„Wenn einer eine Reise tut…“:Der Hahnenschrei im Mai 2024
Den Beginn der Hauptsaison wollen wir im Rahmen unserer Umweltchallenge zum Anlass nehmen, das Thema „Reisen“ in den Blick zu nehmen und uns mit der Frage auseinandersetzen
„Wie kann ich umweltverträglich Urlaub machen?“
Was ist eigentlich das Problem?
1. An- und Abreise: Das größte Problem beim Reisen ist der Weg zum Urlaubsort hin und zurück. Fliegen ist die klimaschädlichste Fortbewegungsart. Ein Flugzeug stößt für jeden zurückgelegten Kilometer durchschnittlich 238 Gramm Treibhausgas pro Person aus und damit deutlich mehr als ein Auto (166 Gramm) und mehr als fünfmal so viel wie die Bahn im Fernverkehr (31 Gramm).
2. Unterkunft: Auch die Wahl der Unterkunft hat einen Einfluss auf das Klima. Ein Hotelbunker mit beheiztem Pool und Klimaanlagen in allen Zimmern ist deutlich umweltschädlicher als Campingurlaub oder der Aufenthalt in einer kleinen Finca. Oft geht mit der Übernachtung in Hotels auch ein enormer Wäsche- und damit Wasser-, Waschmittel- und Energieverbrauch einher.
3. Verpflegung: Frankfurter Würstchen in Thailand, amerikanische Cola auf einer Südseeinsel, spanischer Wein in Südafrika – importierte Lebensmittel verursachen einen hohen CO2-Ausstoß und einen Berg Verpackungsmüll.
4. Umweltsünden: Insbesondere Winterurlaub und Kreuzfahrten sind aus Umweltsicht problematisch. Der Bau von großen Hotels und Seilbahnanlagen, präparierte Pisten und der Einsatz klimaschädlicher Schneekanonen, die verantwortlich für massive Eingriffe in den empfindlichen Naturhaushalt sind – konventioneller Winterurlaub ist nicht gerade nachhaltig. Bei Kreuzfahrten sind die Schadstoffemissionen, der Ressourcenverbrauch und der Anfall von Müll extrem hoch. Die Schiffe laufen mit Schweröl, bei dessen Verbrennung Schwefel, Stickoxide, CO2 und Feinstaub entstehen. Um Strom zu erzeugen, laufen die Maschinen auch dann weiter, wenn die Schiffe im Hafen liegen. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Wasser für das Schrubben der Decks, das Befüllen der Pools und das Waschen der Handtücher und Textilien ist dreimal so hoch wie an Land. Lebensmittelreste landen oft im Meer, der restliche Müll wird an Bord verbrannt oder an Land abgegeben. Aber der Traumurlaub geht nicht nur zu Lasten von Umwelt und Klima, sondern auch der Arbeiter vor Ort, deren Löhne bei extremem Pensum niedrig sind.
Was können wir tun? Ein paar Tipps zum nachhaltigen Reisen:
1. An-/Abreise: Wer das Klima schützen will, fliegt möglichst selten und hält die Strecken zum Ziel kurz. Eine Daumenregel ist, bis 800 km Entfernung gar nicht zu fliegen. Die Wartezeiten am Flughafen sind oft länger, als wenn man gleich mit dem Auto oder der Bahn fährt. Ökologischer als die Reise mit dem eigenen Auto sind öffentliche Verkehrsmittel wie Bus oder Zug. Geht die Reise nach Übersee, ist ein Flug unvermeidlich. Bei Fernreisen empfiehlt es sich, nach Möglichkeit Direktflüge anstatt Routen mit Zwischenstopps und Umwegen zu buchen. Zu Hause vor der Abfahrt Stecker ziehen und Heizung runterdrehen, um Energie zu sparen.
2. Unterkunft: Bei der Wahl von Veranstalter und Unterkunft helfen Umweltzertifikate und Siegel wie z.B. Travelife, TourCert, GreenSign, Viabono, Bio-Hotels, Europäisches Umweltzeichen und Ecocamping. Sie kennzeichnen Angebote mit verbindlichen Umwelt- und Sozialstandards. Bei konventionellen Hotels können wir durch den Verzicht auf die Klimaanlage oder den täglichen Austausch der Handtücher einen Beitrag zu mehr Umweltschutz leisten.
3. Verpflegung: Was grundsätzlich gilt, gilt auch im Urlaub: beim Kauf von Lebensmitteln zu lokalen, saisonalen und frischen Produkte greifen und den Fleischkonsum verringern.
4. Fortbewegung vor Ort: Wer auf Inlandsflüge im Reiseland verzichtet und sich zur Fortbewegung für Bus oder Bahn entscheidet, schont das Klima zusätzlich.
