Predigtreihe: Patron für die neue Pfarrei 12./13.10.2024 (28. Sonntag LJ B)
(Leiselheim / Dom) thematisch: Hl. Nikolaus
Der Hl. Nikolaus: Fürsprecher für die Armen, Kämpfer für Gerechtigkeit
Vier Bewerber haben wir für das Amt als Patron für unsere künftige Pfarrei: zwei Einzelpersonen und ein Team. Wie schon am letzten Sonntag, als Urban „dran“ war, sollen in einer Predigtreihe in allen Kirchen unseres Pastoralraum diese Kandidaten vorgestellt werden. Und heute ist der heilige Nikolaus an der Reihe. Und – das hat er allen anderen Kandidaten unbestreitbar voraus: um keinen anderen Heiligen ranken sich so viele Legenden. Und kein anderer unserer Kandidaten ist so populär und bekannt – den heiligen Nikolaus kennt buchstäblich jedes Kind. Ähnlich bekannt ist höchstens noch der Heilige Martin, der fast zeitgleich lebte. Allerdings muss man ehrlicherweise genauso sagen: wirklich historisch Gesichertes aus seinem Leben wissen wir kaum. Wir wissen, dass er in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts Bischof von Myra war, in der heutigen Türkei, und dass er an einem 6. Dezember verstorben ist. Wir kennen sein Grab in Myra, dem heutigen Demre, und es ist sehr wahrscheinlich, dass er am ersten großen Konzil der Christenheit, das im Jahr 325, also vor 1700 Jahren, in Nizäa tagte, teilgenommen hat. Alles andere ist Legende. Im Jahr 1047 raubten italienische Kaufleute seine Gebeine und brachten sie nach Italien, nach Bari, wo sich heute sein Grab befindet. Aber schon um das Jahr 974 schenkte die Kaiserin Theophanu eine Reliquie, einen Fingerknochen des heiligen Nikolaus an den Wormser Dom. So kam Nikolaus also schon vor mehr als tausend Jahren hierher an den Rhein.
„Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ wird Jesus heute im Evangelium gefragt. Und er zählt erstmal die Gebote auf: Halte dich dran und alles ist gut. Aber dieser Mann will mehr, und dann sagt Jesus: „Geh, verkauf alles, was du hast und gib es den Armen.“. Das ist zuviel verlangt für diesen Mann, er geht traurig weg. Von Nikolaus erzählt die Legende, dass er genau damit ernst gemacht hat. Nikolaus sei aus reichem Haus gewesen und habe ein großes Vermögen geerbt. Das aber verteilt er unter die Armen. Ein armer Mann mit drei Töchtern hätte diese nicht verheiraten können, weil er ihnen keine Mitgift mitgeben konnte. Damit wäre den Töchtern damals nichts übrig geblieben als die Prostitution. Nikolaus habe davon erfahren und aus seinem Vermögen drei Goldklumpen bei Nacht durchs Fenster geworfen, so erzählt eine berühmte Legende. Deshalb wird Nikolaus (auch hier im Dom), meist mit drei Goldkugeln oder Äpfeln in der Hand dargestellt. Einer, der sich engagierte gegen Not und Armut, der ein Herz hat für die Armen – das ist die Botschaft der Legende. Einer der fertigbringt, was der Mann im Evangelium nicht geschafft hat: seinen Reichtum zu teilen mit den Armen. Mit Nikolaus würden wir uns also für einen Patron entscheiden, der uns daran erinnert, dass wir als Gemeinde die Armen nicht aus dem Blick verlieren dürfen.
Dazu passt auch die Legende von einer Hungersnot, die über die Stadt Myra kam. Ein Schiff randvoll mit Getreide für die Vorräte des Kaisers ankerte gerade im Hafen. Nikolaus habe den Kapitän überzeugen können, einen Teil des Getreides für die hungernden Menschen auszuladen und ihm versprochen, dass er, der sich vor der Strafe des Kaisers fürchtete, keinen Schaden erleiden werde. Tatsächlich sei der Getreidevorrat im Schiff nicht weniger geworden, obwohl die Menschen in Myra zwei Jahre lang von dem Getreide leben konnten und noch genug für die Aussaat hatten. Wer bereit ist zu teilen, hat am Ende nicht weniger, ist die Botschaft dieser Legende. Alle haben am Ende im Überfluss. Wenn das kein Patron ist für den Pastoralen Weg, wo wir mühsam und oft mit so vielen Ängsten lernen, als Gemeinden Glauben, Leben, Ressourcen und Verantwortung zu teilen!
