Hab Geduld mit allen Dingen, aber besonders mit dir selbst. (Franz von Sales)

Geduld (c) Peter Weidemann In: Pfarrbriefservice.de
Geduld
Datum:
Di. 28. Apr. 2020
Von:
Ralph Pechmann

Franz von Sales wusste um das menschliche Herz, ehe man jemals an die Krisen einer Corona-Pandemie gedachte hatte. Nach den Stürmen der Reformation hatte er als Seelsorger und Bischof die Menschen seiner Genfer Gemeinde und ihre innere Zerrissenheit im Blick. Aus seinen geistlichen Erfahrungen sind auch diese Worte hervorgegangen: „Wenn dein Herz wandert oder leidet, bring es behutsam an seinen Platz zurück und versetze es sanft in die Gegenwart deines Herrn. Und selbst, wenn du nichts getan hast in deinem ganzen Leben, außer dein Herz zurückzubringen und wieder in die Gegenwart unseres Gottes zu versetzen, obgleich es jedesmal wieder fortlief, nachdem du es zurückgeholt hattest, dann hast du dein Leben wohl erfüllt.“ Franz von Sales (1567 – 1622)

Können seine Gedanken in der momentanen Corona Pandemie Orientierung geben? Er spricht eine Vertrauensübung an, die recht passiv wirkt. Doch gerade in Ängsten neigen wir nach anfänglicher Selbstbeherrschung zu überzogenen Reaktionen. Denn in solchen Zeiten wird das Herz unruhig wie ein Tier, eingeschlossen hinter Gitterstäben beginnt es verstärkt zu wandern und kann der Enge doch nicht entweichen. Es drängt uns nach entspannender Ablenkung, der ängstlichen Unruhe, der Enge zu entkommen. Die öffentlichen Kontaktbeschränkungen und Versammlungsverbote, das Home-Office oder Homeschooling unserer Tage erfordern die Umstellung auf ein Minimum von Beziehungen, was viele als Isolation erleben. Der Tod ist in die Mitte unserer Gesellschaft zurückgekehrt.

Wozu rät Franz von Sales? Das Herz der Gegenwart unseres Herrn anzuvertrauen, unsere Ängste, Nöte und Spannungen mitzubringen und auszubreiten. Und das immer wieder, geduldig den Quellgrund des Vertrauens aufsuchen und die Ängste in Gottes Hand legen. Denn nur was ich in seiner Gegenwart anschaue und annehme, kann sich ändern. Nicht nur bei Gelegenheit, nicht oft, aber immer wieder, damit sich Angst in Vertrauen verwandeln und in ihm verwurzeln kann und nicht im trockenen Boden der Sorgen und Nöte verkümmert. Um Vertrauen geht es, wenn die gewohnten Rhythmen unsicher werden. Der Therapeut, Erik Erikson, beschrieb es mit den Worten: „Mit ‚Vertrauen‘ meine ich das, was man im Allgemeinen als ein Gefühl des Sich-verlassen-Dürfens kennt, und zwar in Bezug auf die Glaubwürdigkeit anderer wie die Zuverlässigkeit meiner selbst.“ Vertrauen macht Mut, hinzusehen, weckt die Phantasie zum Handeln. Gott kennt uns mit unserem unruhigen Herzen besser als wir uns kennen, hat mehr Geduld mit uns, als wir uns selbst zugestehen.

Gute Gewohnheiten leben von der Wiederholung, wie das Üben eines Gedichts, bis wir es auswendig können – eigentlich inwendig bei uns tragen und immer wieder abrufen können, was der Engländer „by heart“ nennt; oder das singende Einüben einer Melodie, bis sie uns zu eigen ist und es aus uns „heraussingt“. Und die Verhaltensforschung weiß, dass es mindestens sieben Übungswochen braucht, um eine neue Gewohnheit „auswendig“ zu lernen. Letztlich mit uns selbst geduldig werden „es sanft in die Gegenwart deines Herrn“ versetzen, immer wieder neu, so beschreibt es Franz von Sales. Die eucharistische Anbetung ist ein Raum, die Ängste anzusehen und auszubreiten; sie ist der Ort, in die Ruhe zu finden, sich von Gott ansehen zu lassen, wie es auch der Gebetsplatz zuhause sein kann.

Die bevorstehenden Lockerungen werden sich schwieriger gestalten, als es die Schritte in den Stillstand waren. Waren wir zu Beginn noch ganz auf Disziplin eingestellt – wie beim Fasten und haben uns der Umstellung unterstellt, wartet nun die eigentliche Herausforderung auf uns; eine sinnvolle und verantwortliche Rückkehr in den Alltag, sozusagen ein „Abfasten“. Denn die eigentliche Herausforderung beim Fasten liegt im „Abfasten“, will man einen guten Gewinn aus den Fastentagen in den Alltag hinüberretten. Wer lange verzichtet hat, steht vor der Versuchung, sich wieder „ins Essen zu stürzen“. Als müsse man nachholen, worauf verzichtet wurde. Der Rausch der Rückkehr ins „Normale“ wird uns um den guten Gewinn bringen, den wir aus diesen Wochen ziehen könnten und lässt die gebrachten Opfer umso sinnloser erscheinen. Es lohnt sich, geduldig unser „Herz zurückzubringen und wieder in die Gegenwart unseres Gottes zu versetzen“, die guten und schwierigen Erfahrungen anzuschauen und anzunehmen und zu entdecken, was wir durch diese Zeiten gewonnen und was sie uns genommen haben. Beides trägt zu einem „wohl erfüllten Leben“ bei, denn „es gibt ein erfülltes Leben trotz unerfüllter Wünsche“ (D. Bonhoeffer).