Schmuckband Kreuzgang

Das Christkind im Feldpostpaket

Ein Weihnachtsgeheimnis?

Das Christkind im Feldpostpaket (c) H Plaha
Das Christkind im Feldpostpaket
Datum:
Sa. 17. Dez. 2022
Von:
Helmut Plaha

„Es ist vielleicht drei Jahre her, wir waren gerade mitten im Arbeitseinsatz an der Kirche, da kam eine ältere Frau auf das Gelände und drückte mir eine Plastiktüte in die Hand. Sie hätte die Sachen zuhause gefunden und meinte, hier wären sie richtig aufgehoben.“

So erinnert sich Gabriel Bernhard, unser umtriebiger „Liegenschaftsmanager“ an diese Szene. Was die Dame – Bernhard schätzt sie in zwischen 70 und 80 Jahre – geliefert hatte, konnte er erst nach dem Einsatz inspizieren. Der Beutel enthielt ein Paar blaue Damenhandschuhe, eine Herrenmütze und eine Strickmütze. Und eine etwa handtellergroßen alte Pappschachtel; darin befand sich liebevoll eingewickelt eine Christkindfigur. Die Kleidungsstücke wurden, da sich niemand dafür erwärmen wollte, in den Altkleidercontainer gegeben. Den Karton deponierte Bernhard oben im Pfarrheim.

Es war im letzten Jahr, kurz vor Weihnachten, beim alljährlichen Arbeitseinsatz mit Christbaumaufstellen und -schmücken. Zeitgleich wird die Krippe in der rechten Seite unserer Kirche geöffnet, gereinigt und mit Figuren versehen. Diese waren kurz zuvor inspiziert worden und: Oh weh – vom Jesuskind aus Gips war der Kopf abgebrochen! Da erinnerte sich Bernhard an die anonyme Gabe und schlug das Christkind aus der Box als Ersatz vor. Und siehe da: es passte von Größe und Aussehen exakt! Nicole Bauer, unsere Universal-Restauratorin, nahm das Zwillingspaar mit nach Hause, um es zu versorgen. Fachgerecht vereinte sie zuerst Kopf und Körper des Originalkindes wieder so, dass man vom „Unfall“ überhaupt nichts mehr erkennt. Dem vergilbten Findelkind liess sie eine Auffrischung angedeihen – mit seinem blonden Haar und den blauen Augen mutet es zwar nicht unbedingt orientalisch an, aber das tun die Hirten in unserer Krippe halt auch nicht. Das Findelkind sieht jetzt einfach entzückend aus und fühlt sich in seiner Rolle als Ersatz-Jesus anscheinend so wohl wie der Mops im Krippenstroh.

Nachdem Nicole das erneuerte Kind dem Bernhard zurückgegeben hatte, zeigte er es während des Arbeitseinsatzes herum. Als ich den Karton in die Hand nahm und ihn näher betrachtete, stockte mir fast der Atem: Es war ein Feldpostpaket, das an den Obergefreiten Ph. Keller adressiert war! Es muss also jemand im Zweiten Weltkrieg damit etwas an unseren nachmaligen ersten Pfarrer im Krieg geschickt haben. Sicher hat es seine Bewandtnis damit, dass er dieses Paket mit nach Rüsselsheim gebracht hat. Was ursprünglich enthalten war, wo es die ganzen Jahre verblieben ist und wie die Jesusfigur dort hineinkommt, bleibt ein Rätsel!

Pfarrer Keller hat vor dem Bau des Pfarrhauses bei der Familie Schreiner in der Hochheimer Straße (damals Astheimer Straße) gegenüber von Jürgen Kreickemeier gewohnt. Der kannte den Pfarrer Keller sehr gut, weil dieser ihn „tatkräftig“ beim Üben seiner Englisch-Vokabeln unterstützt hatte. Beim Umzug in das fertige Pfarrhaus hat Jürgen sich natürlich revanchiert und mitgeholfen. Er kann sich aber nicht erinnern, solch ein Paket im Besitz vom Pfarrer gesehen zu haben. Auch die Nichte von Pfarrer Keller, zu der Jürgen Kreickemeier heute noch Kontakt hat, kann nichts zur Lösung der Herkunft beitragen.

Die diesjährige, durch Krieg und Pandemie für uns unsicher anmutende Vorweihnachtszeit, erschien mir gerade der richtige Zeitpunkt, diese Geschichte zu veröffentlichen. Sicher war das Feldpostpaket für den Soldaten Keller mitten im mörderischen Krieg ein Zeichen, dass jemand an ihn denkt - verbunden mit der Hoffnung auf einen baldigen Frieden. Mir jedenfalls klingt die Botschaft des Engels im Ohr, der zu den Hirten, die in wirklich unsicheren Zeiten lebten, sprach: „Fürchtet Euch nicht … denn Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der HERR!“

Und noch ein Tipp: Betrachten Sie in der Weihnachtszeit unsere Krippe mal genauer - auch das Original strahlt den Frieden aus!

Notabene: Nachdem Pfarrer Keller nicht mehr gegenüber der Familie Kreickemeier wohnte, sollen die Englischleistungen des Knaben Jürgen auch nicht mehr so lobenswert gewesen sein...