Klosterkirche

Wenige Jahre nach der Stadtgründung Hirschhorns (1391) – nach der Klosterchronik um 1400 – wurde mit dem Bau von Kloster und Kirche begonnen. Nach päpstlicher Erlaubnis 1405 zur Neugründung eines Karmeliterkonventes, dem die gleichen Rechte gewährt wurden, die der Orden für seine Klöster besaß, erfolgte am 30.5.1406 die Übergabe von Kloster und Kirche an den Karmeliterorden durch die Hirschhorner Ritter als Stifter. Drei Monate später, am 29.8.1406 (nächster Sonntag nach St. Bartholomäus), wurde die Kirche geweiht „in Lobe und Ehre Unserer lieben Frauen Sant Marien der Reynen Maget und Mutter unseres Herrn Jesu Christi“. Als Motiv für die Gründer kann neben der Sorge um das Seelenheil der Wunsch nach einer repräsentativen Grablege angenommen werden. Bedeutung bekam die Klosterkirche auch dadurch, dass die Ersheimer Kirche als Hirschhorner Pfarrkirche auf der anderen Neckarseite lag und nur mit einer Fähre erreicht werden konnte. Die Klosterkirche, die als Bettelordenskirche zwischen Burg und Stadt errichtet worden war, konnte auch in die Seelsorge für die neue Stadt mit eingebunden werden.

 

Die dreigliedrige Hauptkirche stammt noch aus der Erbauungszeit, ebenso die erhaltenen Fresken mit einer Darstellung der Verkündigung am Triumphbogen sowie der heiligen Sippe am Nebenaltar auf der Epistelseite. Der Hl. Christopherus über dem Eingang sowie die Kreuzigungsgruppe wurden 1910 nach den Pausen neu aufgetragen. Der Gewölbestein des Chores, dessen Fenster das reichste Maßwerk aufweisen, trägt das Wappen der Herren von Hirschhorn. 1513/14 wurde der Kirche die Annakapelle mit ihrem heraldisch ausgemalten Netzgewölbe hinzugefügt. Die Schlusssteine zeigen eine Anna Selbdritt sowie die Wappen der Stifter (Hans VIII. von Hirschhorn und dessen Bruder Eucharius von Hirschhorn, Kanonikus in Worms). Erhalten hat sich die Annafigur (Anfang 16. Jh.), deren Gestaltung an eine Anna-Selbdritt erinnert. Das Christuskind ist als Wurzel Jesse dargestellt. Die Figuren der Kreuzigungsgruppe (Anfang 16. Jh.) an der Außenwand der Kirche könnten möglicherweise vom ehemaligen Lettner der Kirche stammen, wurden erst 1884 an ihrem jetzigen Platz aufgestellt und bekamen 1910 einen neuen Vorbau, wobei auch Teile des alten Lettners mitverwendet wurden. Die Empore aus den Architekturteilen des alten Lettners trägt die Wappen der Klosterstifter (Hans V. von Hirschhorn und seine Frau Yland von Dhaun) sowie das Karmeliterwappen.

 

Als sich die Hirschhorner Ritter ab 1526 der Reformation zuwandten, geriet das Kloster in zunehmende Bedrängnis. 1528 wurde ein protestantischer Prediger an die Klosterkirche berufen. Die Rechte der Karmelitermönche wurden stetig beschnitten, bis schließlich der letzte von ihnen 1570 des Klosters verwiesen wurde. Das Jahr 1545 als Datum des Taufsteins (heute in der Marktkirche) weist auf die Einrichtung der Klosterkirche als Pfarrkirche hin, mit dem Interim (1548) wurde sie Simultankirche. Nach der Vertreibung des letzten Karmeliters („prior et omnia“, wie er unterschrieb) begannen die Hirschhorner Ritter mit dem Umbau der Kirche zu einer protestantischen Predigerkirche. Die Außenzugänge der Annakapelle wurden vermauert, ihr Boden höher gelegt und eine herrschaftliche Gruft eingerichtet (um 1590); der Lettner wurde niedergelegt und um ein Gewölbe vermindert als Orgelempore wieder aufgebaut, der Triumphbogen verbreitert und eine Kanzel errichtet (1618).

