Wenn ich an die zweite Station unseres Fastenweges denke, die in St. Peter angesiedelt ist und den Titel „Sehnsucht“ trägt, fällt mir eine Person ein, mit der ich in einer meiner früheren Stellen zu tun hatte. Dieser Mensch begegnete mir immer mit einer gehörigen Portion Arroganz. Bei unseren Treffen fühlte ich mich von dieser Person stets von oben herab kritisiert und beurteilt. Klar, dass ich dieser Person gegenüber dann auch nicht immer die freundlichsten Gedanken hatte. Bis ich dann einiges aus der Lebensgeschichte des Gegenübers erfuhr: Episoden von Brüchen im Leben und gescheiterter Lebensplanung. Ich erkannte, dass unter der arroganten Oberfläche tief drinnen eine Sehnsucht in diesem Menschen lebte: die Sehnsucht, trotz des Scheiterns anerkannt und angenommen zu sein. Ab diesem Moment konnte ich zum Teil anders mit dem anderen umgehen, konnte sei Auftreten und Verhalten anders einordnen.
Ich bin überzeugt: In jedem Menschen lebt die Sehnsucht. Wenn es uns öfters gelänge, nicht an der manchmal rauen und schwierigen Schale anderer Menschen hängenzubleiben und daraufhin unser Urteil zu bilden, sondern nach der Sehnsucht zu fragen, die sich hinter einer solchen Oberfläche verbirgt: wie anders würde es unter uns zugehen!
(Pfr. Thomas Meurer)