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Schöpfungsmonat; Gespräch mit dem Förster:„Ober-Olmer Wald: Haben die Bäume Grund zum Jubeln?“

Jan Hoffmann
„Jubeln sollen alle Bäume des Waldes“ – über das Motto des Schöpfungsmonats September hat Ruth Lehnen mit Förster Jan Hoffmann gesprochen. Der 44-Jährige ist Leiter des Wald-Naturschutzzentrums und Reviers Ober-Olmer Wald. Er sagt, was er sich von der christlichen Gemeinde für den Wald erwartet.
Datum:
Mi. 11. Sept. 2024
Von:
Ruth Lehnen

Herr Hoffmann, haben die Bäume des Ober-Olmer Waldes Grund zum Jubeln?

Einerseits ja, weil der Ober-Olmer Wald ein sehr artenreicher und naturnaher Wald ist. Hier wächst viel mehr Holz nach, als entnommen wird. Andererseits leidet auch dieser Wald an den negativen Folgen unseres überbordenden Konsums. Müll, Stickstoffeinträge, Dürren, neuartige Schadorganismen oder eingeschleppte invasive Arten machen ihm zunehmend zu schaffen. Nach aller Voraussicht wird der Wald zum Ende dieses Jahrhunderts in Struktur und Artenzusammensetzung völlig anders aussehen.

Was bedeuten für Sie Wald und Baum?

Für mich ist der Wald aktuell praktisch alles: Arbeitsstätte, Erholungsraum, Sehnsuchtsort, Forschungsraum und Sozialtreff. Ich bin absolut fasziniert von der Vielfalt und dem Facettenreichtum dieses Ökosystems und fühle mich ihm zugehörig. Selbiges gilt für Bäume. Besonders ältere und besondere Exemplare (knorrig, mächtig, verwachsen, mit Astabbrüchen oder Baumhöhlen) haben es mir angetan. Gleichzeitig scheue ich mich nicht davor, Bäume zu nutzen, um den Lebensraum in seiner Ausformung erhalten zu können oder um Holz zu gewinnen. Außerdem bin ich beeindruckt davon,  wieviel der Wald für uns leisten kann, ist er doch Klimaschützer, Sauerstoffproduzent und auch Holzlieferant – nicht zu vergessen ist seine Bedeutung für die Biodiversität.

Was wünschen Sie sich in Sachen Waldschutz/ Engagement für den Wald von den Bewohnern des Lerchenbergs und Drais?

Ich würde mir wünschen, dass die Bewohnerinnen und Bewohner von Drais und Lerchenberg mehr in Kontakt mit dem Wald kommen. Nur wenn wir es schaffen, mehr Interesse und Empathie für den Lebensraum vor der Haustüre zu wecken, werden sich die Menschen für dessen Wohl einsetzen. Hier ist es wichtig zu begreifen, dass der Schutz des Waldes von vielen unserer täglichen Entscheidungen abhängt. Es hilft nicht viel, wenn wir im Ober-Olmer Wald ein neues Bäumchen pflanzen, wenn wir gleichzeitig unsere Möbel in einem der großen Möbelhäuser kaufen, deren Holzquellen oft zweifelhafter Natur sind. Es bedarf einer grundsätzlichen Überprüfung unseres Ressourcenverbrauchs, nicht nur - aber auch in Drais und auf dem Lerchenberg. Wald ist politisch!

Wie stört die Afrikanische Schweinepest das Verhältnis zum Wald, muss man vor dem Wald Angst haben?

Die afrikanische Schweinepest ist ein weiteres Beispiel dafür, wie wir Menschen das Gleichgewicht der Natur stören. Vermutlich ist sie ausgebrochen, weil der Mensch dem Ökosystem zu nahe gerückt ist, durch die Unachtsamkeit und Ignoranz von Menschen, die etwa am Wald Wurstbrote weggeworfen haben.  Wenn diese dann von den Tieren aufgenommen werden, hat das Virus, das für den Menschen völlig ungefährlich ist, für die Tiere tragische Folgen. Daher stelle ich die Rückfrage: Ist unser Verhältnis zum Wald nicht schon längst ein gestörtes Verhältnis? Vor dem Wald brauchen wir sicherlich keine Angst haben, eher vor dem Ungleichgewicht, das wir in der Natur zu verantworten haben. Schweinepest oder auch Corona-Pandemie waren vermutlich nicht die letzten Ausbrüche dieser Art, mit denen wir in den nächsten Jahren werden leben müssen.

Ist die Kirche im Sinn der Schöpfungsverantwortung für Sie ein möglicher Partner beim Engagement für den Wald?

Ich denke doch, dass die Kirche einen Beitrag zum Walderhalt leisten kann und muss. Sie haben die Möglichkeit, Menschen direkt anzusprechen und ein Bewusstsein für die oben genannten Probleme zu schaffen. Es liegt in der Verantwortung der Kirche, die Menschen dort abzuholen, wo es vonnöten ist, und die Gemeindemitglieder nicht mit „abgehobener religiöser Kultur, die mit den Gegebenheiten vor Ort nichts zu tun hat“ abzufertigen. Es bedarf dringend einer Neudefinition unserer aller Wertvorstellungen, bzw. eher der Rückbesinnung auf althergebrachte Werte, wie sie seit Jahrhunderten von der Kirche propagiert werden.

Danke für Ihre Antworten, Herr Hoffmann!

Stichwort: Ober-Olmer Wald

Der Ober-Olmer Wald liegt mit seiner Fläche von 380 Hektar inselartig angrenzend an den Lerchenberg, im stark landwirtschaftlich und urban geprägten nordöstlichen Rheinhessen. Teile des Waldgebiets sind nicht bewaldet, sondern Freiflächen mit artenreichen Wiesen. Es gibt rund 35 unterschiedliche Baumarten im Wald. Daneben gibt es zahlreiche weitere Pflanzen und Tiere, darunter auch streng geschützte., zum Beispiel die Borstige Glockenblume, die im Ober-Olmer Wald ihren letzten Standort in Rheinland-Pfalz hat. Wegen dieses Artenreichtums ist der Wald zum Naturschutzgebiet erklärt worden. Zum Schutz der Arten herrscht im Wald ein Wegegebot, Hunde sind anzuleinen und Pflanzen und Pilze dürfen nicht mitgenommen werden.

 

Ruth Lehnen ist Wort-Gottes-Feier Beauftragte im Pastoralraum Mainz Mitte West.