Das Fenster im Pfarrheim der katholischen Kirche St. Josef regt zum Gespräch über den Schutzpatron an
Eine Reportage von Charlotte Martin in der "Main-Spitze" am 18. Januar 2022
Der heilige Josef im roten Gewand, den eine Säge als Zimmermann ausweist, hält schützend die Hand über die 1952 geweihte Kirche in der Böllenseesiedlung: Dieses Szenario bildet ein großes Glaskunstfenster im Pfarrheim der katholischen Kirche St. Josef ab.
Der Blick des Heiligen scheint in die Weite und zugleich nach innen gerichtet zu sein, als lausche er Gottes Wort. Tatsächlich hat Josef von Nazareth ja ebendies getan, bevor er sich schützend an die Seite der schwangeren Maria, seiner Verlobten, stellte. Er tat dies entgegen dem Zeitgeist, der unehelich schwangere Frauen mit Steinigung strafte. Pfarrer Johannes Xuan Minh Dinh sagt: ,,Die Bibel berichtet, dass Josef ein Engel im Traum erschien, der ihm sagte, dass Maria vom Heiligen Geist schwanger sei. Er bleibt bei Maria, wiewohl die Bibel auch von seinen Zweifeln und Überlegungen, Maria zu verlassen, berichtet." Wörtlich heißt es: ,,Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich." Mit schlichten Worten wird Josef hier als der Hüter der Heiligen Familie benannt. Josef sei bis heute ein Vorbild, unterstreicht Pfarrer Minh Dinh, denn er sei still und fraglos seinem Glauben und Herzenswissen gefolgt, obwohl dies viel von ihm verlangt habe.
Pfarrer Minh Dinh erklärt: ,,Josef ist aber ein umstrittener Heiliger und wurde erst vor wenigen Jahren ins Hochgebet aufgenommen, wiewohl Papst Benedikt XIII. seinen Namen 1870 in die Allerheiligenlitanei einfügte und er Schutzpatron der katholischen Kirche wie auch der Familien, der Zimmerleute und Arbeiter ist." Was begründet die ambivalente Sicht auf Josef? Pfarrer Minh Dinh sagt: ,,Josef gewinnt Größe durch sein gottergebenes Handeln. Er war kein Held, erst die Erklärung des Engels erlöst ihn aus seinem inneren Konflikt." Der Pfarrer blickt erneut zum Glasfenster hin, betrachtet den bärtigen Zimmermann Josef, der neben körperlicher Stärke vor allem Stärke im Glauben ausstrahlt. Ikonografische Attribute des Heiligen sind oft der Wanderstab oder Werkzeuge seines Berufs -hier ist es die Säge. Helmut Plaha, Mitglied der Pfarrei St. Josef, merkt an:,,Josef war nicht nur Jesus' Ziehvater, sondern er steht auch als Schutzpatron den ersten Bewohnern der Böllenseesiedlung sehr nah, waren sie doch meist Arbeiter bei Opel." Auf 1,40 Meter Breite und 1,80 Meter Höhe schätzt Plaha das Glaskunstfenster. Er berichtet, dass das 1967 fertiggestellte Pfarrheim 1987 im Zuge weiterer Bauarbeiten mit einem neuen Eingangsbereich versehen wurde. Ein großes Fenster an der Westseite sollte Licht spenden. ,,Hans Heib, der sich sehr für die Planung des Anbaus einsetzte, stellte sich ein Buntglasfenster mit Bildnis der Kirche St. Josef vor. Doch erst als ein Kunstglaser der Rüsselsheiiner Firma Glasbau Bockius St. Josef ins Bild integrierte, waren alle dafür." Wenn am frühen Mittag die Sonne hereinscheine, erstrahle das Fenster in leuchtenden Farben: ,,Es nach der Sonntagsmesse einmal anzusehen, lohnt sich." Zuletzt sagt Pfarrer Minh Dinh noch: ,,Wann Josef verstorben ist, wissen wir nicht. Als Jesus zwölf Jahre ist, pilgert die Familie zu Ostern nach Jerusalem. Es ist die letzte Bibelstelle, die Josef erwähnt."
Die Serie ,,leuchtende Fenster - Kunst aus Glas" stellt in loser Folge Kirchenfenster verschiedenster Epochen, Meister und Stile vor. (lot)