(Verfasser: Arnold Spruck, Redaktion: Pfr. Sievers)
Nur wenig wissen wir aus dem frühen Mittelalter über die Niddaer Kirchengeschichte. Nach der Überlieferung soll der Hl. Bonifatius in unserem Raum missioniert haben, doch man kann davon ausgehen, dass während seiner Tätigkeit das obere Niddatal schon christianisiert war, entweder durch die fränkische Reichskirche oder durch das Wirken iro-schottischer Mönche, die in Schotten einen Stützpunkt hatten..
Nidda gehörte von Anfang an zur Mainzer Diözese, und hier zum Archidiakonat Sancta Maria ad Gradus. Über die Grafschaft Nidda übten die Äbte von Fulda die Lehenshoheit aus.
Nach einer Urkunde aus dem Jahr 1187 übergab Graf Berthold I. von Nidda die Pfarrei Nidda mit den Kirchen in Eichelsdorf und Rechelshausen (bei Unter-Schmitten) dem Johanniter-Orden. Einige Jahre später errichtete der Orden eine weitere Kirche in Unter-Lais. 1493 wurde auch die Pfarrei Wallernhausen dem Johanniter-Orden übertragen. Das Schulwesen in Nidda wurde von den Johannitern betreut. Der Reformationstheologe und Liederdichter Erasmus Alberus (1500-1553) berichtete über seine Niddaer Schulzeit. Weitere Pfarreien, die von den Johannitern unabhängig waren, bestanden vor der Reformation im heutigen Stadtgebiet in Ober-Widdersheim, Schwickartshausen und Ulfa. Die Pfarrkirche von Geiß-Nidda war gleichzeitig Wallfahrtskirche.
Nach dem Aussterben der Grafen von Ziegenhain und Nidda fiel Nidda 1450 an die Landgrafen von Hessen. Als Landgraf Philipp 1526 in Hessen die Reformation einführte, fand er in den Niddaer Johannitern willige Helfer. Schon im selben Jahr wurde der Niddaer Johanniter-Geistliche Johannes Pistorius d.Ä. (1504-1583) erster evangelischer Pfarrer von Nidda. Als Berater des Landgrafen, Mitarbeiter Melalanchthons, Superintendent von Alsfeld, Teilnehmer an den Religionsgesprächen von Hagenau und Worms und am Reichstag in Regensburg von 1641 spielte er eine bedeutende Rolle in der Reformationsgeschichte
Bei diesen Auseinandersetzungen traf Pistorius auf einen Niddaer Landsmann, den Dominikanerpater Ambrosius Pelargus (1493-1561) als Vertreter der katholischen Seite. Dieser, aus der Niddaer Bürgerfamilie Stork stammend, war in das Dominikanerkloster in Frankfurt eingetreten, wurde Prediger an der Klosterkirche in Basel, Doktor der Theologie in Freiburg, Briefpartner des Erasmus von Rotterdam und schließlich Theologieprofessor an der Universität Trier. Als Vertreter des Trierer Erzbischofs nahm er 1546/47 und 1551/52 am Konzil von Trient und 1547 am Augsburger Reichstag teil. Mehrere Konzilsdekrete wurden durch ihn entscheidend beeinflusst. Ein weiterer bedeutender katholischer Theologe der Reformationszeit war Johannes Pistorius d.J. (1546-1608). Der Sohn des Niddaer Reformators war 1588 konvertiert und 1591 Generalvikar des Bischofs von Konstanz geworden. Im Jahr 1600 wurde er an den Hof Kaiser Rudolfs II. nach Prag berufen. Dort wurde er Beichtvater des Kaisers, kaiserlicher Rat und Dompropst von Breslau. Er verfasste mehrere historische und theologische Werke
1585 verkaufte der Johanniter-Orden seine Niddaer Besitzungen an den Landgrafen von Hessen-Marburg. Nachdem 1618 die Protestanten ihre Stadtkirche “Zum Heiligen Geist” einweihen konnten, ließ man die Johanniter-Kirche verfallen. Nur der Kirchturm von 1491 blieb als freistehender Glockenturm erhalten und zeugt bis heute von der Präsenz des Ordens in Nidda.
Für die wenigen versprengten Katholiken im oberen Niddatal war ab 1714 die Missionsstation in Ober-Mockstadt zuständig. Schon im 10. Jahrhundert war dort das Kollegiatstift St. Donatus gegründet worden, das mit umfangreichem Landbesitz ausgestattet war. Dieser Besitz blieb dem Stift erhalten, obwohl die letzten Kanoniker 1580 aus dem evangelischen Ort in das Frankfurter Leonhardsstift umzogen. Von dort aus kämpfte man um das Recht der Kirchennutzung in Ober-Mockstadt. 1714 wurde im Chor der Dorfkirche wieder die Messe gelesen und der Ilbenstädter Prämonstratenser-Mönch Otto Wallau konnte sich als Missionar niederlassen. Als 1805 im Zuge der Säkularisation das Frankfurter Leonhardstift und damit auch das Mockstädter Stift aufgehoben wurde, siedelte der damalige Missionar Pater Allendörfer samt seiner Missionsaufgabe in das ebenfalls aufgehobene Zisterzienserinnenkloster Engelthal bei Altenstadt über. Die kirchliche Zuständigkeit lag jetzt beim erzbischöflichen Generalvikariat in Aschaffenburg.
