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100. Mittwochskonzert zum 10. Jahrestag der Eule-Orgel:Ein „Recital D’orgue – Orgelkonzert“ in seiner reinsten Form dargeboten von Thomas Ospital

Thomas Ospital an der Eule-Orgel
Datum:
10. Sept. 2025
Von:
Bruno Bellinger

Das 100. Mittwochskonzert an der Eule-Orgel in der St. Bonifatiuskirche nahm den ersten runden Geburtstag (10 Jahre) zum Anlass, ein ganz besonderes Programm mit dem Organisten Thomas Ospital zu bieten.

Thomas Ospital, geboren 1990, hat sich in kurzer Zeit einen Namen als einer der herausragendsten Organisten der Gegenwart gemacht. Der aus Frankreich stammende Musiker ist besonders für seine faszinierenden Improvisationen bekannt – ein Erbe, das in der französischen Orgelschule seit Generationen gepflegt und weitergegeben wird. Ospitals Spiel besticht durch technische Brillanz, poetische Fantasie und den Mut, die Ausdrucksmöglichkeiten seines Instruments immer wieder neu auszuloten.

Bevor Ospital seine Improvisationskunst am Ende des Konzertes darbot, spielte er Werke von drei großen französischen Komponisten.

César Franck, Komponist, Organist und Pädagoge, geboren in Belgien und später französischer Staatsbürger, zählt zu den prägendsten Persönlichkeiten der romantischen Musik, insbesondere im Bereich der Orgelmusik. Das „Final“ bildet den Abschluss seines berühmten Zyklus’ von sechs Orgelstücken, die zwischen 1860 und 1862 entstanden. Es ist ein brillantes, triumphales und festliches Werk, geprägt von energiegeladener, kontrastreicher Schreibweise. Die Struktur ist jener einer Rondo-Sonate ähnlich, typisch für die Spätromantik, mit abwechselnden Hauptthemen und kontrastierenden Episoden, kunstvoll durch Überleitungen verbunden. Ospital zeigte in diesem Stück nicht nur Virtuosität und physische Ausdauer, sondern auch ein feines Gespür für dynamische Nuancen und Artikulation. Er verstand es, die verschiedenen Stimmen auszubalancieren, Hauptmelodien hervorzuheben, kontrastierende Episoden farbig zu gestalten und während der etwa achtminütigen Dauer des Stückes, einen klaren strukturellen und rhythmischen Fluss zu bewahren.

Es folgten zwei Stücke von Jehan Allain. Das erste Werk, im Original „Variations sur un thème de Clément Jannequin“, wurde 1937 für Orgel komponiert. Alain wählte als Thema ein Chanson aus der Renaissance („L’espoir que j’ai“ von Clément Jannequin) und schuf daraus eine Reihe origineller Variationen. Die Musik verbindet traditionelle französische Orgelkunst mit modernen Harmonien und überraschenden Klangfarben. „Litanies“ ist eines der bekanntesten Werke von Jehan Alain und entstand ebenfalls 1937. Der Komponist schrieb dazu: „Wenn der christliche Mensch keine Worte mehr findet, um sein Leid auszudrücken, dann wiederholt er immer dieselbe Melodie in beständiger und brennender Hoffnung.“ Das Stück ist von einem durchgehenden Rhythmus und großer Emotionalität geprägt und verlangt von dem Interpreten höchste Konzentration und Ausdruckskraft, welches Ospital meisterlich beherrschte.

Das Konzert konnten die Zuhörer auf einer Leinwand verfolgen.

Charles Marie Widors „Fünfte Symphonie“ besteht aus fünf Sätzen und dauert etwa 40 Minuten. Sie ist ein abwechslungsreiches, farbenreiches Werk, das die ganze Bandbreite der Orgel entfaltet. Der eröffnende Satz (Allegro Vivace) ist energisch und voller Kontraste. Er beginnt mit markanten Akkorden, denen rhythmisch bewegte Motive folgen. Der Satz lebt von einer ständigen Steigerung und großem dynamischen Spiel. Im 2. Satz (Allegro cantabile ) dominiert ein gesanglicher Stil, getragen von einer lyrischen Melodie. Die Orgel klingt beinahe wie ein Orchester, ihre Register entfalten eine warme, romantische Atmosphäre. Die fließenden Linien und der weiche Rhythmus laden zum Träumen ein. Der dritte Satz (Andantino quasi allegretto) ist ein ruhiger, eleganter Satz, der durch sein graziles Motiv und subtile Harmonien besticht. Die Musik entwickelt sich sanft, bleibt aber stets in Bewegung und lässt die Zuhörer*innen in eine duftige Klangwelt eintauchen. Es folgt im 4. Satz (Adagio) ein langsamer Satz, der quasi das emotionale Zentrum der Symphonie bildet. Breite Akkorde und tiefe Register schaffen eine meditative Stimmung, manchmal melancholisch, aber stets mit Hoffnung durchdrungen. Der letzte Satz, eine Toccata, ist weltberühmt und wird oft als eigenständiges Werk gespielt. Mit seinem rasenden Bewegungsdrang, den schnellen, durchlaufenden Sechzehntelnoten und den triumphalen Akkorden ist die Toccata das perfekte Finale. Sie fordert vom Interpreten höchste Virtuosität und technische Präzision, welches Ospital mit großem Können meisterte. Die Musik erstrahlt in festlicher Freude und ist der perfekte Schluss eines wunderbaren Konzertes zu einem festlichen Anlass. An dieser Stelle ließ sich das sehr konzentrierte und begeisterte Publikum nicht mehr abhalten, brausenden Applaus zu spenden.

Aber Ospital brachte noch eine Steigerung mit einer seiner Improvisationen, die für ihre Balance zwischen Spontaneität und architektonischer Klarheit berühmt sind. Für ihn ist Improvisation kein willkürliches Experimentieren, sondern ein Dialog mit der Tradition. Ob Präludium, Toccata oder Symphoniesatz – Ospital greift auf bewährte Formen und harmonische Idiome zurück und verbindet sie mit eigener Kreativität. Seine Kunst führt vor Augen, dass Musik eine Sprache der ständigen Erneuerung ist und die Orgel zu ihren eindrucksvollsten Stimmen zählt. Davon konnten sich die überwältigend zahlreich erschienen Zuhörer*innen in beeindruckender Weise überzeugen und wurden so Zeugen eines wunderbaren Konzertabends.

Nach dem Schlussapplaus, stehend und mit frenetischen Rufen begleitet, gab der junge Künstler noch eine kleine Zugabe, ein Geburtstagsständchen an die Orgel, die an diesem Abend durch den brillanten Organisten im hellsten Licht erstrahlen konnte.