Sibylle Ruppert - Dancing in Darkness

Ausstellung vom 29.07.-22.10.2023

Abb.: Sibylle Ruppert, Ohne Titel, 1979, Kreide / Holzkohle auf Leinwand, 168 x 104 cm (c) Bild: Courtesy Privatsammlung Gießen, Foto: Matthias Belz
Abb.: Sibylle Ruppert, Ohne Titel, 1979, Kreide / Holzkohle auf Leinwand, 168 x 104 cm
Datum:
Do. 27. Juli 2023
Von:
Jakob Handrack

In Kooperation mit der KUNSTHALLE GIEßEN werden vom 29.7.-22.10.2023 ausgewählte Werke der Frankfurter Künstlerin Sibylle Ruppert auch in der Kulturkirche St. Thomas Morus gezeigt. Die Ausstellung wird kuratiert von Dr. Nadia Ismail, Direktorin der Kunsthalle Gießen, und Gesine Borcherdt, Kunstkritikerin und Kuratorin aus Berlin. Die Eröffnung findet am Freitag, den 28.07.2023, 19 Uhr, in der Kunsthalle Gießen statt.

Unterdrückte Begierden und Ängste

Die Werke der in Frankfurt geborenen Künstlerin Sibylle Ruppert (*1942, †2011) offenbaren unterdrückteBegierden und Ängste. Körper bedrohen einander, zerreißen und durchdringen sich, um zu neuartigen, grotesken Wesen zu verschmelzen. Grenzen zwischen Innen und Außen, Mensch und Tier oder auch zwischen den Geschlechtern werden transzendiert.

Inspiriert von den gewaltpornographischen Schilderungen des Franzosen Marquis de Sade (1740–1814) und des französischen Dichters Lautréamont (1846–1870), den obszönen Texten des Surrealisten Georges Bataille und der monströsen Ästhetik des Alien-Erfinders HR Giger schafft Ruppert mit großformatigen, dichten und detailreichen Kohlezeichnungen Bildwelten, die sich wie labyrinthische Alptraumsequenzen immer wieder neu entfalten. Ironische Brechungen zeigen dabei mitunter auch komische Momente im Erotischen, Brutalen und Abgründigen auf. Biblische Symbolik und sakral-ekstatische Körperdarstellungen ebenso wie Einflüsse von Künstlern wie Hieronymus Bosch, Heinrich Füssli, Ernst Fuchs, William Blake und Francis Bacon sowie die Nähe zu Subkulturen wie Goth, Heavy Metal, Sadomaso, Hot Rod, Science-Fiction und Comic täuschen nicht über die Eigenständigkeit hinweg, mit der die Künstlerin ihre Fantasien in eine völlig singuläre Bildwelt übersetzt. Trotz des Infernos, das Ruppert auf ihren Leinwänden entfacht, liegt ihrer Arbeit eine intime Zerbrechlichkeit zugrunde, die auf ihre eigenen Traumata verweist.

Die Ausstellung in der Kunsthalle Gießen mit Werken aus einer Gießener Privatsammlung, kuratiert von Dr. Nadia Ismail und Gesine Borcherdt, ist ihre erste institutionelle Einzelpräsentation in Deutschland.

Kuratierte Führung in der Kulturkirche am 30.7.23 um 16 Uhr

Märtyrium in der Kunst

Die Ausstellung Dancing in Darkness setzt sich in der Gießener Kulturkirche St. Thomas Morus fort, wo weitere Werke der Künstlerin ausgestellt werden. Diese örtliche Verschränkung unterstreicht die werkimmanenten, kunsthistorischen Bezüge auf Märtyrer Darstellungen bei Sibylle Ruppert. Im Umkehrschluss werden die Besucher für ihre eigenen Sehgewohnheiten sensibilisiert, die das selbstverständliche Betrachten drastischer und gewaltvoller Darstellungen im sakaralen Kontext als weniger verstörend wahrnehmen.

