Schmuckband Kreuzgang

Predigt Christmette 2024

Datum:
Di. 24. Dez. 2024
Von:
Stefan Schäfer

Liebe Schwestern und Brüder,

die Stimmauszählung war noch nicht abgeschlossen, da trat Donald Trump schon vor seine in Florida versammelte Anhängerschaft und vor die Weltöffentlichkeit.

Er deklarierte sich zum 47.Präsidenten der Vereinigten Staaten, wiederholte eine Vielzahl seiner bekannten Parolen und verkündete:

Mit seiner Präsidentschaft beginne ein „goldenes Zeitalter“, „the golden age of America“.

 

Er erneuerte damit ein altes, ja uraltes politisches Heilsversprechen - alt nicht nur, weil er diesen Slogan verschiedentlich schon im Wahlkampf benutzt hatte, sondern uralt, weil er damit - bewusst oder unbewusst - an die Herrschaftspropaganda des römischen Imperiums anknüpfte.

Schon die Kaiser Vespasian und Hadrian sahen mit ihrer Regentschaft ein „goldenes Zeitalter“ angebrochen.

Kaiser Nero auch!

Am Beginn dieser illustren Reihe aber steht der, dessen Name heute im Weihnachtsevangelium begegnet: Kaiser Augustus. 

 

Eine römische Säule, errichtet im Jahr 9 v.Chr. zur Feier von „Kaisers Geburtstag“, huldigt ihm mit folgenden Worten:

„Die Vorsehung, die über allem Leben waltet, hat diesen Mann, Kaiser Octavianus Augustus, mit reichen Gaben ausgestattet, indem sie ihn uns und allen kommenden Generationen als Retter gesandt hat.“

Tatsächlich brachte die „pax romana“, der „römische Friede“, den Augustus nach einer beispiellosen Reihe politischer und militärischer Erfolge errungen hatte, auch eine Zeit des Aufschwungs und der Blüte für das römische Reich.

Gebaut war dieser Friede freilich auf Besatzung, Unterdrückung und Gewalt.

 

„Ihr wisst“, so wird Jesus die Propagandasprache der Machthaber damals und durch alle Zeiten attackieren und entlarven, „dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken.

Und die, die Gewalt ausüben, lassen sich Retter und Wohltäter nennen.“

Und all denen, die das wissen, und die nicht auf den starken Mann setzen, der alles richten und goldene Zeiten heraufführen wird, die nach einem anderen Stern Ausschau halten, an dem sie ihre Hoffnung festmachen können, wird heute das Weihnachtsevangelium verkündet.

All den Menschen „seines Wohlgefallens“.

 

Auch die Weihnachterzählung beginnt, so scheint es zunächst, mit einer Verbeugung vor den Großen der Welt:

Vor Augustus, der die Macht hat, alle Bewohner seines riesigen Reiches zu zwingen, sich in Steuerlisten eintragen zu lassen. Und vor Quirinius, seinem Statthalter in Syrien.

Es ist nun aber gerade die Ironie der Geschichte oder die Weisheit Gottes in der Geschichte, wie sie uns heute Nacht erzählt wird, dass es genau diese Besteuerungsaktion ist, die Josef aus Nazareth heimführt in seine Vaterstadt.

Und sich so die alte Verheißung erfüllt:

Der Retter und Friedensfürst kommt eben doch nicht aus Rom!

Auch nicht aus Mar-a-Lago oder aus Washington.

Sondern, wie Gott durch die Propheten verheißen hat, aus Bethlehem, der Stadt Davids.

 

Die Koordinaten, mit denen wir die Welt vermessen, verschieben sich in dieser Nacht.

Die Machtverhältnisse kippen.

Der mächtige Kaiser in Rom fungiert nur noch als eine Art Obersteuereintreiber der Welt. Und gerade nicht als ihr Retter.

Er ist zur Fußnote einer ganz anderen Geschichte geworden.

 

Sie spielt weitab von den Zentren der Macht. Irgendwo am Rand der Welt. Im politisch völlig unbedeutenden Bethlehem.

Sie erzählt von zwei Menschen, von denen der Herrscher in Rom nichts weiß, die er nicht kennt und deren Schicksal ihm völlig gleichgültig ist.

Die herumgestoßen werden und die keinem willkommen sind.

Die aber einem Kind das Leben schenken.

Sie erzählt, dass es inmitten der Nacht hell um sie wird.

Und von den Hirten, die auch „draußen“ stehen und am Rand, ohne bürgerliche Ehrenrechte und als Gesindel verdächtig.

