Osterimpuls 2020 - Pfr. Jolie

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Datum:
Sa. 4. Apr. 2020
Von:
Hendrick Jolie

Vorbemerkung (Pfr.): Der Text war bereits Anfang März geschrieben. Meine Hoffnung ist es, dass viele den überragenden Wert der Eucharistiefeier wieder schätzen lernen. Die Eucharistie ist nicht ein Sakrament neben anderen, auch nicht ein Angebot unter vielen. Sie ist das Herz, die Quelle. Offenbar ist das vielen nicht mehr bewusst. Allen Ernstes wird darüber diskutiert, in Zeiten des Gläubigen- und Priestermangels sonntägliche Ersatzformen einzuführen – und dies nicht im Einzel- oder Notfall, sondern regulär und flächendeckend. Nun wurden plötzlich über Nacht alle öffentlichen Messfeiern verboten worden. Ist das nicht auch ein Aufruf zur Umkehr und zum Innehalten (Mt 21, 43)?

Liebe Schwestern und Brüder,
in der letzten Zeit wurden mir einige bewegende Zeugnisse über die Liebe zur Eucharistie in die Hände gelegt:

„Die Gemeinschaft des Heiligen Abendmahls ist die Erfüllung der christlichen Gemeinschaft überhaupt. Hier ist die Gemeinschaft am Ziel.“
(Dietrich Bonhoeffer, 1938)

„Im Jahr 304 wurde während der Verfolgung unter Diokletian eine Gruppe von Christen aus Nordafrika überrascht, als sie die Messe in einem Haus feierten; sie wurden verhaftet. Der römische Prokonsul fragte sie beim Verhör, warum sie es getan hätten, obwohl sie wüssten, dass es absolut verboten sei. Und sie antworteten: »Ohne den Sonntag können wir nicht leben.« Das bedeutete: Wenn wir nicht die Eucharistie feiern können, können wir nicht leben, würde unser christliches Leben sterben.“
(Papst Franziskus, 2017)

„Nie werde ich meine große Freude in Worte fassen können: Mit drei Tropfen Wein und einem Tropfen Wasser in der hohlen Hand feierte ich Tag für Tag die Messe. Das war mein Altar, das war meine Kathedrale! Ich hatte die wahre Medizin für Seele und Leib.“
(Kardinal Van Thuân auf die Frage, wie er 13 Jahre kommunistischer Haft - davon 9 Jahre Isolationshaft - überstanden habe)

neben den o.a. Zitaten war es auch das Zeugnis einer Familie, die im Februar
1946 in Eiseskälte nach mehrwöchiger Flucht und Vertreibung aus dem Sudetenland völlig entkräftet in Nieder-Ramstadt ankam:

„Nachdem wir die Koffer in den Flur gestellt hatten, nahm unser Vater seinen Hut und sagte: ‚Jetzt müssen wir erst einmal schauen, wo hier am Ort die Kirche und der Pfarrer ist.“

Diese bewegenden Zeugnisse ließen sich beliebig vermehren. Es sind nicht nur Kardinäle und Bischöfe und Theologen. Es sind die „Kleinen“, die in schwerer Zeit große Opfer nicht gescheut haben, um die Heilige Messe zu besuchen: Nicht aus Gewohnheit oder Pflichtgefühl, sondern aus der Erkenntnis, dass die Eucharistie unsere Identität, unsere Heimat ist. „Wir hatten durch die Vertreibung alles verloren. Aber als wir in der Fremde auf einmal die vertrauten Worte der Liturgie vernahmen, da wussten wir: Wir sind nicht allein“, so hat es mir vor Jahren jemand auf dem Sterbebett anvertraut.

Einmal im Jahr laufen wir zu Fuß von Ober-Modau nach Nieder-Ramstadt, um an jene zu erinnern, die in den Nachkriegsjahren von dort zu Fuß in die Stiftstraße gelaufen sind, um die Heilige Messe mitzufeiern.

Es geht nicht darum, die „gute alte Zeit“ hochleben zu lassen. Aber diese Zeugnisse haben zumindest in mir das Bewusstsein geweckt und bestärkt, wie zentral die Heilige Messe für alle Generationen war, die vor uns gelebt haben. Ob im Krieg oder in Haft, in Flucht und Vertreibung, ob in Hunger und Kälte, Gefahren oder in glücklichen Zeiten des Wohlstands: Das Bewusstsein war da, dass der Mensch eine Mitte braucht. Dass die Woche einen Sonntag braucht. Und dass der Sonntag ohne Besuch der Heiligen Messe kein Sonntag ist. Es gibt auch Schattenseiten, die nicht verschwiegen werden sollen: Das entleerte Ritual; die „Sonntagspflicht“, die nur noch ein äußeres Einhalten einer Konvention ist; lieblos heruntergelesene Messen, unbeteiligte „Gottesdienst“-Besucher und eine Liturgie, die das Herz des Menschen nicht berührt. All das haben die meisten von uns (mich eingeschlossen) schon erleben/erleiden dürfen. Diese NegativErfahrungen sind jedoch kein Argument gegen die Notwendigkeit der Eucharistie, sondern im Gegenteil: Sie lassen uns bewusst werden, wie wichtig die Sorge um eine würdige und ansprechende Form der Messfeier ist – eine Sorge, die letztlichen allen Gläubigen ans Herz gelegt ist. Wenn die Eucharistie lebens-notwendig ist, dann muss sie auch so gefeiert werden, dass jene, die daran teilnehmen, es
erfahren können.

  • Der „pastorale Weg“ nimmt an Fahrt auf. Auch in diesem Pfarrblatt haben wir einige Informationen zusammengetragen. Ich bin sehr dankbar, dass in unserer Pfarrgruppe, die ja bekanntlich die größte Seelsorgeeinheit im ganzen Dekanat darstellt, viele ehrenamtliche Kräfte Zeit und Energie investieren, um diesen Weg mitzugestalten. Ich habe in vielen Gesprächen der letzten Zeit erleben dürfen, wie wichtig vielen Gläubigen bei uns die konkrete Kirche und die eigene Gemeinde ist. Das ist ein kostbares Gut und keineswegs selbstverständlich.
  • Wie wichtig ist es, bei allen Gesprächen, Planungen, Entscheidungen den inneren Kompass nicht aus den Augen zu verlieren: Gott, der Glaube, die Sakramente, die sonntägliche Gemeinde, die sich zur Feier der Eucharistie versammelt, und – nicht weniger wichtig – eine von Herzen kommende Zuwendung zum Nächsten. Ohne diese Orientierung würden wir uns im Kreise drehen oder vom Weg abkommen. Ich danke allen, die in unseren Gemeinden dafür Sorge tragen, dass wir diese Orientierung nicht verlieren.

Frohe und gesegnete Ostern Ihnen allen!
Ihr Hendrick Jolie, Pfr.