99. Mittwochskonzert – „Klangzauber aus dem Moment“:Alexander Grün improvisiert in der Bonifatiuskirche Gießen

Es war ein Abend voller Überraschungen und musikalischer Abenteuerlust: Beim 99. Mittwochskonzert in der Bonifatiuskirche Gießen zeigte der junge Organist Alexander Grün (Bingen am Rhein), wie aus spontanen Ideen wahre Klangkunst entstehen kann. Unter dem Titel „Klänge ohne Vergangenheit – Die Kunst der Improvisation“ verzichtete er komplett auf vorgefertigte Noten – und schuf Musik einzig aus dem Moment heraus.
Das Besondere: Das Publikum durfte Themen vorschlagen, die Grün in seine Improvisationen einarbeitete. Die Bandbreite war beeindruckend – von Chorälen wie „Jesu bleibet meine Freude“, „Gott ist gegenwärtig“, „Aus tiefer Not“ oder „Allein Gott in der Höh“ über Volkslieder wie „Glückauf, der Steiger kommt“ und „Geh aus, mein Herz“ bis zu populären Melodien wie „Atemlos“, der Filmmusik zu „Fluch der Karibik“ oder Elgars festlichem „Pomp and Circumstance“. Selbst das Dialektlied „Sähste nedd die Säu im Goarde“ fand seinen Platz in dieser klingenden Reise.
Mit sicherem Gespür für Stil und Form führte Grün das Publikum durch barock inspirierte Präludien und Partiten, symphonische Variationen und tanzende Rhythmen. Die „Gießener Tänze“ – darunter Walzer, Rhumba, Jazz Waltz, Tango und Polka – machten die Orgelempore zur musikalischen Tanzfläche. Klanglich reichte die Palette von zarten, fast kammermusikalischen Momenten bis zum majestätischen Tutti der Eule-Orgel.
Ein besonderer Höhepunkt war die Suite im Stil Maurice Ravels, die französische Eleganz und rhythmische Raffinesse verband. Das Menuet espressif schwebte leicht und melancholisch, bevor die abschließende Toccata in einem energiegeladenen Finale mündete.
Das Publikum dankte mit langem Applaus – und bekam noch eine Zugabe geschenkt: eine kurze, charmante Miniatur, verspielt und tief zugleich, die den Abend mit einem musikalischen Lächeln beschloss.
Ein Konzert, das zeigte, wie lebendig, frei und berührend Improvisation sein kann – und das sicher noch lange in Erinnerung bleiben wird.