Schmuckband Kreuzgang

Impuls zur Fastenzeit

Wo Schatten ist, da ist auch Licht!

Gegensätze_Fotos von Jurgita Aniunaite-Ott (c) Jurgita Aniunaite-Ott
Gegensätze_Fotos von Jurgita Aniunaite-Ott
Datum:
Sa. 17. Feb. 2024
Von:
Jurgita Aniunaite-Ott

Liebe Gemeinde,

in den Lesungen des ersten Fastensonntags werden wir wieder einmal daran erinnert, wie nah sich manchmal im Leben Verheißung und Versuchung sind. Licht und Schatten gehören zusammen und jedes Ende ist oft auch ein neuer Anfang. Für einige jedoch ist ein Ende wirklich ein Ende, für andere - ein Weiter, ein Anders-Weiter.

Die Erschaffung unserer Welt, der Anfang also, wird in der Bibel nur drei Seiten vor der zerstörenden Sintflut beschrieben, nach der Flut folgt wieder ein Anfang. Die große Versuchung Jesu in der Wüste kommt im Evangelium direkt nach seiner Taufe und der Verheißung aus dem Himmel: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“ (Mk. 1, 11). Die österliche Freude kommt unmittelbar nach dem schmerzlichen Tod Jesu. So verspricht uns auch die Fastenzeit am Ende einen neuen Anfang.

 

Das Leben ist voller großer und kleiner Gegensätze, die sich manchmal sehr schnell die Hände reichen. Vor einigen Tagen war jemand noch am Leben und heute kommt die Todesanzeige.

Da hat sich jemand vorgenommen achtsamer mit seinen Worten umzugehen und schon morgen wird er seinen Nächsten mit Worten verletzen. Scheinbar aus dem Nichts prallt irgendwo der Hausfrieden an die Wand der Unversöhnlichkeit. Gerade haben wir noch in der Kirche beseelt gesungen und nach einer Stunde - ein Streit am Mittagstisch, oder vielleicht schon im Auto auf dem Heimweg?

 

Diese Dichte der Gegensätze des Erlebten im eigenen Leben bringt heute vielleicht auch uns ins Wanken. Wir lesen die Nachrichten, nehmen wahr, was in uns und um uns passiert, und vielleicht stößt unsere Hoffnung an ihre Grenzen. Bei allem, was geschieht, stelle ich mir manchmal eine große ausgestreckte Hand, die aus dem Wenigen, was da ist, aus dem Zerbrochenen und Schwachen, das sie auffängt, etwas Gutes entstehen lässt.

Neulich habe ich meine Fotos sortiert und auch einen starken Gegensatz gefunden: Am 25. Januar liegt meine Tochter glücklich im weißen Schnee und macht einen Schneeengel. Das darauf folgende Foto in Handy zeigt den überfluteten Hirschgraben. Einen Tag danach fegen wir den braunen Schlamm aus der Marienkirche. Der schöne Schnee und der viele Regen verwandelten sich in eine braune Flut und brachten am 29. Januar 2021 so viel Zerstörung nach Büdingen. In der Lesung am Anfang der Fastenzeit finden wir ein Versprechen: „… nie wieder soll eine Flut kommen und die Erde verderben. ...“(Gen. 9, 11). Drei mal kommt dieses „nie wieder“ in der Lesung vor. Im Sommer 2021 folgte die Katastrophe im Ahrtal. Für so viele - ein wahrer Weltuntergang. Einige erlebten somit ein Ende ihrer Partnerschaft oder des vorherigen Lebens, andere haben irgendwie weiter gemacht und noch andere wiederum, haben vielleicht auch wirklich einen neuen Anfang gewagt. Und wie tröstend ist es zu wissen für alle, dass Naturkatastrophen kein Zeichen des strafenden Gottes sind, denn Seine Güte steht über dem weltlichen Geschehen.

Wo stößt gerade Ihr Glaube an seine Grenzen?

Wo erleben Sie gerade ein Ende?                                                               

Wo fangen Sie gerade neu an?

Wo erkennt Ihre Hoffnung das Unmögliche und wird zur Akzeptanz? Oder zur Versöhnung?

Mit sich selbst und mit den Anderen?

 

Mit diesen Fragen laden wir Sie ein, die Fastenzeit bewusst zu erleben. Dann finden wir in unseren Schwächen und in den Schwächen anderer auch Stärken, denn wo Schatten ist, da ist auch Licht. 

Jurgita Aniunaite-Ott, Februar 2024