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Abschied von St. Laurentius – der Beginn eines neuen Weges

Der Turm der Kirche St. Laurentius
Datum:
6. Juni 2025
Von:
Dietmar Thiel

Die katholische Kirche St. Laurentius in Dreieich-Sprendlingen wurde verkauft. Damit geht ein bedeutendes Kapitel der Kirchengeschichte in unserer Region zu Ende – und ein neues beginnt. 

Die Kirche war fast 90 Jahre lang ein Ort des Gebets, der Feier und der Begegnung. Nun übernimmt die Bethanien Diakonissen-Stiftung aus Frankfurt das denkmalgeschützte Ensemble aus Kirche, Pfarrhaus und Gemeindehaus, um es sozialen Zwecken zuzuführen. Die Kirche bleibt erhalten und soll künftig als öffentlicher Begegnungsraum genutzt werden.

Ein Ort mit Geschichte – katholisches Leben in Sprendlingen

Im Jahr 1920 wurde der Pfarrei Langen ein Kapellkurat für Sprendlingen zugewiesen. Dadurch konnten regelmäßige katholische Gottesdienste sowie Religionsunterricht in der örtlichen Schule stattfinden. Am 1. Oktober 1925 wurde die Pfarrkuratie Sprendlingen als eigenständige kirchliche Einheit errichtet. Johannes Hofmann wurde erster Pfarrer. Neben Sprendlingen betreute er auch die Gemeinden in Buchschlag, Dreieichenhain und Neuhof.

Pfarrer Hofmann setzte sich mit großem persönlichen Einsatz für den Bau einer eigenen Kirche ein. Durch zahlreiche Bettelpredigten in der Diözese Mainz sammelte er die nötigen Mittel. Die Kirche entstand nach Plänen des Darmstädter Architekten Josef Leibl. Der Grundstein wurde am 16. Juli 1933 gelegt, an Weihnachten wurde im Rohbau bereits unter freiem Himmel die Christmette gefeiert. Die Fertigstellung erfolgte 1934, die Weihe durch Bischof Dr. Albert Stohr am 17. November 1935.

Zum Gedenken an Pfarrer J. Hofmann
Der Hl. Laurentius, das Kreuz und der Hl. Bruder Konrad.

Als Patron wurde der heilige Laurentius gewählt, dem bereits die vorreformatorische Kirche in Sprendlingen geweiht war. Der heilige Bruder Konrad kam als zweiter Patron hinzu. Der Laurentiustag am 10. August wurde zum Termin der Sprendlinger Kerb.

Kirchliches Wachstum und neue Strukturen

Nach dem Zweiten Weltkrieg veränderte sich die Bevölkerungsstruktur vieler Gemeinden. In Sprendlingen wuchs die Zahl katholischer Gläubiger durch den Zuzug sudetendeutscher Heimatvertriebener deutlich. Ab 1961 bot Pfarrer Herlert von St. Laurentius sonntags einen Gottesdienst im Mehrzweckraum der Goetheschule (heute Heinrich-Heine-Schule) an. Bald kam eine zweite Messe hinzu. Über fünfeinhalb Jahre wurden dort regelmäßig Gottesdienste gefeiert.

Am 1. Mai 1965 errichtete Bischof Dr. Hermann Volk die Pfarrkuratie St. Stephan. Erster Pfarrer wurde Claus Krafczyk. Der Kirchenneubau, wiederum geplant von Josef Leibl, orientierte sich am Zweiten Vatikanischen Konzil. In Zeltform gebaut, stellte er die Gemeinschaft der Gläubigen in den Mittelpunkt. Am 25. September 1965 wurde die Kirche St. Stephan durch Bischof Volk geweiht.

Am 1. Januar 2006 trat im Rahmen der Strukturreform des Bistums Mainz die Katholische Pfarrgruppe Dreieich-Sprendlingen in Kraft – bestehend aus St. Laurentius, St. Stephan und Heilig Geist Buchschlag. Zum 1. Januar 2012 wurden diese zur Pfarrei St. Laurentius Dreieich zusammengeführt. Der Festgottesdienst zur Gründung fand am 22. Januar 2012 unter Leitung von Generalvikar Prälat Dietmar Giebelmann statt.