Geboren wird Sibylle Ruppert am 8. September 1942, in der Nacht des ersten großen Bombenangriffs der Alliierten auf Frankfurt am Main. Der Krieg schreibt sich tief in ihre Erinnerungen ein, ebenso wie der Einfluss des Vaters, der Grafiker ist und seine Tochter zum Zeichnen anhält. Rupperts erstes Werk entsteht vermutlich im Alter von sechs Jahren: eine Faust, die mit voller Wucht in ein Gesicht schlägt.

Kuratierte Führung in der Kulturkirche am 17.9.23 um 16 Uhr

Verstörendes Werk

Nach ihrem Abitur 1958 schreibt Ruppert sich zunächst für ein Jahr an der Werkkunstschule in Offenbach am Main ein, um danach an der Frankfurter Städelschule bei Heinz Battke (1959–1961) zu studieren. Zudem macht sie eine Ausbildung als Tänzerin und verschreibt sich obsessiv dem Ballett. Als Revuetänzerin tourt sie durch Europa, wobei sie jede freie Minute in Museen verbringt – und sich schließlich nach einem Aufenthalt in New York City 1966 endgültig für die Kunst entscheidet. Während sie als Zeichenlehrerin an der Kunstschule ihres Vaters arbeitet, entsteht ihr eigenes, verstörendes Werk, das ihre Passion für den gemarterten, morbiden und sexualisierten Körper zwischen Mensch, Monster und Maschine enthüllt. In Frankfurt präsentiert sie erste Galerieausstellungen, die jedoch Kritiker und Kunstpublikum gleichermaßen abstoßen.

"Malen und Zeichnen macht den Menschen die grundsätzliche Einsamkeit bewusst."

1976 zieht Ruppert nach Paris, das, vom Surrealismus geprägt, offener mit ihrer unorthodoxen Bildsprache umgeht. Sie weckt das Interesse von Größen des Kunstbetriebs wie des Filmemachers Alain Robbe-Grillet, des Kunstkritikers Pierre Restany und des Dichters und Malers Henri Michaux und freundet sich mit dem Schweizer Künstler HR Giger an. Beide werden fortan einander inspirieren, und Giger inkludiert Rupperts Werke in seine eigene Museumssammlung. Doch während seine Ästhetik dank dem Kinofilm Alien (1979) in den Mainstream vordringt und die Sci-Fi-Bildsprache ganzer Generationen von interdisziplinär arbeitenden Künstler*innen beeinflussen wird, passen Rupperts altmeisterlich gezeichnete Wesen in keinen Diskurs. Zu krude und zu eigentümlich erscheint ihr Werk in einer Zeit, die sich längst neuen konzeptionellen Kunstformen und Themen zugewandt hat, die oftmals außerhalb der eigenen Psyche liegen. Abseits von Museen und Markt unterrichtet Sibylle Ruppert gegen Ende ihrer Laufbahn in Gefängnissen, Nervenheilanstalten und Drogenkliniken.

Über Jahre mit Krankheit kämpfend, stirbt sie 2011 zurückgezogen in Paris. „Malen oder Zeichnen ist eine Form des Gesprächs mit sich selbst. Es ist eine einsame Beziehung zu seiner intimen Welt. Es ist eine Arbeit, die den Menschen die grundsätzliche Einsamkeit bewusst macht.“ (Sibylle Ruppert)

Kuratierte Führung in der Kulturkirche am 15.10.23 um 16 Uhr

Erstmalige Zusammenarbeit

Ein vielfältiges kulturelles Angebot: (c) Förderverein Kulturkirche St. Thomas Morus Gießen e.V.
Ein vielfältiges kulturelles Angebot:

Die Ausstellung ist eine Kooperation mit der Kulturkirche St. Thomas Morus. Unterstützt vom Förderverein Kulturkirche St. Thomas Morus Gießen e.V., offeriert diese ein vielfältiges kulturelles Angebot.

Basierend auf Offenheit, Demokratie und Liberalismus spricht das kulturelle Angebot der Kirche Menschen unterschiedlicher Hintergründe an und bringt diese zusammen.

Die Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten der Kirche vor und nach den Gottesdiensten sonntags und montags zwischen 18 und 20 Uhr zu besichtigen.