Schmuckband Kreuzgang

Der Frühschoppen - eine Erfolgsgeschichte

Ein halbes Jahrhundert im Pfarrsaal

Bernhard (links) und Georg in ihrem Reich (c) H. Plaha
Bernhard (links) und Georg in ihrem Reich
Datum:
So. 7. Juli 2024
Von:
Helmut Plaha

Unser Angebot

Gehen wir doch noch mal in den Keller!“ Der Frühschoppen öffnet jeden Sonntag nach der Messe von 11 bis 12 Uhr im Untergeschoss des Pfarrheims von St. Josef. Alle sind willkommen: die „Großen“ und die „Kleinen“, Frauen und Männer, Junge und Alte, regelmäßige Gottesdienstbesucher und aus verschiedenen Gründen weniger der Kirche nahestehende Mitmenschen. Hier sitzen Rüsselsheimer Ureinwohner neben Schlesiern, sogar Flörsheimer mit Migrationshintergrund sind deutlich zu hören! Und es ist egal, aus welchen teils fernen Ländern jemand zu uns kommt – diese Mischung ergibt eine sehr aufgeschlossene Gesellschaft! Man tauscht sich angeregt miteinander aus– alles bei einer Tasse Kaffee, einem Glas Wasser, Limonade, Bier oder Wein. Und die obligatorischen Salzstangen dürfen dabei nicht fehlen. Der Frühschoppen ist ein gewachsener, weithin bekannter fester Bestandteil von St. Josef, der, wenn es die Temperaturen zulassen, auch im Pfarrgarten abgehalten wird.

Die Glocke ruft - oft - zur Arbeit

Beim Frühschoppen geht es außer dem geselligen Beisammensitzen auch um die Planung anstehender Projekte und Aktivitäten. Wenn Bernhard seine Handglocke schwingt, lauschen die Besucher aufmerksam. Es geht oft um die Ankündigung von Terminen für Garten- und Pflegearbeiten rund um die Kirche, auf anstehende Aufbauarbeiten und nötige Reparaturen. Großprojekte wie den ökologischen Umbau des Pfarrgartens werden vorgestellt und diskutiert. An den genannten Arbeitseinsätzen finden sich viele Frühschoppenfreunde immer wieder ein.

Aber ohne die fleißigen, oft stillen Helferlein, die nahezu tagtäglich den Pfarrgarten, den Vorplatz und den Bürgersteig in Schuß halten, würde unser Anwesen nicht so gut dastehen. Ohne andere zurücksetzen zu wollen, seien hier exemplarisch Roland Molter als Gartenbetreuer und Albert Gabriel in seiner Funktion als Straßenreiniger genannt. Wollten wir hier alle dienstbaren Geister aufführen, würde der Platz hier nicht ausreichen und wahrscheinlich würde doch jemand vergessen.

Vergessen wollen wir aber auch nicht die Frühschoppenfreunde, die alters- oder krankheitsbedingt nicht mehr in den Keller kommen können. Georg und Bernhard halten den Kontakt aufrecht und berichten von Besuchen im privaten Bereich. Allerdings kann es auch hier geschehen, dass sich ein Mitglied zu recht übergangen fühlt. Es passiert aber sicher nicht aus Böswilligkeit; wir bitten in einem solchen Fall um eine kurze Nachricht. Die Namen der Aktiven, die bereits von Gott aus unserer Mitte gerufen wurden, sind auf zwei Tafeln neben dem Eingang aufgeführt– und leider wird diese Liste immer länger.

Jetzt aber zurück zum Sonntagmorgen: Geburtstagskinder bekommen ein Ständchen dargebracht, an dem sich oft auch der Pfarrer, wenn es sein Dienst zulässt, beteiligt. Und wenn dann Adam diese Darbietung mit seinem virtuosen Trompetenspiel aufwertet, fällt es den so Geehrten nicht schwer, dafür eine Runde springen zu lassen...

Historie und Aktivitäten

1974 begann die Frühschoppen-Erfolgsgeschichte mit Norbert Bauer, Werner Dilly und Georg Horneck. Vor dem Eingang gleich rechts um die Ecke, wo heute der Klavierschrank steht, befand sich früher hinter der Wand eine Teeküche, die als Ausschank genutzt wurde. Heute befindet sich dort die Heizungsanlage.
Im Heft „25 Jahre St. Josef“ von 1977 findet sich im Kapitel „Vergnügliche Veranstaltungen“ diese Aufzählung:
Als besonders gut besucht sind vor allem zu nennen: der Frühschoppen, jeden Sonntag nach dem Hochamt im Jugendheim, und der Frauen- und Rentnernachmittag, der jeweils Donnerstags stattfindet. Hier trifft man sich, spielt Karten, bastelt oder hält einfach  nur ein Schwätzchen.

1999 stiftete der damalige PGR-Vorsitzende Werner Brötz anlässlich des 25-jährigen Bestehens einen Vereinswimpel.

Ende der 70er Jahre übernahmen Rentner wie Emil Buhl und Hans Bazura unter Leitung von Edmund Löw den Frühschoppen. Er holte die alkoholfreien Getränke in Ermangelung eines Autos mit seinem Fahrradanhänger ein. Den Wein lieferte Georg Horneck.