Die Kirche St. Laurentius

Der Pastorale Weg und die Entscheidung zum Verkauf

2019 rief Bischof Peter Kohlgraf den Pastoralen Weg im Bistum Mainz aus – ein Prozess der geistlichen und strukturellen Erneuerung. Angesichts sinkender Mitgliederzahlen, knapper Mittel und weniger hauptamtlicher Seelsorgender galt es, neue Wege zu finden.

Im Dekanat Dreieich begannen 2020 intensive Beratungen. Am 23. September 2021 beschloss die Dekanatsversammlung in Gravenbruch die Bildung von zwei Pastoralräumen: Dreieich-Isenburg und Langen-Egelsbach. Mit der Auflösung der Dekanate zum 31. Juli 2022 wurde dieser Weg fortgesetzt.

Am 15. September 2022 konstituierte sich im Gemeindezentrum Dreieichenhain die Pastoralraumkonferenz Dreieich-Isenburg. Im Februar 2025 verabschiedete sie das ›4+G-Modell‹: Erhalten bleiben sollen die Kirchen St. Stephan (Sprendlingen), St. Marien (Götzenhain), St. Josef und Zum Heiligen Kreuz (beide Neu-Isenburg). Hinzu kommt ein Schwerpunktstandort Sozialpastoral in Gravenbruch. Alle übrigen kirchlichen Gebäude – darunter St. Laurentius – sollen für weltliche oder sozial caritative Nutzung freigegeben werden.

Altarraum von St. Laurentius
St. Laurentius von Innen

Verkauf an die Bethanien Diakonissen-Stiftung

Bereits im Herbst 2023 zeigte die Bethanien Diakonissen-Stiftung Interesse. Der Kaufvertrag wurde im Frühjahr 2025 unterzeichnet. Der Erlös bleibt im Katholischen Pastoralraum Dreieich-Isenburg und dient der Finanzierung der verbleibenden kirchlichen Infrastruktur.

Die Bethanien Diakonissen-Stiftung ist eine gemeinnützige evangelische Stiftung mit Sitz in Frankfurt am Main. Ziel ist es, diakonische Arbeit im Sinne christlicher Nächstenliebe weiterzuentwickeln. In Dreieich betreibt die Stiftung bereits die Kita „Die Kirchenmäuse“, die im August 2025 in das ehemalige Pfarrhaus St. Laurentius umzieht. Anstelle des sanierungsbedürftigen Gemeindehauses entsteht eine barrierefreie Seniorenresidenz. Die Kirche St. Laurentius soll künftig als Begegnungsraum für Kinder, Seniorinnen und Senioren sowie für kulturelle und geistliche Veranstaltungen genutzt werden.

Abschied mit Zuversicht

Noch bis Anfang Juli 2025 finden weiterhin Eucharistiefeiern in der Kirche St. Laurentius statt. Danach wird die Kirche profaniert – in einem liturgischen Gottesdienst, der das Gebäude seiner sakralen Bestimmung entbindet. Der Abschied in diesem Gottesdienst bietet Raum für Dank, Erinnerung und einen geistlichen Neubeginn. Für viele Menschen ist St. Laurentius weit mehr als nur ein Gebäude – sie verbinden mit ihr persönliche Lebensgeschichten, festliche Anlässe, Gebete, Trauer und Hoffnung. Im Rahmen dieses besonderen Gottesdienstes wird diese Verbundenheit noch einmal greifbar: durch das gemeinsame Erinnern, das bewusste Zurückschauen und das vertrauensvolle Vorwärtsschauen. Es ist ein Moment, der tröstet und bestärkt – getragen von der Gemeinschaft und im Vertrauen auf Gottes Nähe.

Pfarrer Martin Berker, leitender Pfarrer im Katholischen Pastoralraum Dreieich-Isenburg, betont: „Es ist eben nicht nur das Defizit an finanziellen Ressourcen und kleiner werdenden Gemeinden, die diesen Schritt notwendig machten. Es gibt auch immer weniger Priester, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferenten und Menschen, die sich ehrenamtlich in der Kirche engagieren. Das ist ein gesellschaftliches Problem, von dem auch die Kirche nicht unberührt bleibt.“

Gemeindereferentin Susanne Mohr, Koordinatorin im Katholischen Pastoralraum Dreieich-Isenburg, ergänzt: „Bei allem Abschiedsschmerz haben die Pfarreien in Sprendlingen und Buchschlag bei diesen Entwicklungen einen entscheidenden Vorteil: Wir haben 2012 den Fusionsprozess der drei Pfarreien schon miterlebt und sind seither zusammengewachsen.“

