begrüßungshäppchen und Potato-Chips (aus der 400 Gramm-Tonne) erklärte. Mit etwas Fantasie finde jeder mindestens ein halbes Dutzend Bezeichnungen für die bequeme Sitzgelegenheit, vom Kanapee über die Ottomane bis zum Chaiselongue, wie der „gebildete Odenwälder" dazu sagt.
Bis die Geschmacksnerven mit Koriander, Kardamom und glatter Petersilie in Berührung kommen durften, übten sich die in bunten Kafkas gehüllten Büchereimitarbeiterinnen der katholischen öffentlichen Bücherei St. Sophia zunächst als Fremdenführerinnen durch die Weihrauch-Schwaden.
Im Saal angekommen, entpuppte sich dieser als ein gastlich hergerichtetes Nomadenzelt, an dessen Wände der Gebetsteppich ebenso wenig fehlen durfte wie die Wasserpfeife auf den Tischen. Ob Vorspeise, Hauptgang oder Dessert: Die Gäste hatten eine reichhaltige Auswahl von je mindestens einem halben Dutzend Leckereien: Die Mezze reichte vom Hummus (Kichererbsen-Püree) bis zu mit Reis gefüllten Weinblättern. Biriyani und Raita (Hähnchengericht mit Joghurt) und Fisch-Spieße mit Tarator dominierten beim Hauptgericht, begleitet von allerlei mit Honigdressing gesüßten Salaten. Passend zum arabischen Mokka und vorgesüßten Teesorten fand das Schlemmen des kulinarisch¬literarischen Abends mit Baklava (Gebäck) und Atayef (arabische Pfannkuchen) zu vorgerückter Stunde seinen Abschluss.
Was den Gaumen erfreute, war für die Augen und Ohren ein nicht minderer Genuss. Ein Höhepunkt bildete zweifelsohne der Auftritt der beiden Tänzerinnen Gesa Heimann und Anna Frenzel, bekannt als „Duo Mirage". Wer es mit den schwingenden Hüften nicht so hatte, durfte sich als Gast bei Gabi Fischer (alias Willi Weiers) auf der blauen Couch versuchen. Die Ehre, auf dem einzigen Sofa im Raum Platz nehmen zu dürfen, kam außer dem Programmleiter sonst nur noch seiner Ehefrau Ursula zuteil. Aus dem orientalischen Diwan wurde flugs ein Sofa im deutschen Wohnzimmer. Was lag da näher, als beliebte Sketche von Loriot nachzuspielen wie den „Fernsehabend" oder „Feierabend"?
Für die literarischen Zwischeneinlagen hatte Willi Weiers dieses Mal zu Goethe und Karl May ins Bücherregal gegriffen und Zeitungen aus dem Orient einfliegen lassen. Mit der bekannten Liebe fürs Detail, die sich von der Kochkunst über die Dekoration bis zur Programmabfolge erstreckte, hatten die Veranstalter wieder einmal bewiesen, wie schön und abwechslungsreich ehrenamtliche Büchereiarbeit sein kann. Und sollte jemand bei dem mehrstündigen Ausflug in den östlichen Mittelmeerraum einen Schlangenbeschwörer vermisst haben, wird ihn zumindest der Blick auf die Eintrittskarte dafür entschädigen.