Bella Italia II.

Kulinarisch-Literarisches Ereignis - die Reise in die 50er Jahre

Bella Italia (c) Bücherei St. Sophia/WW
Bella Italia
Datum:
Sa. 24. Jan. 2004
Von:
Willi Weiers

ERBACH.- Beiden wird etwas Besonderes: nachgesagt, elwas Unverwechselbares und Unvergängliches: Italien und die Zeit des beginnenden Wirtschafiswunders, der gewonnenen Fußballweltmeisterschaft und der „Wir sind wieder wer“-Stimmung, sprich die
50er Jahre. Zusammen bildeten sie Ausgangslage wie Thema einer kulinarisch-literarischen Reise, zu der die katholische öffentliche Bücherei St. Sophia seine 22 Gäste unter dem Motto „Bella Italia“ eingeladen hatte.

Eine Rückkehr in die Zeit, als bei Capri noch die Sonne unterging

Impressionen Bella Italia (c) Bücherei St. Sophia/WW
Impressionen Bella Italia

Das mit dem Hessischen Biblioihekspreis ausgezeichnete Team servierte vergangenen Samstag zur Begrüßung Martini und Orangina in den liebevoll in den-Farben Grün, Weiß und Rot dekorierten Räumen des Palais. Über die Monitore im Foyer huschten Bilder von vollschlanken Damen im Bikini, Urlaubsfotos vom Campingplatz am Gardasee und  strahlende Schönheiten mit Faltenrock oder im Blümchenkleid. Biblioiheksleiter Willi Weiers stimmte die Zeitreise an mit einem Blick in eine Tageszeitung vom 11. März 1957, in der Luis Trenker vom Sinn und Unsinn des Mountain-Climbens berichtete, der erste  Mikrowellenherd für 3,500 Mark als neue Haushaltshilfe angepriesen wurde und der  Calypso mit Harry Bellafontes „Banana boat" seinen Siegeszug antral.

Dass die Gäste vergessen hatten, Briketts mitzubringen wurde ihnen zwar verziehen, doch dafür gestaltete sich die erste Mahlzeit als bescheiden, dafür aberals historisch wertvoll. Die drei kleinen Gebäckfischlis galt es zu Ehren des Hauses „mit Andacht zu kauen.“

Auch die im Hintergrund trällernden Schlager waren noch nicht als Höhepunkt auszumachen. Von Mal zu Mal steigerte sich die Gaumenfreude, die eine erlesene Auswahl der italienischen Küche bei Vino und Auqua minerlae serviert bekam. Wie im Laufe der Fünfziger steigerte sich das Angebot, das zu jener Zeit eine regelrechte Fresswelle ausgelöst haben soll, wie Weiers berichtete. 3.000 Kalorien pro Deutscher am Tag waren Ausdruck des Zeitgefühls „Endlich wieder satt zu essen.“

 

Fein gedeckt (c) Bücherei St. Sophia/WW
Fein gedeckt

Im Jahre 2004 gab es Antipasti aus Ligurien, Piemont, Latium und Apulien, bestehend aus süß-sauren Möhren, Brotfladen mil Käse und mit Sardellen gefüllten Paprikaschoten mit  viel Petersilie. Paglia e fieno, zu Deutsch „Stroh und Heu“, aus der Toscana bildeten die 
zweite Vorspeise, die Kenner sofort als grüne Bandnudeln mit Sahnepilzsauce identifizierten. Als Secondi stand auf der Speisekarte Thunfisch mit Erbsen (Latium) und Kalbsröllchen mit einer Leberfarce und mit Feldsalat aus der Lombardei.

Zum Abschluss Dolci, bestehend aus echt italienischem Gelati und einer gebuckenen süßen Creme (Ligurien) und dem Südtiroler „Ertrunkenen Kapuziner“, dem Cappuccini affogati, wie das in einer Eiermasse gebackene Weißbroi mit Rosinen in Rotwein getränkt bezeichnenderweise heißt,

Für die literarische Unterhaltung zwischen den Gängen sorgte Willi Weiers mit Geschichten zu den Fotos von damals und Kurzgeschichten von Dieter Hildebrandt, Werner Finck, Hanns Dieter Hüsch, Dino Buzzati, Natalia Ginzburg, Ändrea Camilleri und Carlo M; i. Heinrich Lübkes Versprecher durften da nicht fehlen wie der Inbegriff der deutschen Spießigkeit am Beispiel eines Zollbeamten.

Doch viel zu wichtig war den Menschen das kleine Glück am Nierentisch, Pettiecoats und Tütenlampen, das bügelfreie Perlonhemd und die untergehende Sonne Capris: "Komm mit ans blaue Meer und wir tun so als ob das Leben eine Reise wär."