Pfarrer Martin Eltermann, Pfarrer der Pfarrei St. Laurentius Dreieich, erklärt: „Unsere Gemeinde ist geistig flexibel. Sie weiß, dass der Verkauf der Kirche nicht das Ende der Welt ist und dass es weitergeht. Unsere Botschaft ist nicht, Gebäude zu besitzen, sondern der christliche Glaube.“

St. Laurentius hat das katholische Leben in Sprendlingen über Jahrzehnte geprägt. Die Geschichte zeigt: Veränderung gehörte schon immer zum Weg der Kirche – von der Errichtung der Pfarrkuratie 1925 über den Bau der Kirche 1935, die Gründung neuer Pfarreien bis hin zu Strukturreformen und Zusammenführungen. Ein weiterer Schritt auf diesem Weg steht bevor: Am 1. Januar 2027 wird der Katholische Pastoralraum Dreieich-Isenburg als neue Pfarrei Hl. Edith Stein Dreieich-Isenburg errichtet. Die verbleibenden Kirchen behalten ihre Namen und Patronate. Sie werden zu sogenannten Kirchorten, die künftig organisatorisch und pastoral gemeinsam im Rahmen der neuen Pfarrei geführt werden.

Was bleibt – und was uns weiterträgt

St. Laurentius war über Jahrzehnte hinweg ein Ort des Glaubens, der Gemeinschaft und des Lebens. Mit der Profanierung endet zwar die sakrale Nutzung des Kirchengebäudes, doch das geistliche Leben der Gemeinde geht weiter. Der Abschied ist ein bedeutsamer Moment – getragen von Dankbarkeit, Erinnerung und dem Vertrauen, dass Neues wachsen kann.

„Ich wünsche uns allen, dass wir in dieser Zeit des Wandels bei allen Strukturdiskussionen und Reformbemühungen den Blick auf das Wesentliche nicht verlieren: auf Jesus Christus. Mit den Emmausjüngern war er unterwegs – unerkannt, aber gegenwärtig, hörend und deutend. Seien wir gewiss, dass er auch mit uns unterwegs ist. Seine Zusage aus dem Matthäusevangelium gilt uns heute: -Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.- (Mt 28, 20 b)“

Pfarrer Martin Berker
Leitender Pfarrer im Katholischen Pastoralraum Dreieich-Isenburg

St Laurentius

KATH. PFARREI ST. LAURENTIUS DREIEICH-Pfarrbrief 6 / 2 0 2 5

Liebe Gemeinde,

die Kirche wird kleiner werden. Der Anteil an getauften Christen in Deutschland nimmt kontinuierlich ab. Der statistischen Erhebung der Deutschen Bischofskonferenz zufolge hat die katholische Kirche in Deutschland im vergangenen Jahr 321.611 Mitglieder verloren. Vor dieser Entwicklung können wir unsere Augen nicht verschließen. Das hat natürlich auch Konsequenzen für die finanzielle Situation der Kirche und damit auch für unsere Kirchengebäude und Gemeinde-zentren. So wurde die Veräußerung unserer Kirche St. Laurentius im Pastoralraum beschlossen.

Am Dienstag, 20. Mai 2025 haben wir in Abstimmung mit dem Bistum, der Pastoralraumkonferenz und den Räten die Kirche St. Laurentius an die Bethanien Diakonissen-Stiftung verkauft. Die Bethanien Diakonissen-Stiftung suchte schon längere Zeit nach einem neuen Ort für ihre Kita „Die Kirchenmäuse“. Das Gelände bietet darüber hinaus die Möglichkeit für neue Gebäude mit barriere-freien Wohnungen für ältere Menschen. Junge und alte Menschen können sich hier begegnen. Die Bethanien Diakonissen-Stiftung betont in ihrer Pressemitteilung, dass das denkmalgeschützte Ensemble erhalten und gepflegt werden wird. Für uns als Kirche in Dreieich ist dieser Vertragspartner ein Glücksfall.

Ab den Sommerferien (7. Juli 2025) werden wir keine Gottesdienste mehr in St. Laurentius feiern. Der Termin für die Profanierung des Gotteshauses wird noch bekannt gegeben.

Wir haben keinen Grund zu Resignation oder zum Verzweifeln. Wir müssen alle vielmehr Phantasie entwickeln, damit das Evangelium eine öffentliche Kraft bleibt. Gerade einer sehr kleinen Gemeinde, die eigentlich nur aus den Jüngern bestand, hat Jesus gesagt, dass sie Sauerteig und Salz der Erde sein müsse. Der Heilige Geist helfe uns bei all unserem Tun.