Die aber das Zeichen verstehen, das ihnen gegeben wird:

 

Dass Gott ihnen nahekommt in diesem Kind.

Verwundbar, verletzlich und wehrlos.

Dass er, einer von ihnen geworden, am Rand, draußen, and er Peripherie sich eingefunden hat, um die Welt und den Menschen zu retten.

 

Die Weihnachtserzählung ist kein historischer Bericht.

Aber sie ist auch kein Märchen.

Es sind -wenn man so will - „alternative Fakten“, die das Evangelium nach Lukas uns da überliefert.

Vielleicht aber ist ihnen dann doch mehr Vertrauen zu schenken als der Propaganda und den Heilsversprechen der starken Männer und selbsternannten Erlöser.

 

Wir feiern Weihnachten 2024 in einer Welt, die uns oft überfordert, unübersichtlich, von Gräben unversöhnlicher Feindschaft durchzogen, zerrissen, im Streit, manchmal bis in unsere Familien hinein, von nicht enden wollenden Kriegen gebeutelt,

in der, nicht nur am 6.November, immer wieder die Falschen siegen

und in der wir uns fragen, woher wir die Kraft der Hoffnung noch nehmen sollen, die uns vor Resignation und Zynismus bewahrt.

Da wird uns, wie alle Jahre wieder, auch Weihnachten 2024, eine uralte und doch immer wieder neue, eine andere, eine alternative Geschichte erzählt.

Und wenn sie uns anrührt und uns zu Herzen geht und unserem Herzen einleuchtet, verändert sie unsere Maßstäbe, verschiebt sie die Perspektive und schenkt uns einen anderen Blick auf diese Welt und unser Leben darin:

 

Wo ist Gott, der Immanuel, der „Gott mit uns“ und der verheißene Retter?

 

Nicht bei Kaiser Augustus, sagt uns die Weihnachtsgeschichte.

Damals wie heute nicht in den Zentren der Macht.

Sondern draußen, am Rand , an den Peripherien.

Bei den Namenlosen und Kleinen, bei den Mitfühlenden und Barmherzigen.

Bei denen, die Solidarität erweisen.

Bei den Hirten, die sich einfinden an der Krippe. Mit offenem Herzen und mit offenen Händen.

 

Gott ist im Kleinsten und Schwächsten verborgen. Er kommt als ein Kind.

Unser Menschsein ist sein Versteck. Und in unserer Mitmenschlichkeit finden wir ihn.

Er zaubert nicht. Er verwandelt die Welt nicht mit einem Machtwort von oben herab.

Überall aber, wo Menschen es fertigbringen, einander nicht zu bedrängen und zu unterdrücken, sondern einander Raum zu gewähren, sich zu umarmen, die Schwachen zu schützen und Kindern eine Zukunft zu schaffen, ist er am Werk.

 

So hat es der, dessen Geburt wir heute Nacht feiern, Jesus, erwachsen geworden, dann auf den Straßen und Plätzen Galiläas vorgelebt und verkündet:

Er hat kein „goldenes Zeitalter“ verheißen.  Aber er sah das „Reich Gottes“ im Anbruch und schon gegenwärtig und wachsend in all denen, die nach Gerechtigkeit dürsten, die Frieden stiften und bei den Trauernden stehen.

Er hat die vermeintlichen Sieger verurteilt, die über die am Rand blicklos hinweggehen, geleitet von ihren eigenen Interessen und abbiegen in die Sackgassen des Egoismus. Die aber, die sich nicht abwenden von ihrem Nächsten in seiner Not, die hat er selig gepriesen.

 

Wir feiern Weihnachten. Trotz und in der Unübersichtlichkeit unserer Welt. Auch angesichts dessen, was uns bedrückt und Angst macht.

Wir sind, auch in diesem Jahr, zusammengekommen, um im gemeinsamen Hören auf eine vertraute Geschichte uns trösten und in unserer Hoffnung uns stärken zu lassen.

Sie verschiebt unsere Maßstäbe und Perspektiven.

Sie verändert unseren Blick auf die Welt und unser Leben:

Wie mächtig Gewalt und Unrecht auch scheinen – die Güte ist tiefer und stärker.

Sie ist in der Welt.

Gott ist in der Welt.

 

Mit der Kirche auf dem ganzen Erdkreis, mit den Christen aller Konfessionen und aller Völker, mit Menschen aller Sprachen und Kulturen, aller Schichten und Gruppen feiern wir Jesu Geburt und hören die Botschaft des Engels, der auch uns sagt:

„Fürchtet euch nicht,

denn ich verkünde euch eine große Freude:

Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren;

Er ist der Messias, der Herr.“