Eine weitere Legende erzählt, wie er drei zu Unrecht zum Tode Verurteilte gerettet habe, indem er dem Henker, der sie gerade schon enthaupten wollte, das Schwert aus der Hand geschlagen habe. Nikolaus als einer, der mit Leidenschaft und tatkräftig gegen Ungerechtigkeit kämpft. Und natürlich die Legende, wie Schiffsleute in einen Sturm und in Seenot geraten und das Schiff unterzugehen droht. In ihrer Verzweiflung flehen sie zu Gott. Und plötzlich sei auf dem Schiff ein Mann gewesen, der die Segel richtig in den Wind setze und das Steuer übernahm, und auf einmal habe der Turm sich gelegt. Dann sei der Mann verschwunden gewesen. Erst im Hafen von Myra angekommen erkennen sie im Gottesdienst den Bischof Nikolaus als den Mann, der sie im Seesturm gerettet hat. Deshalb wurde Nikolaus schon immer von den Seeleuten und Schiffern besonders verehrt, und auch zum Patron der Fischerzünfte. Nikolaus als Patron, der in stürmischen Zeiten den Überblick behält, der uns, auch wenn uns das Wasser schon bis zum Hals steht, sicher ans Ziel bringt. Gerade in unserer Zeit sicher nicht die schlechteste Qualifikation für unseren Patron. Beide Geschichten sind übrigens sehr eindrucksvoll auf dem mittelalterlichen Außenportal der Nikolauskapelle am Wormser Dom dargestellt.
Schließlich erzählt wieder eine andere etwas gruselige Legende, wie drei Scholaren, also Schüler oder Studenten, von dem Gastwirt, bei dem sie Herberge gefunden hatten, ausgeraubt und erschlagen wurden. Die Leichen hätte der Mörder zerstückelt und die Teile in einem Salzfass eingepökelt. Ein Engel habe Nikolaus davon berichtet, der daraufhin zu dem Gastwirt gegangen sei und ihn als Mörder entlarvt habe; die Leichen habe er anschließend wieder zum Leben erweckt. Deshalb wird Nikolaus auch als Patron der Schüler und Lehrer verehrt und sein Bild, mit den drei Schülern, befindet sich auf dem alten Portal der Nikolauskapelle am Dom, das vermutlich im Mittelalter auch der Eingang zur Domschule war, (durch das u.a. der spätere Papst Gregor V. und der spätere Kaiser Konrad II. als Schuljungen geschritten sind). Nikolaus als Patron für eine gute Bildung.
Ich könnte jetzt noch zahlreiche weitere Legenden erzählen. Sie alle wollen sagen: Mit Gottvertrauen und der Bereitschaft zu teilen gelingt es, eine bessere Zukunft, eine gerechtere und bessere Welt zu bauen. Vom Grab des Heiligen in Myra wird berichtet, dass bei seiner Bestattung im Grab auf wundersame Weise eine Quelle entsprang. Als man seine Gebeine in Myra raubte und nach Bari brachte, begann sich auch dort im Grab in Bari Wasser zu sammeln, das bis heute einmal im Jahr, am Tag der Übertragung der Gebeine, aufgenommen und als Reliquie gesammelt wird. Eine kleine Ampulle mit diesem Wasser befindet sich heute auch in der Nikolauskapelle des Domes. Der Glaube des Heiligen wird zur Quelle, aus der lebendiges Wasser sprudelt, könnte dieses Wunder sagen wollen. Dass auch unser Glaube, unser Vertrauen zur Quelle werde um den Durst, die Sehnsucht der Menschen unserer Tage zu stillen, dazu lädt uns Nikolaus hier ein.
Im Brauchtum wird Nikolaus zum Geschenkebringer, ganz besonders für die Kinder. Einer, der ein Herz hat für die Kinder, die Schwachen, die Notleidenden; einer, der selbstlos teilt; einer, der sich für Gerechtigkeit einsetzt, tatkräftig und engagiert. Aber auch einer, der leidenschaftlich für das Richtige, für Wahrheit und Gerechtigkeit kämpft. Mir persönlich gefällt auch die Erzählung, wie er beim Konzil von Nizäa, bei dem hart um den rechten Glauben gerungen wurde, um das Bekenntnis, dass Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch ist, – das erste große Konzil der Christenheit, das nächstes Jahr 1.700. Jubiläum feiert – wie also Nikolaus bei diesem Konzil so in Rage geriet, dass er seinen Widersacher, den Irrlehrer Arius vor allen eine Ohrfeige gab. Nikolaus also nicht bloß als der fromme Softie, der geschenkeverteilende alte Mann, sondern auch einer, der leidenschaftlich war, sich durchsetzen konnte, handfest und engagiert.
Wir hatten im Vorfeld bewusst nur Heilige als Kandidaten für das Patronat der künftigen Pfarrei ausgewählt, die einen Bezug zu Worms und Rheinhessen haben. Nikolaus hat den Bezug, weil die Nikolauskapelle einer der ersten Orte im Abendland war, wo dieser in der Ostkirche so hochverehrte Heilige verehrt wurde. Insofern wäre er ein hervorragender Patron für unsere künftige Pfarrei Worms und Umgebung. Dumm ist nur, dass das für alle unsere Kandidaten gleichermaßen gilt: Für Urban, den Weinpatron genauso wie für Erentrud und Rupert, die beiden Ur-Wormser Heiligen und leidenschaftlichen Missionare. Das macht am Ende die Entscheidung so schwer.
Einer, der in stürmischen Zeiten den Kurs hält, ein Heiliger für die Kleinen. Ein Patron auch für die Kinder und Familien. Auch wenn Rupert und Erentrud meine Favoriten sind, ich kann leider so gar nichts finden, was gegen Nikolaus als Patron sprechen würde. Aber vieles, was für ihn spricht. Amen.