So wünsche ich Ihnen Gottes Segen

Pfarrer Martin Eltermann

Trauer, Dankbarkeit und Zuversicht - Der Abschied von der Kirche St. Laurentius

Liebe Gemeinde!

 

Am 20. Mai 2025 haben Pfarrer Martin Eltermann und Herr Wolfgang Kaiser als

Vertreter des Kirchenverwaltungsrates die Verkaufsurkunde der Liegenschaft

St. Laurentius unterzeichnet. Dies geschah in Abstimmung mit dem Bistum, den

Räten der Pfarrei und der Pastoralraumkonferenz. Käufer ist die Bethanien-

Diakonissenstiftung mit Sitz in Frankfurt a.M., deren christlich-soziales Engagement

uns den Schritt erleichterte.

 

Es ist die erste große Kirche, die im Bistum Mainz im Rahmen des Pastoralen

Weges verkauft wird. Vorausgegangen war eine längere Zeit der Entscheidungs-

findung, über die wir in unserer Pfarrei immer wieder berichtet und informiert haben.

 

Gebaut wurde die Kirche vor 90 Jahren, in den Jahren 1933/34, am Anfang des

„Dritten Reiches“, mitten in einer Zeit der Anfeindungen des Regimes gegen die

Katholische Kirche. Der erste Pfarrer, Heinrich Hofmann, sah sich vielfältigen

Anfeindungen und Schikanen der Nationalsozialisten ausgesetzt.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde St. Laurentius zur Heimat   vieler Heimatvertriebener,

die das Gemeindeleben bereichert und mitgetragen haben. Eine wichtige Stütze des

Kirchortes St. Laurentius war die Kolpingsfamilie, die hier ihren Sitz hatte und sich

vielfältig einbrachte.

 

Wir sind dankbar für ein lebendiges Gemeindeleben und erinnern uns gerne an

die Menschen, die St. Laurentius geprägt und bereichert haben.

 

Dass wir St. Laurentius nun aufgeben müssen, ist Folge der allgemeinen Kirchen-

entwicklung mit immer weniger werdenden Kirchenmitgliedern, Gläubigen, sich

engagierenden Ehrenamt-lichen und finanziellen Mitteln. Wir können nicht mehr alle

Kirchen unterhalten.

 

Wir freuen uns, dass in der Kirche, dem Pfarrhaus und dem Gelände von St. Laurentius

ein neuer Ort für die Kita „Die Kirchenmäuse“ sowie barrierefreie Wohnungen für ältere

Menschen entstehen. Es wird ein Ort der Begegnung für junge und ältere Menschen

werden.

 

Wichtig ist uns auch, dass das denkmalgeschützte Ensemble erhalten und gepflegt

werden wird. So bleibt die Kirche auch nach ihrer Profanierung ein Orientierungspunkt

im Stadtbild und ein Wahrzeichen für die freie Ausübung des Glaubens.

 

Aber wir sind uns durchaus bewusst, dass der Verlust der ältesten katholischen Kirche

in Dreieich für viele Gemeindemitglieder schmerzlich und traurig ist. Dennoch haben

wir keinen Grund zur Resignation. Als Kirche, die immer auf dem Weg ist, richten wir

unseren Blick auf die Zukunft und wissen uns von Gott getragen.

 

Mit der Neugründung der Pfarrei „Heilige Edith Stein“ 2027 verbinden wir uns mit

unseren katholischen Nachbargemeinden in Dreieich und Neu-Isenburg. In den

verbleibenden Kirchen St. Josef, Zum Heiligen Kreuz, St. Stephan und St. Marien

werden wir weiterhin Eucharistie feiern und unseren Glauben bezeugen.

 

Mit herzlichen Grüßen

Pfarrer Martin Elternmann, Isabel Schilling und Ingrid Lutz

 

Gebet von Edith Stein:

Ohne Vorbehalt und ohne Sorgen

leg ich meinen Tag in deine Hand.

Sei mein Heute, sei mein gläubig Morgen,

sei mein Gestern, das ich überwand.

Frag mich nicht nach meinen Sehnsuchtswegen,

bin aus deinem Mosaik ein Stein,

wirst mich an die rechte Stelle legen -

deinen Händen bette ich mich ein.