Blues spendet Hoffnung und Zuversicht

Erster Bluesgottesdienst mit erstaunlicher Resonanz

Hoffnung und Zuversicht beim ersten Bluesgottesdienst in der Kulturkirche St. Thomas Morus (c) Förderverein St. Thomas Morus e.V.
Hoffnung und Zuversicht beim ersten Bluesgottesdienst in der Kulturkirche St. Thomas Morus
Datum:
Di. 9. Nov. 2021
Von:
Jakob Handrack

Es lag ein Hauch von friedlicher Revolution in der Luft zum ersten Bluesgottesdienst in der Gießener Kulturkirche am vergangenen Sonntagabend. Kein Pfarrer oder Gemeindevorsteher stand am Ambo oder Altar. Der stand verwaist im Zentrum, dezent illuminiert. Kerzen brannten. Zwischen den Bänken standen Mikrofone und unterbrochen von den einzelnen Bluesnummern der Gießener Band Bluesdoctor erzählten verschiedene Menschen wie sie die letzten anderthalb Jahre der Pandemie erlebt hatten.

Menschen aus der Gemeinde bringen ihre ganz persönliche Sichtweise auf die Pandemie ein

Schauspieler Harald Pfeiffer wünscht sich, dass die Menschen mehr einander zuhören (c) Förderverein St. Thomas Morus e.V.
Schauspieler Harald Pfeiffer wünscht sich, dass die Menschen mehr einander zuhören

Uwe Lischper, langjähriger Kulturveranstalter – u.a. des Gießener Krimifestivals  - wies daraufhin, dass er als solcher natürlich auch betroffen, aber auf keinen Fall Opfer von Corona sei. Mit leuchtenden Augen berichteten die Musiker Cordula Poos und Peter Herrmann von der besonderen Nähe und Solidarität unter Künstlerinnen und Künstlern, die sie in dieser Zeit erlebt haben, und welches ungemeine, kreative Potential die Zeit der Einschränkungen entfaltet habe. Die Historikerin Birgitta Meinhardt schilderte wie sich ihr Augenmerk auf die kleinen Dinge im Alltag, auf Hobbys, Haus und Garten konzentrierte, aber auch wie sich Konflikte mit dem Nachbarn zu einer zunehmende Belastung entwickeln können. Bärbel Weigand und Christoph Geist von der Werkstattkirche Gießen-Nord veranschaulichten anhand eines geknoteten Netzes wie sich die Mitglieder der Werkstattkirche – in ihrem Jargon sogenannte „Mit-Mach-Menschen“ – gegenseitig gestützt und geholfen haben wie in einem Netz, wo jeder Knoten, den anderen trägt. Dem Schauspieler Harald Pfeiffer war es in seinem abschließenden „Plädoyer“ wichtig, dass die Menschen wieder mehr einander zuhören sollten.

Eine "friedliche revolutionäre" Atmosphäre

So fügten sich die unterschiedlichen Beiträge der Redner zusammen zu einer euphorisierenden Welle der Hoffnung und Zuversicht nach anderthalb Jahre andauernder Pandemiebewältigung. Die Gottesdienstbesucher in der pandemiebedingt bis auf den letzten Platz besetzten Kirche hörten mit großer Aufmerksamkeit und Konzentration zu. Es herrschte eine spannende, fast „friedlich revolutionäre“ Atmosphäre. Musikalisch gestaltete die Gießener Band Bluesdoctor den Gottesdienst mit Bluesklassikern wie Jazz Gillums „Key To The Highway“, „Who’s been talking“ von Howlin‘ Wolf oder „Route 66“. Hervorragend passte sich die Band dabei an die nicht einfachen akustischen Gegebenheiten in der Kirche an und adaptierte den starken Hall meisterhaft. Das klare Gitarrenspiel von Thomas Geis kam genauso gut zum Vorschein wie die rhythmischen Riffs auf der Blues-Harp von Hartmut Dietrich oder die markante Stimme von Leadsänger Christoph Handrack. Mit viel Gefühl  setzte Manfred Jung am Schlagzeug das alte Dampfschiff Bluesdoctor in Bewegung.

Blues is a healer!

In seiner Ansprache zur Eröffnung hatte Jakob Ch. Handrack, Initiator des ersten Bluesgottesdienstes und Intendant der Kulturkirche, auf die heilende Kraft des Blues hingewiesen. Entstanden aus der Musik der schwarzen Sklavenbevölkerung trage dieser schon immer die Hoffnung nach Frieden und Freiheit inne. „Lassen Sie sich auf das Experiment ein!“ lud Handrack die Gemeinde ein. Diese folgte.

Nach dem Schlusssegen von Eva Maria Kahnke stimmte das abschließende „Long As I Can See The Light“ der Creedence Clearwater Revival Band mit seinem gospelartigen Duktus friedfertige, ja beinahe religiöse Töne an und entließ die Zuhörer in einen friedlichen Abend.