Liebe Leserin, lieber Leser,
„Dein Schweigen
Meine Stimme
Dein Ruhen
Mein Gehen
Dein Allesvorüber
Mein Immernochda.“
In diese Verse klingt ein Gedicht von Marie Luise Kaschnitz aus. Tiefe Trauer über den Verlust eines Menschen, wie die Schriftstellerin selbst sie nach dem Tod ihres geliebten Mannes durchlebt hat, sucht in ihnen nach Ausdruck.
Wer diese Verse liest und sie in sich nachklingen lässt, den werden sie ansprechen:
Auch wir haben Freunde unter den Toten. Ihre Zahl nimmt zu, je älter wir werden - Menschen, deren Stimme uns fehlt. Begleiter, ohne die es einsamer geworden ist um uns, seit sie nicht mehr mit uns auf dem Weg sind. Vielleicht gibt es bei den Freunden unter den Toten auch den einen, den geliebten Lebensmenschen.
Die Verse von Marie Luise Kaschnitz sprechen den Verstorbenen an. Sie scheinen sich dagegen zu sträuben, dass er entgleitet, dass die Erinnerung allmählich verblasst. Sie halten an ihm als einem Gegenüber fest:
„Dein Schweigen / Meine Stimme“, die anders geworden ist in der Trauer. Die manchmal bricht. Aber in diesem Brechen der Stimme ist der Verstorbene da.
Im November gedenken wir unserer Freunde unter den Toten. Wenn wir an Allerseelen an ihren Gräbern eine Kerze anzünden, suchen wir in ihrem Schweigen ein Gegenüber.
„Jemanden lieben, heißt sagen: du wirst nicht sterben“ (G. Marcel).
Wir suchen nach dem, der dem Versprechen der Treue über den Tod hinaus, das wir einander geben, ohne es von uns her halten zu können, in seiner Treue Halt gibt und der es einlösen kann.
Ihr Pfarrer Stefan Schäfer