Eine lauschende Ballnacht

Kulinarisch-literarisch - das gesellschaftliche Ereignis

Eine lauschende Ballnacht (c) Bücherei St. Sophia/WW
Eine lauschende Ballnacht
Datum:
Di. 24. Jan. 2012
Von:
KÖB-Team
Wie eine Bücherei sich für einige Stunden als „Ballhaus Pompös“ anfühlt, durften am Samstag beim zur Tradition gewordenen kulinarisch-literarischen Abend rund 40 Gäste in der katholischen öffentlichen Bücherei St. Sophia in Erbach erleben. Die Doppeldeutigkeit des Mottos des Abends „eine lauschende Ballnacht“ reichte von den Benimmregeln beim Tanzen bis zu allerlei in Kugelform servierten Leckereien.
Alles Ball, auch die Speiseklarte ist im Ball (c) Willi Weiers (Ersteller: Willi Weiers)
Alles Ball, auch die Speiseklarte ist im Ball

Das mit dem Tanzen entpuppte sich allerdings als theoretischer Diskurs. So spannte Willi Weiers vom gastgebenden Bücheei-Team eingangs die tanzscheuen Gäste gute zwanzig Minuten mit einleitenden Worten und der Aufforderung auf die Folter, potenzielle Tanzpartner zu den Walzermelodien ausfindig zu machen. Bevor der erlösende Weg von der Bibliothek in den Saal frei gegeben wurde, gab er als erste literarische Empfehlung die kleine Balletikette nach Dick & Fitzgerald aus dem Jahre 1860 mit auf den Weg. Vertrauter hörten sich da schon Jürgen Klingsmanns Ratschläge („Die Fußball-Akademie“) zur beliebtesten Ballsportart an. Von nun an begleiteten Bälle und Kugeln aller Art das Geschehen. Waren es im Flur noch unzählige Luftballons, thronten von der Decke im Saal stellvertretend für die Planeten unseres Sonnensystems zehn riesige Kugellampen aus Reispapier.

Auch die Dekoration der festlich geschmückten Tafel fiel mit der bekannten Liebe fürs Detail mit Glaskugeln und kugelförmigen Kerzen gelungen aus. Dazwischen lockten allerlei Bälle und Kugeln für Ball- und ähnliche Spiele zum Zeitvertreib zwischen den literarischen Einlagen und den Gerichten. Ein Dutzend ehrenamtliche Bibliotheksmitarbeiterinnen verwöhnten die Besucher mit marinierten Oden-, Wasser- und Honigmelonenbällchen in altem Portwein, einer Gemüsecremesuppe mit Kräuternocken und zum Dessert mit einem Bratapfel mit Lebkucheneis mit Vanillesauce. Auch die Hauptgänge entpuppten sich als kugelrunde Sache: Bunte Nocken von Lachs und Zander auf Gemüseperlen sowie zu Bällen geformte Wirsingköpfchen, gefüllt mit Wildragout, dazu gebratene Gnocchi und karamellisierte Kürbisbällchen.

Planeten-Himmel (c) Bücherei St. Sophia/WW
Planeten-Himmel
 

Wer zwischen dem Lob auf die Küche den Worten des Moderators und den von ihm vorgetragenen Buchauszügen genau gelauscht hatte, hatte an der Vielzahl der Assoziationen seine Freude. Ob Balkan, Ballerina oder Michael Ballack, Balsamico oder Ball Paradox: Beim Ball der einsamen Herzen durfte auch Udo Lindenbergs Hommage an „Rudi Ratlos“ (1974) aus der LP „Ball Pompös“ nicht fehlen. Literarisch reichte die Palette von „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ (Julius Brammer, 1929) über die „Berliner Ballberichte“ (Kurt Tucholsky, 1932) bis zu „Der Spieler“ (Fjodor Michailowitsch Dostojewski, 1866). Gekonnt spielten Willi und Ursula Weiers den beliebten Dialog zwischen Karl Valentin und Liesl Karstadt nach, in dem bekanntlich die Geschlechter sich bis zum heutigen Tage in der korrekten Schreibweise von Semmel(n)knödeln nicht einig werden können.