 

Der Karmeliterorden prozessierte beim Reichskammergericht um die Rückgabe des Klosters. Da die Ritter von Hirschhorn stets in Revision gingen, zog sich der Prozess über Jahrzehnte hin, bis es 1624 und 1629 zu einer außergerichtlichen Einigung kam. Der letzte Hirschhorner Ritter Friedrich musste unter dem Druck der damaligen politischen Verhältnisse seinen Widerstand aufgeben. Als Ersatz ließ er die Marktkirche als neue Pfarrkirche bauen. Taufstein und Empore wurden aus der Klosterkirche dorthin überführt. Die im Vertrag vereinbarte Überführung der Epitaphe der Herren von Hirschhorn, „alß welcher der catholischen alleinseligmachenden Religion nit zugethan gewesen“, unterblieb.

 

Nach einem „schwedischen Intermezzo“, das eine nochmalige Vertreibung der Karmeliter aus Hirschhorn zur Folge hatte, konnten diese 1635 endgültig zurückkehren. Nach dem Tode Friedrichs von Hirschhorn (1632) fiel Hirschhorn an Kurmainz zurück. Die Karmeliter erhielten nun die Aufgabe, die Gegenreformation vor Ort durchzuführen. 1636 wurde ihnen die Pfarrei Ersheim, zu der Hirschhorn gehörte, übertragen, womit die Klosterkirche erneut Pfarrkirche wurde. Orgel, Taufstein und Empore wurden in die Klosterkirche rückübertragen, die Annakapelle als Taufkapelle eingerichtet. Auf einen Wiederaufbau des Lettners wurde verzichtet und die Klosterkirche als Predigerkirche belassen. Die Karmeliter spielten eine wichtige Rolle bei der Gegenreformation und waren maßgeblich beteiligt bei der Neugründung bzw. dem Erstarken der katholischen Pfarreien in Eberbach, Neckarsteinach, Mückenloch, Unter-Schönmattenwag sowie den bereits im Mittelalter dem Hirschhorner Kloster incorporierten Pfarreien in Hessloch und Eppingen. Im 17. Jahrhundert konnte das Kloster einen größeren Teil seiner früheren Besitzungen und Einnahmen reorganisieren und auch Anteil nehmen an dem erneuten Wachstum der Ordensprovinz (begünstigt durch die im Karmeliterorden eingeführte Tourainer Reform). 1689 konnten drei neue Altäre geweiht werden: der Hochaltar zu Ehren der Menschwerdung und Mariae Verkündigung, ein Nebenaltar zu Ehren des hl. Josephs neckarseitig, bergseitig der Kreuzaltar. Das Kloster gelangte zu einer erneuten Blüte und konnte das religiöse wie auch das kulturelle Leben in Hirschhorn nachhaltig prägen.

 

1732 verlor die Klosterkirche ihre Rolle als Pfarrkirche, als gegen den erbitterten Widerstand der Karmeliter auf Bestreben der Bürgerschaft die Marktkirche als Pfarrkirche wieder eingerichtet wurde. Als Antwort der Karmeliter darauf kann der prächtige neue Hochaltar gesehen werden, den sie 1761/65 in Auftrag gegeben hatten. Geschaffen wurde der Altar von Johann Michael Düchert (1724 - 1799) aus Heidelberg, wahrscheinlich ein Schüler Paul Egells, der hier in seinem Hauptwerk den Stil seines Lehrers am innigsten verwirklicht hat. Von dem heute zerstörten Altar haben sich die Hauptfiguren außer dem Verkündigungsengel in der Kirche erhalten - von der Verkündigungsszene Maria und Gottvater, St. Anna, St. Joseph, die Karmeliterheiligen (der Papst) St. Telesphorus und (Bischof) Andreas Corsini. Die Dimension des einstigen Altars, der den Chor von der restlichen Kirche trennte, lässt sich noch an den Ausbrüchen am hinteren Triumphbogen erkennen. 1752 hatte die Kirche eine neue steinerne Kommunionbank erhalten, 1778 wurde ein neues Chorgestühl angefertigt.

