Gedanken zum Fronleichnamsfest
Beim jüdischen Pessachfest ist es uralte Tradition, dass der Jüngste in der Runde zu Beginn des Mahles fragt, warum diese Nacht so anders sei als alle anderen Nächte. Die Antwort des Festes ist, dass alle, die am Tisch sitzen, mit auf dem Weg durch das Rote Meer und so mitten im eigentlichen Heilsgeschehen dabei sind. Als Christen glauben wir, dass wir in der Feier des Festes die Gegenwart Gottes spüren. In vielen Zeichen wird deutlich: Gott ist gegenwärtig. In seinem Wort, in den Zeichen von Brot und Wein, in der versammelten Gemeinschaft. Gott ist gegenwärtig in seiner Schöpfung und umhüllt uns von allen Seiten. Wir können nicht aus der Gegenwart Gottes herausfallen.
Das macht deutlich, dass es keine qualitativ unterschiedlichen und keine quantitativen Formen seiner Gegenwart unter uns Menschen gibt. Gott ist gegenwärtig! Als Menschen versuchen wir uns das vorzustellen, uns Bilder davon zu machen und in äußeren Zeichen damit umgehen zu können. Manchmal geraten uns dabei auch eigentlich selbstverständliche Wirklichkeiten aus dem Blick. Etwa in der Feier der Liturgie, wenn wir dazu neigen, in den Zeichen von Brot und Wein "mehr" Gegenwart Gottes erleben zu können als im Hören des Wortes Gottes, in dem ja, nach unserer uralten Glaubenserfahrung, Gott selbst zu uns spricht.
In der Feier der Liturgie werden diese Aspekte der Gegenwart Gottes noch einmal deutlicher, etwa in der Verehrung des Altars mit dem Altarkuss zu Beginn des Gottesdienstes, der Beräucherung mit Weihrauch des Altars, aber auch des Kreuzes und in der Osterzeit auch der Osterkerze. Darüber hinaus gibt es die Beräucherung und den Kuss des Evangeliars und schließlich nach der Gabenbereitung die Beräucherung der Gemeinde. Der lateinische Begriff dafür lautet: Inzens, inzensieren.
Das Zweite Vatikanische Konzil hat ausdrücklich betont, dass es sich in der Feier der Eucharistie um ein Opfer- und eine Mahlfeier gleichermaßen handelt. Der Altar sollte deshalb in die Mitte gestellt werden, umschreitbar sein und so eine gute Verbindung zwischen Opferaltar und Altar für die Mahlfeier möglich zu machen. Dazu gehört auch, dass der Altar zur Eucharistiefeier aufgedeckt wird und am Ende auch wieder abgedeckt wird. Die Einführung in das Messbuch von 1970 verweist ausdrücklich darauf. Der Altar soll außerhalb der Eucharistiefeier frei bleiben von Blumen und Kerzen. Darüber besteht die Ausstattung eines Altarraumes nach der Neuordnung der Liturgie im Anschluss an das Konzil ausschließlich aus dem Zelebrationsaltar, dem Ambo für die Verkündigung des Wortes Gottes, dem Priestersitz, dem Osterleuchter (während der Osterzeit) und dem Vortragekreuz. Hier greift das Konzil und seine Reform auf uralte Traditionen in der Kirche zurück. Die Verwendung des Vortragekreuzes beim Ein- und Auszug im Gottesdienst ist geprägt von der Verwendung der Standarte im römischen Militär, die sicher stellen sollte, dass die Soldaten während der Kämpfe ihre Orientierung nicht verlieren. Die, die zum Einzug zum Gottesdienst unterwegs sind, sollen ihre Orientierung nicht verlieren, deshalb trägt der Ministrant das Kreuz zu den liturgischen Diensten.
In diesen Tagen habe ich im Abschlussgespräch zu den Exerzitien im Alltag zu solchen Fragen Stellung genommen. Eine Äußerung bewegt mich, weil sie deutlich macht, welchen Gefahren wir in der Deutung liturgischen Geschehens begegnen können. Die Äußerung lautete: "Wir könnten doch das ewige Licht in der Kirche mit der LED-Technik Ressourcen schonender gegen die brennenden Ölkerzen ersetzen." Selbstverständlich könnte dies Resourcen schonender sein. Würde aber doch an der eigentlichen Intention "stangerlgrad", wie die Bayern sagen würden, vorbeigehen. Geht es doch bei dem Zeichen des ewigen Lichtes um etwas Lebendiges. Gottes Gegenwart soll angezeigt werden. Gottes Gegenwart im Zeichen des Brotes. In manchem liturgisch gestalteten Tabernakel befindet sich hier auch ein Platz für die Ablage des Evangeliars.
Die Liturgie ist dann gut verständlich, wenn die einzelnen Elemente in großer Klarheit Verwendung finden. Es mag praktisch sein, das Kabel des Mikrophons am Altar fest zu kleben, es mag praktisch Wachsflecken verhindern, wenn unter den Kerzen Plastikfolien liegen. Vielleicht mag es auch Ressourcen schonender sein, wenn das Altartuch über Jahre auf dem Altar liegt. Und dennoch braucht Liturgie Ordnung. Dazu gehört auch, dass Sakristeien zwar Vorbereitungsräume für die Liturgie sind, sie dürfen aber nicht zu Rumpelkammern verkommen.
Es geht hier nicht um eine vollständige Vorstellung von Liturgie und ihren Regeln. Mir ist es ein Anliegen, ein Gefühl dafür zu entwickeln, dass es eine "liturgische Ordnung" braucht, die nicht allgemein praktischen Vollzügen zum Opfer fallen darf. "Liturgische Ordnung" ist dabei Hilfe im Vollzug der Feier der Liturgie, der Gestaltung der Räume und liturgischen Orte. Sie dient dem Verständnis dessen, was sich hier vollzieht.
Grundlegend für all die vorgetragenen Gedanken ist, dass Gottes Gegenwart gefeiert wird in allem, ungebrochen, nicht gestuft, sondern einfach geschenkt. Gott schenkt uns seine Gegenwart und umhüllt uns mit seiner alles umhüllenden Gnade, der wir uns in der Feier der Liturgie öffnen können.
Stefan Barton, Pfr.