Nach der Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse in Südwestdeutschland 1821 und der Errichtung des Bistums Mainz wurde dem Engelthaler Pfarrer Johann Georg Stumpf die Zuständigkeit für die Kreise Büdingen und Nidda übertragen. In die Kreisstadt Nidda des seit 1815 konfessionell gemischten Großherzogtums Hessen-Darmstadt wurden jetzt hin und wieder katholische Beamte versetzt, so der verdiente Kreisrat Joseph Seitz von 1832 bis 1848. Neben den Behördenbediensteten war der Ausbau Niddas als Bahnknotenpunkt und die Zuwanderung von Industriearbeitern ausschlaggebend für eine wachsende Katholikenzahl. So wurde erstmals seit der Reformation am 2. Weihnachtsfeiertag 1885 in einer Arbeiterwohnung in Ober-Schmitten vom Gießener Kaplan Georg Fischer die Heilige Messe gelesen. 1893 hielt der Offenbacher Kaplan Johann Joseph Thomas den ersten katholischen Gottesdienst in Nidda selbst, in einem Handwerkerhaus in der Raun.
1895 wurde durch Bischof Haffner die Pfarrkuratie Nidda-Büdingen errichtet. Pfarrer war bis 1898 Michael Fickel. Sein Nachfolger Adam Ihm (1898-1904) verlegte seinen Wohnsitz nach Büdingen, "weil es dort mehr Katholiken gab" (155 gegenüber 88). Am 13. Juli 1902 konnte Domkapitular Jakob Blankenberger eine kleine Kirche benedizieren, die nach Plänen des Mainzer Architekten August Greifzu errichtet wurde und 18.000 Mark gekostet hatte.
Pfarrer von Büdingen-Nidda waren nach Adam Ihm
1923 wurde die Pfarrei geteilt und die Pfarrkuratie Nidda, die nun Teile des Kreises Büdingen und den größten Teil des Kreises Schotten umfasste, bekam mit Franz Gondolf einen eigenen Geistlichen. Er konnte 1925 das heute noch bestehende Pfarrhaus errichten. Sein Nachfolger wurde 1932 Rudolf Werner Smets, der 1939 als Wehrmachtspfarrer in den Krieg zog. Nach einigen Übergangslösungen wurde 1941 Dr. Hermann Volk Pfarrer von Nidda. Er hatte in schwierigen Kriegsjahren eine weit ausgedehnte Pfarrei zu betreuen, die durch stationierte Soldaten, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, Evakuierte und Umsiedler ständig an Seelenzahl wuchs. Dr. Volk richtete regelmäßige Gottesdienste in Schotten, Ulrichstein, Echzell und Ranstadt ein. 1946 wurde Dr. Volk als Dogmatik-Professor nach Münster berufen, 1962 bis 1982 war er Bischof von Mainz, 1973 wurde er Kardinal.
Volks Nachfolger in Nidda wurde Jakob Georgen. Er hatte die religiöse Betreuung von ca. 10.000 Heimatvertriebenen, vorwiegend aus dem Sudetenland, aber auch aus Schlesien und Jugoslawien, zu organisieren.
Dies gelang durch die Errichtung von 8 Lokalkaplaneien mit heimatvertriebenen Geistlichen : Schotten, Echzell, Ranstadt, Ulrichstein, Ober-Schmitten, Sellnrod, Eschenrod und Ober-Lais. Die drei letztgenannten wurden nach Abwanderung eines Großteils der Vertriebenen wieder aufgelöst, in den anderen Gemeinden wurden zwischen 1952 und 1957 Kirchen gebaut und sie zu „Pfarr-Rektoraten“ und „Pfarr-Kuratien“ erhoben.
Sein Nachfolger Hans Brantzen, 1950 bis 1958 Pfarrer von Nidda, hatte mehr als drei Jahre im KZ Dachau hinter sich. Er widmete sich in Nidda mit großem Elan dem Bau einer größeren Kirche, der 1952 die kleine Kapelle weichen musste. Am 1. Mai 1954 konnte Bischof Dr. Albert Stohr die vom Mainzer Architekten Hugo Becker geplante Liebfrauen-Kirche einweihen.
Die Pfarrer der letzten fünfzig Jahre sind
Von 1945 bis 1968 wurde die Arbeit der Niddaer Pfarrer von Kaplänen unterstützt. Von 1959 bis 1962 war Dr. Karl Josef Rauber Kaplan bei Pfarrer Blüm. Dr. Rauber ging nach seiner Kaplanszeit in Nidda nach Rom, wurde dort im diplomatischen Dienst tätig und ist seit 2003 päpstlicher Nuntius in Belgien und Luxemburg.
Seit 1893 wird in Nidda wieder katholischer Religionsunterricht erteilt, teils von Laien, teils von Geistlichen. Als Religionslehrer am Gymnasium Nidda wirkte 1981/82 Dr. Gerhard Ludwig Müller, seit 2002 Bischof von Regensburg.
Neben zahlreichen Geistlichen aus vorreformatorischer Zeit kommen aus der Pfarrei zwei Priester, der Franziskanerpater Kunibert (Helmut) Jendroszek, geboren 1937 in Nidda, und der Diözesanvertriebenenseelsorger Geistlicher Rat Dr. Wolfgang Stingl, geboren 1944 in Eger.
Wer mehr wissen will, dem sei empfohlen:
Arnold Spruck: Wurzeln und Wege - Katholiken und ihre Kirche in Nidda, Heft 8 der Niddaer Geschichtsblätter, Nidda 2003.