Liebe Leserin, lieber Leser,
„Wenn du dein Feld aberntest und eine Garbe auf dem Feld vergisst, sollst du nicht umkehren, um sie zu holen. Sie soll den Fremden, Waisen und Witwen gehören, damit der Herr, dein Gott, dich bei jeder Arbeit deiner Hände segnet."
So steht es im Buch Deuteronomium. Ein Zeugnis hoher Menschlichkeit. Und die Aufforderung, nicht zu geizen und zu knausern und das Leben nicht bis zum Letzten für sich selbst auszupressen, sondern so zu leben, dass auch andere leben können.
„Wenn du in deinem Weinberg die Trauben geerntet hast, sollst du keine Nachlese halten. Und wenn du deinen Ölbaum abgeklopft hast, sollst du nicht auch noch die Zweige absuchen. Was noch hängt, soll den Fremden, Waisen und Witwen gehören“ (Dtn 24,19-22).
Ein wohltuender Einspruch gegen die uralte Angst, zu kurz zu kommen: Auf der Großzügigkeit liegt der Segen Gottes. Wie heilsam könnte es sein, das zu „beherzigen“:
- für unseren Umgang miteinander, für ein Mit-Sein in Solidarität,
- für unseren Umgang mit der Schöpfung , die stöhnt unter dem Zugriff des Menschen,
- für uns selbst, die wir nicht frei sind von der Versuchung, uns selbst zu optimieren und bis zu Überforderung aus allem herausholen zu wollen, was möglich scheint.
Die Zeit der Ernte ist gekommen. Wir dürfen uns daran erinnern: Wir leben nicht aus der puren eigenen Anstrengung und Leistung. Das Leben ist ein Geschenk.
Im Blick auf den, in dessen Namen wir zusammenkommen und für den wir in jeder Eucharistie Gott danken, dürfen wir Vertrauen fassen: Nicht in der Selbstbehauptung, sondern im Loslassen, im Teilen und Weiterschenken, in der Hingabe ist uns das Leben, Leben in Fülle, erschlossen.
Ihr Pfarrer Stefan Schäfer