Hesselbach. Wer in diesen Tagen an der Pfarrkirche St. Luzia und St. Odilia in Hesselbach vorbeigeht, wird das rege Treiben kaum übersehen: Wo sonst werktags Stille herrscht, füllen nun Handwerker das Gotteshaus mit Leben. Selbst am Sonntag fällt der Blick auf eine Veränderung – der prachtvolle barocke Hochaltar ist vollständig eingerüstet.
Mitten im beschaulichen Hesselbach erhebt sich ein bemerkenswertes Zeugnis barocker Glaubenskultur: der Hochaltar der Pfarrkirche St. Luzia und St. Odilia. Zwischen 1692 und 1695 in Franz Nagels Werkstatt geschaffen, vereint er künstlerische Pracht und liturgische Bedeutung. Ursprünglich als Zelebrationsaltar genutzt, wandelte sich seine Funktion – von der Darstellung des sterbenden heiligen Joseph zur sakramentalen Ausgestaltung mit Tabernakel und Aussetzungsthron. Flankiert von Engeln und gekrönt durch den Erzengel Michael, verkörpert der Altar den tiefen Glauben der Gemeinde im Odenwald. Umbauten und die Rückkehr kostbarer Figuren wie des Josefsaltars zeugen von der lebendigen Geschichte dieses sakralen Mittelpunkts. Heute steht er im Fokus aufwendiger Restaurierung, die seinen Fortbestand sichern soll.
Hesselbach blickt auf eine jahrhundertealte spirituelle Tradition zurück. Schon vor dem Bau der Kirche 1766 stand hier eine Kapelle neben einer Quelle, die der heiligen Odilia geweiht war. Als sogenannte Quellkirche reihte sich Hesselbach ein in heilige Orte wie Amorsbrunn und Breitenbach. Besonders bei Augenleiden baten Gläubige unter dem Patronat von Luzia und Odilia um Hilfe. Archaische Formen der Quellverehrung lassen vermuten, dass dieser Ort schon vorchristliche Bedeutung hatte. Im 18. Jahrhundert wurde die baufällige Kapelle zunehmend problematisch: In Wintern war Seelsorge oft unmöglich. 1763 wandten sich Gemeinden an Abt Hyazinth Breuer OSB und baten um eine neue Kirche. 1765 begann der Bau, 1766 folgte die feierliche Einweihung – seitdem ist die Pfarrkirche das sakrale Herz der Region und bis heute die älteste katholische Kirche im Odenwaldkreis.
Wer durch das schlichte Portal der Hesselbacher Kirche tritt, wird vom Anblick des Innenraums überrascht: Holz, Gold und Farben entfalten eine unerwartete Pracht des sonst schlichten Baus. Im Mittelpunkt der barocken Inszenierung thront der monumentale Hochaltar. Dunkles Holz, kraftvolle Engelfiguren, Putten und die Szene des Erzengels Michael im Kampf mit dem Drachen formen ein theologisches Narrativ. Ursprünglich mit der Sterbeszene des heiligen Joseph versehen, wandelte sich seine Funktion später zum Sakramentsaltar, was sich in Tabernakel, Aussetzungsthron und dem Auge Gottes über dem Lamm widerspiegelt. Nach der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde der ursprüngliche Altar entfernt und durch einen passenden Volksaltar ersetzt. Zwischen 1994 und 1997 wurde er im Zuge der Kirchenrestaurierung vollständig abgebaut und in einer Mainzer Fachfirma aufgearbeitet.
Nun steht der Hochaltar erneut vor einer Herausforderung: Ein aktiver und großflächiger Befall durch Holzwürmer bedroht das kunstvolle Holzwerk. Deutlich sichtbare Fraßspuren, Bohrlöcher und ausgetretenes Sägemehl sind alarmierende Hinweise auf die gefräßigen Larven. Um das Ausmaß des Schadens begutachten und effektive Sanierungsmaßnahmen einleiten zu können, wurde der Altar eingerüstet und von der spezialisierten Gutachterin Susann Gürtler untersucht. Im Anschluss erfolgt eine fachgerechte Säuberung durch ein Restaurierungsunternehmen, bevor die Maßnahmen zur Bekämpfung des Befalls umgesetzt werden. Ziel ist es laut Konservatorin Britta Hedtke von der kirchlichen Denkmalpflege des Bistums Mainz, den Bestand dieses kulturhistorischen Juwels zu sichern – für heutige und kommende Generationen.
„Der Hochaltar ist nicht nur ein kunsthistorisches Erbe, sondern das geistliche Herz unserer Kirche. Mit der Sanierung sichern wir seinen Fortbestand – nicht nur für heutige Besucher, sondern als bleibendes Zeugnis für kommende Generationen;“ so der zuständige Pfarrer Harald Poggel.
Dieser Hochaltar ist weit mehr als liturgischer Hintergrund – er ist Ausdruck einer langen Glaubensgeschichte und Spiegel geistlicher Sehnsucht. Als prägendes Geschenk des Klosters Amorbach strahlt er bis heute Würde und Hingabe aus, eingebettet in eine Kirche, deren Bedeutung weit über das Dorf hinausreicht.