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32. Woche im Jahreskreis:Impuls zur Woche

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Am 9. November haben wir der Reichsprogromnacht gedacht, die vor 85 Jahren in unserem Land stattfand. Zahlreiche Synagogen wurden damals zerstört und niedergebrannt, auch die in Heppenheim. Geschäfte von jüdischen Inhabern verwüstet, Jüdinnen und Juden wurden beschimpft, erniedrigt, getötet.

Es kann nicht sein, dass sich aktuell wieder in manchen Teilen der Bevölkerung eine Stimmung breitmacht, die von Hass gegen das Judentum geprägt ist. Man kann die Politik der israelischen Regierung, gerade auch gegenüber den Palästinensern, kritisieren. Das tun ja auch viele Israelis selbst. Aber wo man Jüdinnen und Juden wegen ihres Glaubens angreift und bedroht, wo das Existenzrecht des Staates Israel in Frage gestellt wird und man letztlich seine Vernichtung fordert, ist die rote Linie überschritten, da befindet man sich auf dem Boden des Antisemitismus.

Die Kirche hat sich im Laufe ihrer Geschichte in dieser Frage schuldig gemacht. Es gab deutliche antisemitische Strömungen im Christentum, die auch bis in offizielle Gebete der Kirche hineinreichten. Diese Einstellung hat sich zum Glück geändert; die Kirche hat ein neues Verhältnis zum Judentum gefunden, hat die Juden nicht mehr als Feinde gesehen, ja als „Gottesmörder“ diffamiert, sondern sie als die „älteren Geschwister im Glauben an den einen Gott“ erkannt. Deutlicher Ausdruck dafür ist die Änderung der Fürbitte für die Juden an Karfreitag. War dort bis in die 60er Jahre noch von den „treulosen Juden“ die Rede, die ihrer „Finsternis entrissen“ werden mögen, so beten wir dort heute mit versöhnten, wertschätzenden Worten folgendermaßen:

„Lasst uns auch beten für die Juden, zu denen Gott, unser Herr, zuerst gesprochen hat: Er bewahre sie in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will. Allmächtiger, ewiger Gott, du hast Abraham und seinen Kindern deine Verheißung gegeben. Erhöre das Gebet deiner Kirche für das Volk, das du als erstes zu deinem Eigentum erwählt hast: Gib, dass es zur Fülle der Erlösung gelangt. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Amen.“

Man darf dieses Gebet auch außerhalb des Karfreitags sprechen. Vielleicht auch gerade jetzt und heute.

(Pfr. Thomas Meurer)

Datum:
Fr. 10. Nov. 2023
Von:
Matthias Lich

32. Woche im Jahreskreis

Am 9. November haben wir der Reichsprogromnacht gedacht, die vor 85 Jahren in unserem Land stattfand. Zahlreiche Synagogen wurden damals zerstört und niedergebrannt, auch die in Heppenheim. Geschäfte von jüdischen Inhabern verwüstet, Jüdinnen und Juden wurden beschimpft, erniedrigt, getötet.

Es kann nicht sein, dass sich aktuell wieder in manchen Teilen der Bevölkerung eine Stimmung breitmacht, die von Hass gegen das Judentum geprägt ist. Man kann die Politik der israelischen Regierung, gerade auch gegenüber den Palästinensern, kritisieren. Das tun ja auch viele Israelis selbst. Aber wo man Jüdinnen und Juden wegen ihres Glaubens angreift und bedroht, wo das Existenzrecht des Staates Israel in Frage gestellt wird und man letztlich seine Vernichtung fordert, ist die rote Linie überschritten, da befindet man sich auf dem Boden des Antisemitismus.

Die Kirche hat sich im Laufe ihrer Geschichte in dieser Frage schuldig gemacht. Es gab deutliche antisemitische Strömungen im Christentum, die auch bis in offizielle Gebete der Kirche hineinreichten. Diese Einstellung hat sich zum Glück geändert; die Kirche hat ein neues Verhältnis zum Judentum gefunden, hat die Juden nicht mehr als Feinde gesehen, ja als „Gottesmörder“ diffamiert, sondern sie als die „älteren Geschwister im Glauben an den einen Gott“ erkannt. Deutlicher Ausdruck dafür ist die Änderung der Fürbitte für die Juden an Karfreitag. War dort bis in die 60er Jahre noch von den „treulosen Juden“ die Rede, die ihrer „Finsternis entrissen“ werden mögen, so beten wir dort heute mit versöhnten, wertschätzenden Worten folgendermaßen:

„Lasst uns auch beten für die Juden, zu denen Gott, unser Herr, zuerst gesprochen hat: Er bewahre sie in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will. Allmächtiger, ewiger Gott, du hast Abraham und seinen Kindern deine Verheißung gegeben. Erhöre das Gebet deiner Kirche für das Volk, das du als erstes zu deinem Eigentum erwählt hast: Gib, dass es zur Fülle der Erlösung gelangt. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Amen.“

Man darf dieses Gebet auch außerhalb des Karfreitags sprechen. Vielleicht auch gerade jetzt und heute.

(Pfr. Thomas Meurer)