Die Kirche in Ranstadt ist ganz eindeutig auf den Altar hingerichtet, um den sich die Gemeinde gruppiert. Lediglich an einer Seite zieht sich die Altarinsel bis zur Außenwand hin. Auf dieser Fläche war der gegebene Raum für die anderen lit. Orte, Tabernakel, Ambo und Priestersitz. Bei der Gestaltung dieser Objekte habe ich versucht, von der lit. Aufgabe her ihre Form zu entwickeln. Der Ambo ist durch die Betonung seines Kopfteils ganz eindeutig Buchträger und in seiner ausgreifenden Form dynamisch zugleich.
Seine Stellung ist so gewählt, dass er von allen Plätzen der Gemeinde gut gesehen werden kann. Zu den relativ lagernden Formen des Altares und Ambo kontrastiert der Tabernakel mit seiner aufstrebenden Silhouette, die bis in die Fensterzone hineinreicht. Ich wollte ihm mit dieser hochaufragenden Form den Charakter von etwas Hoheitsvollem, das menschliche Maß Übersteigendem, geben. Der Tabernakeltresor selbst ist so gestaltet, dass er mit der ganzen Säule eine geschlossene Einheit bildet. Er ist aus Aluminiumguss und vereinigt in seiner Formgebung festlich-glänzende mit eruptiv aufbrechenden Details.
Paul Brandenburg
Es ist der christliche Dichter Prudentius (348 - 413), der diese lapidare Inschrift an den Beginn der Entwicklung des buntfarbigen Fensterschmucks gesetzt hat. Durch die Jahrhunderte zieht sich seitdem die ständige Erwähnung farbigen Fensterschmuckes in den begeisterten Worten der Poesie. Obzwar nahezu 1500 Jahre vergangen sin d, obgleich heute die Technik alle Bereiche unseres Daseins berührt und beeinflusst, hat sich die Glasmalerei im Laufe der Jahrhunderte wohl in Stil und Auffassung, kaum aber in der handwerklichen Ausführung verändert.
In der musivischen Glasmalerei (dieses Wort leitet sich ab von Mosaik, denn in vornehmen röm. Villen und Wohnhäusern wurde das Glas an der Wand als „OPUS MUSIVUM" bezeichnet, d. h. geschmückt mit Goldplättchen und farbigen Glassteinen, übertragen auf die Glasmalerei also das mosaikartige Zusammenfügen farbiger Glasstückchen) werden verschiedene in der Masse einfarbige Gläser nach der in den entgültigen Maßen ausgeführten Vorzeichnung, dem sogenannten Karton, zurechtgeschnitten und mosaikartig zusammengefügt, indem die einzelnen Glasstücke durch H-förmig profilierte Bleisprossen verbunden werden.
Die Bleisprossen geben zugleich Umrisse und die stärksten Linien der Innenzeichnung. Für die Schattierung und die feineren Konturen hatte die alte Glasmalerei als einzige Male das Schwarzlot. Betrachtet man alte Scheiben und Fenster näher, so stellt man fest: Wie oft haben die frühen Meister große Ungeschicklichkeit, ja „Fehler" in der Zeichnung begangen, wie oft haben sie flüchtig und schlecht gemalt, dies alles aber verschwindet gegen ihre Fähigkeit Licht und Glas wie den Glanz von Edelsteinen leuchten zu lassen. Licht und Glas - wer diese beiden Elemente richtig handhaben und ineinander zu bestimmen weiß, hat das Geheimnis der Glasmalerei erfasst.
Ein farbiges Glasfenster als künstlerische Schöpfung verdankt seine Existenz dem Licht, das es durchleuchtet - dem ständig wechselnden Licht, das es seiner gegebenen Fassung in jedem Augenblick empfängt. Sodann stellt farbiges Glas selbst eine Lichtquelle in einem umgrenzten Raum dar und wird so zu einer architektonischen Kunst von großer Macht und Wirkung. Die Fenster der St. Anna Kirche in Ranstadt sollten den Raum mit Licht erfüllen, der zur Ruhe und Besinnung einlädt. Zum Zweiten sollten sie, die Architektur unterstützend, Giebel und Dachform auf einer leichten Basis schweben lassen. Die vertikal fließende ornamentale Linienführung und die dynamisch aufsteigenden Linien der Giebel und Dachflächen haben Widersprechendes von Reiz und Ruhe im Anblick des Kirchenbaus.
Im Inneren des Raumes erscheinen die Fenster nicht kristallisch hart, sondern sind fließende, gerinnende Bahnen. Breite und schmale Konturen, Hell und Dunkel, Form und Farbe durchdringen einander wie ein gläserner Vorhang, der aber, dank der räumlichen Farbe, die Fensterebene durchbricht. Goethe spricht in seiner Farbenlehre vom Blau als eine Farbe negativer Energie. „Sie ist in ihrer höchsten Reinheit gleichsam ein reizendes Nichts. Wie wir den hohen Himmel, die fernen Berge blau sehen, so scheint eine blaue Fläche vor uns zurückzuweichen. Wie sich das Zinnoberrot ins Organ zu bohren scheint, also vorkommt und sich aufdrängt, so scheint eine blaue Fläche auch vor uns zurückzuweichen. Wir sehen das Blaue gerne an, nicht weil es auf uns dringt, sondern weil es uns nach sich zieht." In die hellen, herabströmenden Lichtbahnen sind häufig dunkle Konturen bizarr eingesetzt. Weiß - Blau - Licht und Materie mit sparsam eingeschlossenen vegetativen erdgebundenen Farben Braun und Olivgrün begleiten und bestimmen das geistig-materielle Leben. Hier erhebt sich die Frage, ob gegenstandslose Kunst, die auf Figuren und auf traditionelle Symbole verzichtet, Christliches beinhalten kann und christliche Gesinnung auszudrücken vermag. Gott ist Licht.
Der Benedektinerabt Sugar, 1140 der Erbauer der Kathedrale von St. Denis bei Paris, hat begeisterte Worte über das Licht gefunden, das den Raum durchstrahlt. In einer Inschrift, die er im Kircheninnern anbringen ließ, heißt es: Denn klar ist, was vermählt ist mit Klarem, und klar ist das edle Werk, das durchstrahlt ist von neuem Licht.
M. Karsubke