Zum Erntedank-Sonntag am 4. Oktober 2020 formuliert Seminarist Thomas G. Ransbach die Predigtgedanken zum Evangeliumstext aus Matthäus, Kapitel 21, Vers 33-43. Thomas G. Ransbach absolviert derzeit die Ausbildung zum Beauftragten für Wortgottesfeiern im Bistum Mainz.
Evangeliumstext aus Mt 21, 33-43
Liebe Mitchristen,
Faszinierende Kern-Szenen aus dem Leben des Franz von Assisi (1181-1226 in Umbrien/Italien) stehen uns heute, an seinem Gedenk-und Todestag, vor dem geistigen und spirituellen Auge:
Franziskus verzichtet auf das vorgezeichnete, privilegierte Leben und wandelt sich über einige Zwischenstufen zum Mönch, Prediger und charismatischen Christusnachfolger.
Franziskus predigt zu den Wildtieren. Sie haben Vertrauen zu ihm, mögen seine Stimme und kommen ihm sehr nahe. Franz bleibt ruhig und ist frei von Angst. Franziskus schafft Frieden zwischen dem Wolf von Gubbio, sich und den Menschen. Franziskus dichtet seinen berühmten Sonnengesang im Kloster San Damiano am Fuße der Bergstadt Assisi.
Franz von Assisi ist der Schutzpatron Italiens, der Tiere und des Naturschutzes. Er war ein sehr charismatischer, intellektuell und sprachlich hochbegabter Mensch. Obwohl er, wie die moderne archäologische Forschung es beschreibt, zierlich von Gestalt war und von Askese gezeichnet, hatte er eine besonders kräftige und volltönende Stimme, der die Menschen - und Tiere - gerne und interessiert zuhörten.
Sein erster Biograph, der Franziskaner Tommaso de Celano (1190-1255) zeichnet ihn als unscheinbare und doch beeindruckende Gestalt:
“Er war ein außerordentlich redegewandter Mann mit fröhlichem Antlitz und gütigem Gesichtsausdruck, gewinnender, feuriger und scharfer Sprache, eine mächtige, liebliche, klare und wohlklingende Stimme, war sehr mager, trug ein rauhes Gewand, gönnte sich nur sehr kurzen Schlaf und besaß eine überaus freigiebige Hand...“
Franziskus wurde bereits zwei Jahre nach seinem Tod heiliggesprochen und ist für Viele ein Vorbild im Christentum.
In einer Zeit, als viele christliche Herrscher in Palästen lebten, erinnerte Franziskus die Christen daran, dass Jesus ein armer Wanderprediger, Lehrer und Weiser war. Christen sollten nie die Armen, an Leib und Seele Kranken und Bedrängten dieser Welt vergessen. Dies predigte und lebte Franziskus. Deshalb verzichtete er auf seinen ererbten Reichtum, auf eine privilegierte berufliche Karriere als Kaufmann, die ihm seine gutsituierten Eltern vorbereitet hatten.
Franziskus suchte nicht diese Art von Glück. Er empfand Reichtum, Macht und Kriege um Territorien als Irrweg und Verblendung jenseits von Jesus Christus und wählte für sich die Armut und ein Leben am Rande der Gesellschaft. Er wählte ein Leben mit anderen Werten, anderen Freundschaften und anderen Dingen, die ihm und Klara wichtig erschienen in der direkten und persönlichen Nachfolge Jesu Christi ebenso wie einer eindeutigen Absage an das Wertesystem des damals zu seiner Zeit im 12.und 13. Jahrhundert in Norditalien einsetzenden Kapitalismus in den Gesellschaften als Leben dominierende Kraft.
Von Franziskus wird uns überliefert, daß er ein fröhlicher, dem Leben, den Menschen und der Schönheit der Natur sehr zugewandter Mensch war. Er war glücklich mit seinem Leben und hat vielen anderen Menschen Freude gebracht.
Franziskus verstand unter Glück etwas anderes als die meisten Menschen um ihn. Er fand viele Anhänger und der Franziskanerorden wuchs schnell bereits zu seiner Zeit.
