Schmuckband Kreuzgang

Predigt 6. Sonntag im Jahreskreis 2025

Datum:
So. 16. Feb. 2025
Von:
Stefan Schäfer

Liebe Schwestern und Brüder,

 

in der Ansprache, die Donald Trump zu seiner Amtseinführung gehalten hat, gab es viele verstörende Aussagen.

Einen kurzen Moment wohl unfreiwilliger Wahrheit gab es freilich auch:

 

Er kam auf die Feuersbrünste in und um Los Angeles zu sprechen: „Brände wüten durch die Häuser und Gemeinden“. Und, wohl um das ganze Ausmaß der Katastrophe zu beschwören, fuhr er fort:

„Betroffen sind sogar einige der reichsten und mächtigsten Personen in diesem Land, von denen einige gerade hier sind.“

Bei diesen Worten wandte er sich, ganz offensichtlich stolz darauf, dass sie alle gekommen waren, ihm zu huldigen, den Reichen und Superreichen zu, die hinter ihm aufgereiht standen.

„Sie haben kein Zuhause mehr.“

Als er das sagte, wich der Ausdruck grimmiger Entschlossenheit, mit dem er bis dahin seine Rede vorgetragen hatte, einem heiteren Lächeln, das eigentlich an dieser Stelle völlig unangebracht war, als würde ihn gerade ein Gedanke köstlich amüsieren:

„Das ist interessant!“, sagte er noch, bevor er zum Teleprompter und dem vorbereiteten Redetext zurückkehrte.

 

Was war da wohl geschehen? Was mag in Donald Trump in diesem Augenblick vorgegangen sein?

War es einfach die pure Schadenfreude, die sich da in sein Gesicht gezeichnet und in seiner Bemerkung ihren Ausdruck gefunden hat?

Oder hatte eine tiefere Erkenntnis ihn gestreift, die ihn selbst für einen Moment überrascht hat?

Wie doch letztlich alle gleich sind!

Wenn es ernst wird, in den elementaren Herausforderungen, kann man sich auf Macht und Reichtum nicht verlassen. Töricht der Mensch, der darauf baut.

Wie ironisch! Wie interessant!

Wahrscheinlicher ist freilich, dass es doch einfach nur Schadenfreude war, was Donald Trump da so erheitert hat.

 

„Weh euch, die ihr reich seid.“

Jesu Wort, in unsere Zeit hineingesprochen, ist Weckruf und Mahnung. Nicht nur für die Superreichen.

Eitel sind alle Versuche, in Macht und Reichtum einen verlässlichen Grund zu suchen. Sie verkennen die Wahrheit unseres Menschseins, das fragil ist, verletzlich und immer bedroht. Das Leben und seine Beziehungen im Machtgefälle des Reichtums beherrschen zu wollen, wirkt sich zerstörerisch aus, weil es diese Wahrheit nicht sehen will:

Dass wir alle nur Menschen sind, ausgesetzt, ausgeliefert und auf Solidarität angewiesen, bedürftig.

Und dass wir uns eben darin über die Natur erheben und uns als Menschen erweisen, dass wir dieses gemeinsame Menschsein in jedem einzelnen schützen, ehren und verteidigen, sei er reich und mächtig oder arm, ein Einheimischer oder ein Fremder.

 

Für diese genuin christliche und zugleich allgemein menschliche Wahrheit ist im Gottesdienst am Morgen nach der Amtseinführung die anglikanische Bischöfin Mariann Budde mutig und klar vor Trump und seiner Entourage eingetreten;

„I ask you to have mercy upon the people.“

„Im Namen unseres Gottes bitte ich sie um Gnade, um Erbarmen mit jenen Menschen in unserem Land, die nun Angst haben. Manche fürchten um ihr Leben.“

Und dann führte sie all die Gruppen auf, denen die Drohungen des neuen Präsidenten gelten. Und der Hass der neuen Mächtigen auf alles, was in ihrer Ideologie irgendwie fremd und befremdlich erscheint.

Als wäre nicht jeder Mensch ein Fremder auf dieser Erde.

„Möge Gott uns die Kraft und den Mut geben“, so hat Mariann Budde ihre Predigt, die seither um die Erde geht, geendet, „die Würde eines jeden menschlichen Wesens zu ehren und demütig miteinander und mit unserem Gott zusammen zu gehen, zum Guten für alle Menschen, hier und in aller Welt.“

 

An Donald Trump waren ihre Worte wahrscheinlich verschwendet.

Aber sie galten nicht mehr nur diesem einen.

Sie galten allen.

Sie gelten allen Menschen guten Willens.

 

Manche meinen, eine Predigt sei vielleicht nicht der passende Ort für eine politische Intervention.

Christen haben keine spezifische Kompetenz in den komplexen Problemen unserer Welt. Das bestreiten nur religiöse Fundamentalisten.

Unbestreitbar aber ist aber auch, dass unsere Gesellschaft, unser Zusammenleben, unsere Demokratie von Voraussetzungen lebt, die sie selbst nicht gewährleisten kann: Von der Achtung der Würde des andern, eines jeden Menschen, zumal der Armen und Bedrängten aller Art. Seiner Freiheit, nach Glück und Erfüllung zu streben in Solidarität und Gemeinschaft.

Und auch, das heutige Evangelium erinnert daran, davon lebt unsere Gesellschaft, dass Mitgefühl unser Zusammenleben durchwirkt, Mitleid, das an den Tränen des Nächsten nicht vorbeisieht und über den hinweggeht, der an den Rand gedrängt ist und seiner Hoffnung beraubt.

Vom Erbarmen, zu dem Mariann Budde Donald Trump wohl vergeblich aufgerufen hat,

der Barmherzigkeit, ohne die nur noch das Recht des Stärkeren gelten würde, bis schließlich ein Totalitarismus der Mächtigen sich endgültig durchsetzt.

Und auch dazu ruft das Evangelium uns auf: gelegen oder ungelegen, mit klarer Stimme, tapfer auch wenn man uns belächelt oder gar schmäht, wie Mariann Budde den falschen Propheten zu widerstehen und zu widersprechen und Zeugnis zu geben von Gott, der das Gute für alle Menschen will,

die Jugendlichen in der Schule und vor ihren Freunden, wir alle in unseren Familien und am Arbeitsplatz, in Vereinen, Parteien und den Stammtischen, an denen wir sitzen.

„Um des Menschensohnes willen“, als Zeuginnen und Zeugen für Gott, der sich in seiner Menschwerdung mit jedem Menschen verbunden hat.