Liebe Schwestern und Brüder,
„das könnte manchen herren so passen
wenn mit dem tode alles beglichen
die herrschaft der herren
die knechtschaft der knechte
bestätigt wäre für immer“
Verse des Dichter-Pfarrers Kurt Marti. Es ist ein trotziges Osterlied, das er da anstimmt.
Seine letzte Strophe lautet:
„aber es kommt eine auferstehung
die anders ganz anders wird als wir dachten
es kommt eine auferstehung die ist
der aufstand gottes gegen die herren
und gegen den herrn aller herren: den tod“
Ein politisches Lied! Ein garstiges Lied?
Es scheint zunächst nicht recht zusammen zu klingen mit der Freude, ja Fröhlichkeit, zu der wir uns an Ostern aufgerufen fühlen.
Vielleicht aber täuscht dieser Eindruck.
Das christliche Ostern, wie wir es in den Liturgien der Karwoche bis in diese Osternacht hinein mit ihren Texten voller unabgegoltener Verheißung begehen, ist kein harmloses Fest.
Sicher nicht das Fest zartschmelzender Ostereier und lila Schokohasen. Und auch nicht nur des Osterspaziergangs in der aufblühenden Natur.
Es ist das Fest unserer Hoffnung.
Und diese Hoffnung ist nicht zu verwechseln mit einem irgendwie pausbäckigen, naiven Optimismus nach dem Motto: „Auf Regen folgt Sonnenschein. Alles wird wieder gut.“
Für die Frauen im Evangelium auf ihrem Weg zum Grab Jesu ist am Ostermorgen der Karfreitag noch immer präsent.
Hilflos stehen sie vor dem Stein, dem „sehr großen Stein“, wie Markus betont, unter dem ihre Hoffnung begraben liegt.
Ohnmächtig vor dem „Herrn aller Herren: dem Tod“.
Er ist sehr mächtig in dieser Welt.
Ostern 2024 denke ich an Alexej Nawalny.
Man muss ihn nicht zum Heiligen verklären. Ein Held war er auf jeden Fall:
In seiner Unbeugsamkeit, wie er ungebrochen durch Schikanen, Isolation, die Strapazen der Haft mit subversivem Witz und in souveräner Freiheit vor seinen Richtern, diesen Schergen der Macht, aufgetreten ist.
Mit seinem Mut, ein Unrechtsystem herauszufordern. Dem Mut, der ihn schließlich das Leben gekostet hat.
Und ich denke an die vielen anderen, Bekannte und Unbekannte, in Russland und Belarus, aber auch an die Frauen im Iran, die aufstehen, die Angst hinter sich lassen.
Und an so viele anderswo in der Welt und durch alle Zeiten:
An Menschen im Widerstand, im Aufbegehren gegen die Mächte des Todes.
In objektiver Betrachtung wird man wohl feststellen müssen, dass sie in ihrem Kampf immer wieder unterliegen.
Etwas in uns aber wehrt sich dagegen, das einfach so hinzunehmen.
Etwas in uns, unbelehrbar durch die äußeren Fakten, den Realitätssinn, der sich arrangieren möchte mit der Welt, wie sie nun einmal ist, hält daran fest, dass das Gegenteil der Fall ist, und dass die, die ihr Leben eingesetzt haben für die anderen im Kampf um Befreiung und für Gerechtigkeit, in Wahrheit ihren Kampf nicht verloren haben:
„Das könnte manchen Herren so passen, wenn mit dem Tod alles beglichen wäre“.
In dieses Aufbegehren gegen den Tod hinein, das sich nicht abfindet damit, dass vor ihm am Ende alles gleich-gültig wird und dass deshalb der Einsatz nicht lohnt, wird die Osterbotschaft verkündet.
Die Botschaft vom „Aufstand Gottes“ gegen den Tod.
Sie wagt zu behaupten, dass der Gekreuzigte lebt.
Ich denke an die Menschenmenge und das Meer von Blumen auf dem Moskauer Friedhof bei Nawalnys Beerdigung und noch Tage danach.