Er wurde in kurzer Zeit zu einer der größten Orden der Christenheit.
Nicht jeder könnte heute Armut als Glück erleben. Materiell arm zu sein und körperlich zu hungern stellt darüber hinaus heute aus medizinscher und psychologischer Sicht sicher nicht die einzige Möglichkeit einer christlichen Askese dar.
Klug ist, mit Körper, Geist und Seele gut und feinfühlig umzugehen, damit wir Gesundheit und Heilung wachsen lassen können.
Daß aber das Lebensglück im Wohlstand allein nicht zu finden ist, diesen Impuls von Franziskus verstehen wir in unserer Kulturepoche genau. Vielleicht können wir auch nachvollziehen, dass, wer sich von der Last des Reichtums befreit, heiterer, unbeschwerter und fröhlicher ist als jene, die vor lauter Sorgen um ihr Geld und materiellen Besitz jedweden Humor verlieren.
Franziskus kannte Freude und intensives Mitgefühl ebensogut wie das Leiden an der Welt, Konflikte und sehr schwarze Stunden. Er nahm in hoher Intensität wie keiner vor ihm die Natur um sich herum wahr und reagierte unmittelbar auf sie.
Sonne, Mond und Sterne, Vögel und Wölfe sah Franziskus als Mitgeschöpfe an.
In der Natur, in den Mitmenschen, in allen Tieren sah Franziskus die Liebe Gottes am Werk. Deshalb schützte er die Tiere, selbst den gefährlichen Wolf. Franziskus fühlte sich den Tieren so eng verbunden, daß er mit ihnen redete. Und die hatten keine Angst vor ihm, wie vor den meisten Menschen und kamen ihm sehr nahe. Offenbar spürten die Wildtiere des Waldes, Feldes und Gebirges, daß sie diesem Menschen von Grund auf vertrauen konnten – eine seltene und kostbare Gabe des Heiligen, so daß die Legende uns überliefert, er habe in ihren Sprachen mit ihnen gesprochen - ihnen also „gepredigt“.
Franziskus war vielleicht der erste Mensch, der die Natur, Tiere und das Leben radikal schützen wollte. Dies sah er nicht als Minderung, sondern als den entscheidenden Lebensgewinn an, denn wenn Menschen Leben, Tiere und Natur schützen, werden sie nicht ärmer, sondern glücklicher, freier und schöner in ihrem eigenen Leben. Dies wird uns intensiv bewußt am heutigen Erntedanktag, an dem wir hier dankbar die vielfältigen Früchte dieses Sommers, des wohlbestellten Feldes und Weinberges durch menschliche Arbeit, liebevolle Pflege und Ernte sehen und genießen können, so wie es Gott, dem Schöpfer gefällt. Dies meint das Gleichnis des heutigen Evangeliums von den bösen Winzern, die dem Herrn die Frucht – nämlich des geistigen und ethischen Reifens der Menschheit - verweigern.
Franziskus fand im sorgfältigen und heiligenden Umgang mit der Schöpfung viele neue Geschwister: Vögel, Wölfe, Esel und Rindvieh auf der Erde - Sonne, Mond, Sterne, Wolken und Meteoriten am Himmel.
In seinem berühmten Sonnengesang kommt dieses Gebet anschaulich und in beredt-kraftvoller Sprache zu uns in die Gegenwart, in der der Planet Erde so dringend unsere Weisheit benötigt, damit wir mit ihr zusammen eine langfristige Zukunft haben!
Papst Franziskus schreibt dazu in „Laudato Si“, seiner Umwelt-Enzyklika 2015:
„Jeder kann – nein: muß - die Welt verbessern. Achtsamkeit für die ökologische und soziale Umwelt fängt beim Einzelnen an. Eine ganzheitliche Ökologie ist auch aus einfachen alltäglichen Gesten gemacht, die die Logik der Gewalt, der Ausnutzung, des Egoismus durchbrechen. Indessen ist die Welt des wütenden Konsums zugleich die Welt, in der das Leben in all seinen Formen schlecht behandelt wird“. (LS 230)
Papst Franziskus beschreibt differenziert den heutigen Zustand des Planeten:
Nur langsam und gegen viele Widerstände kommen internationale Kooperationen zum Schutz des Lebens auf der Erde in Gang und zeigen erste Wirkungen.