 

Die Säkularisation beendete mit der Auflösung des Klosters eine 400-jährige Geschichte. Binnen 24 Stunden mussten sich die Mönche entscheiden, ob sie das Kloster verlassen oder als Pensionisten mit dem nötigsten Mobiliar versehen weiterwohnen wollten. Das Inventar von Kloster und Kirche wurde versteigert, oft nur zum reinen Materialwert. Die Kirche geriet in raschen Verfall und wurde 1812 vom Hessischen Großherzog der Stadt auf deren Bitte übereignet. Gedanke war, hier eine Gottesdienstmöglichkeit zu haben, wenn die Marktkirche durch Hochwasser nicht nutzbar war. Da die Mittel zur Unterhaltung fehlten, war der Verfall der Kirche, die 1818 auch zum Abbruch ausgeschrieben war, nicht aufzuhalten. 1840 mussten die Dachreiter und das baufällige Dach des Hauptschiffes von Amts wegen niedergelegt werden. Öffentlicher Protest verhinderten weitere Abbrucharbeiten und Zerstörungen in der Kirche. Die Kirche stand nun zwanzig Jahre als Ruine da, bis mit einem Notdach erste Sicherungs- und Erhaltungsmaßnahmen erfolgten. Nach Schenkung an die katholische Gemeinde (1886) ermöglichten das Engagement der hier wirkenden katholischen Pfarrer sowie die Opferbereitschaft der Bevölkerung eine allmähliche Wiederherstellung der Kirche (1891 - 93 unter Max Meckel, 1908 - 10 unter Karl Krauß) bis zu ihrer Rekonsekration durch Bischof Heinrich Georg Kirstein 1910. Der Wiederherstellungsphase gehören die rekonstruierte Empore an, ebenso die Glasfenster. 1891/92 wurden die Glasfenster des Chores (Glasmaler Kriebitsch und Voege, Mannheim) - St. Nazarius und Celsus, Kreuzigung - geschaffen, die Kreuzigung ist eine Kopie nach einem Fenster der Kölner Severinskirche, 1892 entstand das Glasfenster mit der Darstellung des Besuches von Maria mit dem Jesuskind bei ihren Eltern Anna und Joachim (Firma Bitsch, Mannheim). Der Schrein für den neuen Hochaltar stammt aus der Ersheimer Kirche und wurde neugotisch überarbeitet und ergänzt (Georg Busch, Steinheim). Die Figur der Muttergottes (Nürnberg, Umkreis Veit Stoß, um 1510/20) umgeben die Figuren der Heiligen Petrus, Katharina, Paulus und Gertrud von Helfta. 1929 wurde die historische Bemalung der Annakapelle nach vorgefundenen Resten rekonstruiert (H. Velte).

 

Eine neue Phase der Restauration und des Erhaltes der Klosterkirche begann mit der Gründung des „Fördervereins Klosterkirche“ 1996. Ab 1998 erfolgte die Außen- und Innensanierung der Kirche, darunter die Rekonstruktion der spätgotischen Tonnendecke nach historischem Vorbild (2001), die Restauration der historischen Orgel im Jahr 2002 (1955 aus der Herz-Jesu-Kirche Weinheim erworben), neue Steinkonsolen für die Figuren des barocken Hochaltars und ein neuer Zelebrationsaltar (Mainzer Dombauhütte, 2005) mit Weihe durch Bischof Kardinal Karl Lehmann, zuletzt neue Leuchter in Gestalt flämischer Barockleuchter (2009).

 

Auch in kommenden Jahren bleibt der Erhalt der geschichtsträchtigen Klosterkirche – neben der Ersheimer Kapelle ein Kleinod für Hirschhorn und das Neckartal – eine große Aufgabe. Wenn auch Sie zum Erhalt der Kirche beitragen wollen, können Sie dies mit einer Spende an den „Förderverein Klosterkirche“ tun.

Wir freuen uns auf ihren Besuch.

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