Schmuckband Kreuzgang

Impuls zu Karfreitag

210402b Jesus am Kreuz (c) Jesus am Kreuz
210402b Jesus am Kreuz
Datum:
Fr. 2. Apr. 2021
Von:
Edith Wanka

Jesus am Kreuz

Die Evangelisten Matthäus und Markus überliefern uns, Jesus sei nach dem lauten Ruf „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ gestorben; da-nach sei der Vorhang des Tempels von oben bis unten mitten entzweigerissen. Auf diese Situation lenkt das letzte Bild von Sieger Köder unseren Blick:

In der Mitte der geschundene, blutüber-strömte Leib des Gekreuzigten, der den Todesschrei noch auf den Lippen hat. Sein Haupt hängt nicht auf die Brust her-ab, sondern ist - wie der ganze Körper - nach oben gereckt und taucht schon hin-ein in die Finsternis des Todes.

Um die Hüften des Gekreuzigten ist kein Lendentuch gewunden, sondern es sind brutale Stricke, die sich über„kreuzen“. Sie erinnern an die 1. Station, wo solche Stricke die Hände Jesu fesselten; hier umschlingen sie die Mitte des Körpers und machen deutlich: Jesus ist festge-bunden, „angenagelt“ an das Kreuz, das selbst nicht sichtbar ist und nur in den gekreuzten Stricken angedeutet wird.

Unter dem Kreuz stehen der Lieblings-jünger Johannes, die Mutter Jesu und Maria von Magdala: jene Menschen, die ihm am nächsten standen. Sie teilen sei-nen Schmerz und sind seine „Sterbe-begleiter“ - je auf ihre Weise: Johannes mit gerungenen, betenden Händen und Maria im grünen Gewand mit Trauerflor blicken auf den Gekreuzigten; Maria von Magdala im roten Gewand der Liebe ist ganz versunken und verstummt in Schmerz und Leid.

Links und rechts im Bild erblicken wir den zerrissenen Vorhang des Tempels, der vom Künstler pergamentartig gestaltet wurde - als Hinweis auf die pergamentenen Schriftrollen des Alten Bun-des: dieser muss nun dem Neuen Bund weichen, der mit dem „Blut des Lammes“ besiegelt wurde. Auf der „zerrissenen Buchrolle“ ist der hebräische Text jenes Psalmverses zu lesen, den Jesus in seinem Sterben betend hinausschrie: „Eli, Eli lema sabachtani?“

Die Bedeutung des zerrissenen Vorhanges im Tempel ist vielfältig interpretiert worden. Beim Be-trachten dieses Bildes wird jedenfalls deutlich: wie der zerreißende innere Vorhang des Tempels den Blick auf das verborgene Innerste des Heiligtums öffnet, so eröffnet sich im Kreuzestod Jesu den Augen des Glaubens das verborgene Geheimnis der Liebe Gottes. Was von vielen als Torheit oder Ärgernis verkannt wird, erschließt sich den Glaubenden als Sieg der göttlichen Liebe, die genau da ihre ganze schöpferische Macht entfaltet, wo menschliches Können und Wollen seine äußerste Ohnmacht erleidet.

Und noch eines wird deutlich: die Kreuzigungsgruppe befindet sich vom Betrachter her „draußen“, hinter dem zerrissenen Vorhang jenes Gesetzes, nach dem Jesus sterben musste. Der Betrachter steht noch „innerhalb“, muss den Schritt aus der Gefangenschaft des papierenen Gesetzes hinaus noch tun, den Schritt in die Freiheit der törichten Liebe, der immer auch ein Schritt unter das Kreuz ist. Aber der Blick ist schon frei auf den, der vor den Mauern der Stadt aus Liebe zu uns gestorben ist - und auf jene, die dieser Liebe mit-leidend in sich Raum gegeben haben.