„Unseretwegen können bereits tausende Arten nicht mehr mit ihrer Existenz Gott verherrlichen, weil sie nicht mehr leben, noch uns ihre Botschaft vermitteln. Dazu haben wir kein Recht.“ (P.F. in LS 33).
Die soziale Ungerechtigkeit zwingt dazu, an eine Ethik der internationalen Beziehungen und einen historisch begründeten und lebensnotwendigen Interessen- und Kapitalalausgleich zwischen Nord und Süd zu denken. Europa steht hier in der Schuld gegenüber Ländern wie Nord-und Südamerika, Afrika, Indien, Australien, Länder, die es seit 500 Jahren ungebeten kolonisiert, ausgebeutet, zerstört und sich selbst kulturell entfremdet hat. Dazu hatten wir ebenfalls kein Recht!
„Diese – die kapitalistische – Wirtschaft tötet“! (P.F. Evangelii gaudium 53).
„Wer auf Kosten anderer und des Planeten Erde lebt, wer nur herrschen, Macht ausüben, aber nicht mit der Menschheitsfamilie teilen will, darf sich nicht Christ nennen.“
Papst Franziskus stellt hierzu klar:
"Wir sind nicht Gott. Die Erde war schon vor uns da und ist uns gegeben worden“. (P.F. LS 67).
Das Schlußwort gebührt hier nun Franz von Assisi selbst mit dem berühmten Gebet des SONNENGESANG, ein Lobpreis Gottes und seiner Schöpfung, entstanden im frühen Herbst des Jahres1225 im Garten von Kloster San Damiano im umbrisch- altitalienischen Dialekt des 13. Jahrhunderts.
Und so könnte es damals im Gebet des hl. Franz in Assisi erklungen sein:
„Il cantico di fratre sole
Altissimi omnipotente bon signore,
tue so le laude la gloria e l’honore e onne benedictione Ad te solo, altissimo, se konfano
e nullu homo ene dignu te mentovare.
Laudato si, mi‘ signore cun tucte le tue creature spetialmente messor lo frate sole,
lo qual’e iorno et allumini noi per loi
Et ellu e bellu e radiante cun grande splendore de te, altissimo, porta significatione.
Laudato si’ mi signore, per sora luna e le stelle In celu l’ai formate clarite et pretiose et belle...”
„Erhabenster, allmächtiger, guter Herr, Dein sind der Lobpreis, die Herrlichkeit und die Ehre und jegliche Benedeiung, Dir allein, Erhabenster, gebühren sie Und kein Mensch ist würdig, Dich zu nennen.
Gepriesen seist Du, mein Herr, mit all Deinen Geschöpfen,
zumal der Herrin, Schwester Sonne, denn sie ist der Tag und spendet das Licht uns durch sich.
Und sie ist schön und strahlend in großem Glanz.
Dein Sinnbild trägt sie, Erhabenster.
Gepriesen seist Du, mein Herr, durch Bruder Mond und die Sterne,
am Himmel hast Du sie gebildet, hell leuchtend und kostbar und schön. Gepriesen seist Du, mein Herr, durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken und heiteren Himmel und jegliches Wetter,
durch welches Du Deinen Geschöpfen den Unterhalt gibst.
Gepriesen seist Du, mein Herr, durch Schwester Wasser, gar nützlich ist es und demütig und kostbar und keusch.
Gepriesen seist Du, mein Herr, durch Bruder Feuer,
durch das Du die Nacht erleuchtest;
Und es ist schön und liebeswürdig und kraftvoll und stark.
Gepriesen seist Du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde,
die uns ernährt und lenkt und mannigfaltige Frucht hervorbringt
und bunte Blumen und Kräuter.“
Amen.