5. Unternehmungen: Vor Ort können wir durch motorfreie Aktivitäten wie Wander-, Kanu- oder Radtouren einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Wichtig ist, den Biotop- und Artenschutz zu achten. Folgende Verhaltensregeln sind zu beachten: Wildtiere nicht füttern und Pflanzen nicht beschädigen, keine Abfälle in der Natur hinterlassen und nichts mitnehmen als Eindrücke. Einrichtungen, in denen Wildtiere in Gefangenschaft gehalten werden meiden. Lokale Artenschutzprojekte und Naturschutzgebiete unterstützen. Einen „2 Minute Beach Clean“ einlegen und Müll am Strand (oder in der Natur) einsammeln und entsorgen.
6. Menschen vor Ort: Nachhaltig zu reisen heißt auch, die Menschen im Zielland zu unterstützen, so dass sie vom Tourismus profitieren. Dazu gehört, über lokale Anbieter zu buchen, lokal einzukaufen, kleinere Restaurants zu besuchen, einheimische Guides oder Taxifahrer zu buchen.
7. Souvenirs: Auf Reiseandenken verzichten, die illegal aus geschützten Tierarten hergestellt werden (Schmuck aus Korallen, Schnitzereien aus Elfenbein, Taschen aus Reptilienleder). Auch Kulturgüter wie z.B. archäologische Artefakte (Tonscherben) oder Sand dürfen oft nicht ausgeführt werden.
8. Nachhaltige Alternativen: Wer auf Winterurlaub oder Kreuzfahrten nicht verzichten möchte, kann mittlerweile auch nachhaltigere Alternativen finden. So lässt sich der Winterurlaub durch den Verzicht aufs Auto bei der Anreise, die Wahl nachhaltiger Skigebiete und -hotels, das Ausleihen des Equipments vor Ort und das Einhalten der Verhaltensregeln (Pisten nicht verlassen, keinen Müll in der Natur hinterlassen usw.) nachhaltiger gestalten. Auch die Reedereien beginnen mit der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen (z.B. Verzicht auf Schweröle und Investition in Hybridmotoren).
Wo soll’s nachhaltig hingehen? Ein paar Reisetipps
Tipp 1: Die Reise ans Mittelmeer oder der Städtetrip nach London – dafür muss man nicht in den Flieger steigen. Von Frankfurt am Main ist Marseille mit dem TGV ohne Umstieg in 8 Stunden erreichbar, London mit einem Umstieg in Brüssel innerhalb von weniger als 7 Stunden.
Tipp 2: Einfach zu Hause aufs Rad setzen und losfahren – auch in Kombination mit dem Zug ein Paradebeispiel für sanften Tourismus. Wer radelt, ist in der Natur und lernt bei gemächlichem Reisetempo die Urlaubsregion gut kennen. Wie wäre es z.B. mit einer Radtour entlang des Rheins? Richtung Norden erreicht man von Mainz aus innerhalb kürzester Zeit das Obere Mittelrheintal, das mit seinen vielen Burgen und Schlössern zum UNESCO-Welterbe gehört und auch abseits des Radwegs Einiges an Sehenswürdigkeiten zu bieten hat.
Tipp 3: Urlaub „vor der Haustür“ machen: Im Atlas mit dem Zirkel einen Kreis von 800 Kilometern um den eigenen Wohnort ziehen und schauen, was erreichbar ist. Darin sind garantiert Regionen zu finden, die Wünsche nach Stränden, Wäldern, Bergen und Sehenswürdigkeiten erfüllen. Und für den Kurzurlaub an Pfingsten? Baden in der Mosel, Burgbesichtigung, Seilbahnfahrt, Besuch eines Freizeitparks und leckeres Essen im traditionellen Weingut vor Ort – all dies nur anderthalb Stunden von Mainz entfernt auf dem Campingplatz in Hatzenport zu finden und mit Bus, Bahn und zu Fuß zu erreichen.
Zum Schluss: Ein Buchtipp
In ihrem Reisebildband In Deutschland um die Welt – Abenteuer aus allen Kontinenten, für die wir nicht in die Ferne reisen müssen (2021) hat Franziska Consolati zusammengetragen, wo Deutschland aussieht wie die weite Welt: ein Gefühl von Amazonas im Spreewald, ein Hauch von Kanada auf der oberen Isar, 1001 Nacht in Köln. Für alle die auf Weltreise gehen möchten, ohne in den Flieger zu steigen.
© Die Idee für das „grüne Jahr“ stammt von Jennie Sieglar, ehemalige Moderatorin der logo!-Kindernachrichten. Sie hat ihre Erfahrungen in dem Buch Umweltliebe: Wie wir mit wenig Aufwand viel für unseren Planeten tun können (Piper, 2019) niedergeschrieben.
Weitere Quellen:
Umweltbundesamt, Vergleich der durchschnittlichen Treibhausgas-Emissionen einzelner Verkehrsmittel im Personenverkehr – Bezugsjahr 2022, TREMOD 6.51
Eigner, Christian: Grüner leben nebenbei: Was jeder für Klima und Umwelt tun kann. Berlin: Stiftung Warentest, 2021