Und an die Frauen am Ostermorgen.
Blumen, Kerzen, Ikonen und Kuscheltiere ebenso wie die Salben und wohlriechenden Öle von Maria von Magdala, Maria, der Mutter des Johannes und Salome sind, wie hilflos auch immer, doch auch ein Ausdruck der Weigerung, in einer Welt, in der immer wieder die Falschen siegen, die Hoffnung fahren zu lassen und zu begraben, zu vergessen und zur Tagesordnung überzugehen.
Es gibt ein Trauern, das ist: Hoffnung im Widerstand!
Und die so Trauernden werden, wie der es versprochen hatte, den die Herren, weil er ihnen im Weg war, am Kreuz beseitigen wollten, an Ostern getröstet.
„Ihr sucht den Gekreuzigten? Er ist auferstanden. Er ist nicht hier.“
Ostern offenbart Gott als einen Gott der Parteinahme für das Leben, der Gerechtigkeit, der Befreiung.
Er setzt den, der sich in seinem Namen mit den Mächten des Todes angelegt hat und in seinem Kampf gescheitert schien, ins Recht.
In der Hingabe, im Sein für die anderen, auf dem Weg, den Jesus in einem letzten Vertrauen, so dem Willen Gottes gehorsam zu sein, gegangen ist, ist der Tod überwunden.
Weil Gott wirklich so ist, wie Jesus ihn durch sein Leben und bis in sein Sterben hinein verkündet hat. Ostern offenbart er sich endgültig als der Gott Jesu Christi.
Für die Osterlieder, die wir anstimmen, holen wir Luft und schöpfen wir Atem von jenseits des Menschen und unserer Möglichkeiten: Gott hat gehandelt!
Sie künden vom „Aufstand Gottes gegen die Herren und gegen den Herrn aller Herren, den Tod“.
Zugleich aber findet, was an Ostern verkündet wird, sein Ohr, seinen Echoraum, genau dort, wo wir zutiefst menschlich sind:
In unserer Mitmenschlichkeit, der Hoffnung, die wir nicht aufgeben, vor allem der Hoffnung für den anderen. Und in unserer Trauer, die sich weigert, ihren Frieden zu machen mit dem Tod.
Wir sind mehr als nur ein besonders findiges Tier, das, weil es weiß, dass es am Ende nicht davonkommen wird, versucht durchzukommen so gut und so lange es geht.
In dem, was uns menschlich macht, reichen wir immer schon über diese Welt des Todes hinaus.
Ostern sagt uns, dass wir darin kein Irrtum der Evolution sind, sondern dass gerade darin ein Sinn sich zeigt und das Leben erschlossen ist: uns in der Hingabe, dem Opfer selbst zu übersteigen.
„Geht und verkündet“, wird uns wie den Frauen im Evangelium gesagt.
In den Auseinandersetzungen, in die wir gestellt sind, auch wenn sie in unserem Land nicht tödlich enden, wird die Osterbotschaft immer wieder auch ein politisches Lied:
Klar und entschieden muss die Parteinahme sein, mit der wir uns den Mächten widersetzen, die das Leben bedrohen und die Menschlichkeit des Menschen zersetzen:
Der Intoleranz und der Diskriminierung von Minderheiten, der Gleichgültigkeit und dem Egoismus der Einzelnen und der Gruppen, der Verächtlichmachung und Missachtung der Würde des andern. Und allen die Ängste schüren und dem Hass Vorschub leisten.
Ostern ist kein harmloses Fest.
Manchmal muss die Osterbotschaft zu einem politischen und für manche auch garstigen Lied werden.
Dann wieder darf sie aber auch in Freude und Fröhlichkeit erklingen.
Das ist kein Gegensatz.
Wir verkünden Gott als Liebhaber des Lebens. Und das Osterlachen hat seinen Grund schließlich zutiefst eben darin, dass, die Angst überwunden ist
durch den „Aufstand Gottes gegen die Herren und gegen den Herrn aller Herren, den Tod.“
Amen