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„Carne vale!“ oder die Ernährungs-Challenge:Der Hahnenschrei zur Fastenzeit

Planetengesunde Ernährung
Der Februar ist die Zeit des Feierns und des Fastens. Das tolle Treiben der Fastnacht läutet traditionell die 40tägige christliche Fastenzeit vor Ostern ein. Was damals lediglich die Nacht vor der Fastenzeit war, ist heute Karneval. Der Begriff Karneval stammt aus dem lateinischen „Carne vale!“ und bedeutet so viel wie „Fleisch leb wohl!“ – ein Hinweis auf den Fleischverzicht während der Fastenzeit. Wie im Chris-tentum gibt es auch im Judentum und im Islam Fastenzeiten oder Fastentage. Aber: Warum fasten wir eigentlich?
Datum:
Mi. 7. Feb. 2024
Von:
Verena Stenger

Fasten verleiht Flügel, so beschreibt es Johannes von Antiochia, christlicher Prediger und Erzbischof von Konstantinopel aus dem 4. Jahrhundert: „Das Fasten ist die Speise der Seele. Wie die körperliche Speise stärkt, so macht das Fasten die Seele kräftiger und verschafft ihr bewegliche Flügel, hebt sie empor und lässt sie über himmlische Dinge nachdenken.“

Fasten heißt fragen: Woraus lebe ich? Wofür setze ich mich ein?

Fasten heißt: den Blick schärfen für das, was wirklich zählt.

Und so nehmen wir zur Fastenzeit 2024 im Rahmen unserer Umweltchallenge das Thema Ernährung in den Blick und fragen

„Wie können wir unserer Ernährung wieder mehr Wertschätzung entgegenbringen und dabei die Umwelt schützen?“

Was ist eigentlich das Problem?

Neuseeländische Erdbeeren im Winter, Pizza aus der Tiefkühltruhe, jeden Tag billiges Fleisch statt einmal in der Woche den Sonntagsbraten, mehr als zehn Millionen Tonnen von Lebensmitteln, die jährlich allein in Deutschland im Müll landen – unsere Ernährung belastet Umwelt und Klima. Dies beginnt bei Anbau und Herstellung, setzt sich fort bei der Verpackung, der Lagerung und dem Transport und endet bei der Weiterverarbeitung im Haushalt.

  1. Monokulturen und Massentierhaltung

Ziel der konventionellen Landwirtschaft ist es, möglichst viele Nahrungsmittel zu möglichst geringen Preisen zu produzieren. Der Pflanzenanbau erfolgt daher meist in Monokulturen, was aber zu hohem Schädlingsbefall und abnehmender Bodenfruchtbarkeit führt. Der Einsatz von Pestiziden zur Schädlings- und Unkrautbekämpfung und die Überdüngung der Böden mit Stickstoff gefährden die Artenvielfalt, vermindern die Boden- und Wasserqualität und schaden am Ende der Gesundheit des Menschen.

 

Auch die Massentierhaltung schädigt die Umwelt in hohem Maße durch Treibhausgasemissionen und die Nitratbelastung von Wasser und Böden. Für importierte Futtermittel wird immer noch Regenwald abgeholzt. Auch aus ethischen Gesichtspunkten ist die Massentierhaltung problematisch: Tiere werden in großer Zahl auf engstem Raum in Ställen gehalten, mit angereicherten Futtermitteln innerhalb kürzester Zeit gemästet und vorbeugend oder zur Beschleunigung der Gewichtszunahme mit Medikamenten behandelt.

Eine weitere Form der Massentierhaltung sind die sogenannten Aquakulturen, Fischfarmen, die viel Fläche in den Küstenregionen tropischer und subtropischer Länder vereinnahmen, wodurch wertvolle Lebensräume wie Mangrovenwälder verloren gehen. Außerdem verursachen Aquakulturen in der Regel große Umweltschäden, wenn Chemikalien, Nahrungsreste, Fischkot und Antibiotika aus den offenen Netzkäfigen in die Flüsse und Meere gelangen.

  1. Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln

Ob Tiefkühlpizza, Backmischungen oder Dosenravioli – wer es eilig hat, greift schon mal zu industriell verarbeiteten Lebensmitteln. Doch ihre Produktion geht mit einem hohen Energie- und Wasserverbrauch einher. Hinzu kommt, dass meist in stark verarbeiteten Lebensmitteln wie Schokocreme, Keksen, Fertigsuppen oder Margarine Palmöl eingesetzt wird. Laut Bundeszentrum für Ernährung steckt Palmöl in fast jedem zweiten Supermarktprodukt. Die Kritik an Palmöl ist wegen der Rodung von Regenwäldern für die Plantagen, hoher Treibhausgasemissionen, der Bedrohung und Vertreibung von Tierarten und der Missachtung von Landnutzungsrechten groß. Im Vergleich mit anderen Lebensmitteln sind die negativen Folgen für die Umwelt bei der Produktion von Fleisch und tierischen Produkten mit am größten.

  1. Lange Transportwege

Produkte, die nicht aus der Region stammen und mit Lastwagen, Containerschiff oder Flugzeug zu uns gebracht werden, tragen durch den Co2-Ausstoß ebenfalls in hohem Maße zur Belastung von Umwelt und Klima bei.

