Wer liebt sie nicht – die Herbstspaziergänge im „goldenen“ Oktober? Die Natur erstrahlt in wunderschönen Herbstfarben und lässt viele das Elend der täglichen Hiobsbotschaften für einen Augenblick vergessen.
Allerdings: Für manchen Zeitgenossen sind die herbstlichen Naturbilder nicht frei von Melancholie. Es liegt ein Hauch von Vergänglichkeit in der Luft, und das sanfte Absterben der Natur ruft bei dem einen oder anderen abschiedliche Gefühle hervor.
„Unsere Tage zu zählen lehre uns, dann gewinnen wir ein weises Herz“ (Ps 90,12). Dieses Psalmwort will mir nicht mehr aus dem Sinn in diesen Tagen. Schon öfters hörte ich es bei Verabschiedungen von Kollegen etc.
In diesem Wort drückt sich eine tiefe Lebensweisheit aus: Ja, der Herbst erinnert daran, dass Glück, Gesundheit, Freundschaft und die vielen anderen kostbaren Gaben des Lebens eine Art „Verfallsdatum“ haben.
Die Freude am Leben soll dadurch nicht gemindert oder getrübt werden – im Gegenteil. Wer um die Vergänglichkeit aller irdischen Gaben weiß, erkennt möglicherweise noch tiefer ihren Wert und ihre Schönheit. Welchen Wert hätte zum Beispiel der schönste Sonnenuntergang am Meer, wenn wir nicht wüssten, dass die Sonne nur für wenige Augenblicke diese grandiosen Farben an den Himmel zeichnet?
„Unsere Tage zu zählen, lehre uns“…
Abschiedlich leben, das hieße dann: Die kostbaren Augenblicke meines Tages, die Begegnungen, die ich habe, die Gespräche die ich führe und die Gedanken, die mein Herz bewegen, hineinstellen in den größeren Horizont der Ewigkeit.
„Lebe die Zeit in Perspektive Ewigkeit“, so drückt es der christliche Liedermacher Samuel Harfst in einem hörenswerten Lied („Das Privileg zu sein“) aus.
Ob das in diesem Herbst neu gelingen kann?
Ein Versuch ist es wert. Oder etwa nicht?
Einen schönen Herbst wünscht Ihnen und Ihren Lieben
Ihr Hendrick Jolie, Pfarrer in Schotten und Gedern.