Aus Altersgründen gab Edmund Löw am 26. Mai 1987 die Leitung wieder an Georg Horneck zurück. Ebenso das Frühschoppenkassenbuch, das er seit Anfang der 80er Jahre führte. Am 23.7.1987 wurde dafür ein Sparbuch bei der Rüsselsheimer Volksbank eröffnet – und damals sogar noch richtige Zinsen abwarf. Das ist allerdings schon Geschichte – das Sparbuch wurde aufgelöst. Georg begann am 1.1.1993 das „Zweite Buch Frühschoppen“, in dem Ausgaben und Einnahmen säuberlich aufgeführt sind. 
Falls nach Abzug der Unkosten wirklich noch etwas übrigbleibt, wird es unmittelbar für kirchliche Belange in St. Josef verwendet (Jugend- und Kinderbetreuung, Gebäude, Garten, Reparaturen usw.). Größere, sichtbare Projekte wie beispielsweise der Metallzaun oder die Gartenhütten wären aber ohne großzügige Spender aus den Reihen der Frühschöppler nicht möglich. Hier seien stellvertretend für viele andere Gerhard Bohneberger und Georg Horneck erwähnt. Auch die erforderlichen Baumpflanzungen waren nur durch großzügiges Engagement vieler Spender zu leisten.

1999 dankte Georg zum 25-jährigen Bestehen Emil Buhl, der mit seinen Helfern samstags oder sonntags die Frühschoppentische mit Gläsern eindeckte, die jeweils anfallende Geburtstagsansprache hielt und das fällige Geburtstagsständchen anstimmte.

Eine Zeitlang gab es einen Dienstplan, nach dem jeden Sonntag ein anderer Frühschöppler den Ausschank übernahm. Aber das hatte sich wohl nicht bewährt und so blieb Georg in der Pflicht – bis heute. Wobei immer wieder andere, auch jüngere Gemeindemitglieder ohne großes Nachfragen einspringen, wenn es zeitlich eng wird.

Im Pfarrheim gab es schon sehr früh Fastnachtssitzungen, organisiert von einem engagierten Frauenteam. Allerdings löste sich zu Beginn des neuen Jahrtausends dieser Zirkel auf. Nur ein paar interne Auftritte am Fastnachtssonntag hielt diese katholische Tradition aufrecht. Endlich fanden sich einige brauchtumsbegeisterte  Frühschöppler, unterstützt vom KAB, zusammen und veranstalteten 2012 unter dem Motto „Wetten dass“ am Sonntag vor Fastnacht die erste Frühschoppensitzung. Weil auch unsere Pfarrer wie zum Beispiel Lukas Szafera in die Bütt steigen, sind diese Sitzungen, abgesehen von der Corona-Zeit, ein weiterer fester Programmpunkt im Kirchenjahr von St. Josef!

Die Sage von der Gründung

Manchmal, wenn die Veteranen von der angeblichen Entstehungsgeschichte des Frühschoppens berichten, hängen die jüngeren Besucher förmlich an deren Lippen. Es soll sich nämlich begeben haben, dass eine Frau beim ersten Geistlichen von St. Josef, Pfarrer Keller, Klage führte, dass ihr Mann regelmäßig nach dem Hochamt in eine der damals zahlreichen Gaststätten zum Frühschoppen ging – und darob das Heimkehren vergaß. Da er nicht alleine „politisierte“, blieb in anderen Siedler-Familien der Platz des Haushaltsvorstands am Mittagstisch ebenfalls desöfteren leer. Nun soll dem Pfarrer Keller eine so robuste wie kluge Dame den Haushalt geführt haben. Diese riet ihm, den Frühschoppen kontrolliert im Jugendheim, wie der Pfarrsaal damals genannt wurde, anzusetzen. Was wohl dann auch geschah. Allerdings gab es eine Gruppe rebellisch gesinnter Katholiken, die sich von der Kirche nicht auch noch vorschreiben lassen wollte, wo sie ihren Frühschoppen einzunehmen hätten. Aber im Laufe der Geschichte kehrten wohl einige davon in den Schoß von St. Josef zurück. Und „den“ rein maskulinen Frühschoppen von damals gibt es heute sowieso nicht mehr – was auch gut so ist!
Und diese eine Tradition wird gewahrt: Ab 12 Uhr sammelt Georg den Unkostenbeitrag für die Getränke ein und sorgt so für den sonntäglichen Familienfrieden, wenn nicht der Partner sowieso mit im Pfarrsaal sitzt.

Ausblick mit 50-jährigem Jubiläum

Georg hat 2019 angekündigt, die Leitung des Frühschoppens aufzugeben. Nach über 40 Jahren hat er sich das auch verdient! Gottlob hat sich der frischgebackene Vorruheständler Bernhard Gabriel bereiterklärt, diese Aufgabe zu übernehmen. Bernhard ist zum einen als Mitglied des PGR sowie des VWR und als ein in allen Belangen geschickter Aktivposten unserer Gemeinde; und er wird die Erfolgsgeschichte „Frühschoppen“ fortzuschreiben. Sein freundliches und aufgeschlossenes Wesen ist weithin bekannt; es gibt wohl keinen besseren Ersatz für Georg. Zudem zieht sich Georg nicht komplett aus der Arbeit zurück. Wie eh und je kümmert er sich darum, die Weinvorräte für den Frühschoppen zuverlässig bereitzustellen.
Und jetzt, im Jahr 2024, feiern wir mit einem 50-er Wimpel das nächste Jubiläum des Frühschoppens, damit es hoffentlich noch ganz lange am Sonntag nach der Messe heißt: „Gehen wir doch noch mal in den Keller!“ und "Wer kommt alles mit?"