  1. Zucht im Gewächshaus und Lagerung im Kühlhaus

Die Zucht von Obst und Gemüse im beheizten Gewächshaus und die Lagerung in Kühlhäusern kostet viel Energie, die als Treibhausgas unsere Atmosphäre belastet. Alles in allem kann der Anbau von nichtsaisonalem Obst und Gemüse in anderen Ländern und der Transport nach Deutschland das Klima sogar weitaus weniger belasten, als die die Zucht im beheizten Gewächshaus bei uns.

 

  1. Lebensmittelverschwendung

Nach einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes (2022) entsteht der Großteil der Lebensmittelabfälle in privaten Haushalten. Etwa 78 Kilogramm Lebensmittel werden in Deutschland pro Person im Jahr weggeworfen. Durch die Verschwendung gehen nicht nur die Lebensmittel selbst verloren, sondern auch die zur Herstellung verwendeten Ressourcen.

Was können wir tun? Ein paar Tipps für einen wertschätzenden und nachhaltigen Umgang mit Ernährung

  1. Bewusst einkaufen

Einkäufe besser planen und nur das kaufen, was wirklich verwendet wird. Dadurch fällt der Aufpreis z.B. für Bio-Produkte nicht ganz so ins Gewicht. Und außerdem können wir so vorbeugen, dass Lebensmittel weggeworfen werden, weil sie schlecht geworden sind.

  1. Biolebensmittel kaufen

Bei der ökologischen Landwirtschaft erfolgt der Pflanzenanbau in Mischkulturen, es werden biologischer Pflanzenschutz und organische Dünger verwendet, Unkraut wird natürlich bekämpft. Die Tierhaltung erfolgt tierwohl- und artgerecht. Auf diese weisen werden Böden und Wasser geschont und die Artenvielfalt gefördert. Beim Kauf auf Bio-Siegel achten. Für die Bioprodukte der Anbauverbände (wie Bioland, Naturland oder Demeter) gelten höhere Öko-Standards als für das rechteckige staatliche bzw. EU-Bio-Siegel. Auch für die Fischzucht gibt es mittlerweile Umwelt- oder Bio-Siegel wie das Aquaculture Stewardship Council (ASC), Naturland oder Bioland. Aber Achtung: Bio-Siegel bedeuten nicht automatisch eine Top-Ökobilanz. Deshalb am besten auch immer auf regionale Herkunft und saisonalen Kauf achten.

  1. Saisonale und regionale Produkte bevorzugen

Frisches Bio-Obst und -Gemüse © Lisa Dennebaum

Erdbeeren im Sommer vom Feld aus der Region schmecken so viel besser als die eingeflogenen Erdbeeren in den Supermarktregalen im Winter. Bei Produkten, die nicht in Deutschland hergestellt werden (wie z.B. Bananen, Kaffee), auf sozialökologische Standards achten, d.h. am besten bio und fair gehandelte Produkte kaufen.

  1. Mit frischen Lebensmitteln kochen

Auf stark verarbeitete Lebensmittel und Fertigprodukte verzichten und lieber mit frischen Lebensmitteln kochen. So lässt sich auch am ehesten Palmöl vermeiden.

  1. Weniger Fleisch und tierische Produkte essen

Unter dem Motto „Rückkehr zum Sonntagsbraten“ Fleisch seltener und bewusster genießen. In Kantine, Mensa und Restaurant bewusst vegetarische Gerichte wählen und zu Hause mit weniger Fleisch kochen.

  1. Reste verwerten

Eine Nudelpfanne zum Abendessen, ein Apfelkuchen aus weich gewordenen Äpfeln, Bananenmilch als Snack zwischendurch – aus Lebensmittelresten lassen sich leckere Gerichte zaubern.

Interessiert Sie die Bohne?

Die Sehnsucht nach einer gerechten Welt ohne Hunger und das Anliegen, unserer Ernährung wieder mehr Wertschätzung entgegenzubringen, steht auch im Zentrum der diesjährigen Misereor-Fastenaktion. Unter dem Leitwort „Interessiert mich die Bohne“ sind wir aufgefordert, uns für eine nachhaltige Landwirtschaft und eine gesunde Ernährung stark zu machen, auch dort, wo die Kaffeebohne herkommt.

© Die Idee für das „grüne Jahr“ stammt von Jennie Sieglar, ehemalige Moderatorin der logo!-Kindernachrichten. Sie hat ihre Erfahrungen in dem Buch Umweltliebe: Wie wir mit wenig Aufwand viel für unseren Planeten tun können (Piper, 20 19) niedergeschrieben.

Weitere Quellen:

Braucks, Hannah (Misereor): Fasten ist „in“ (https://fastenaktion.misereor.de/fileadmin/user_upload_fastenaktion/08-thema/grundlagen-fasten-ist-in-fastenaktion-2024.pdf)

Bundeszentrum für Ernährung: Palmöl (bzfe.de/nachhaltiger-konsum/grundlagen/palmoel/)

Statistisches Bundesamt: Lebensmittelabfälle in Deutschland (2022) (https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/Abfallwirtschaft/Tabellen/lebensmittelabfaelle.html)

Umweltbundesamt (2015): Ernährung der Deutschen belastet das Klima (https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/ernaehrung-der-deutschen-belastet-das-klima).

WWF (2018): Ist Aquakultur die Lösung? (https://www.wwf.de/themen-projekte/meere-kuesten/fischerei/nachhaltige-fischerei/aquakulturen/)