An Pfingsten kam der Heilige Geist auf die Jünger herab. Mit 1000 Zungen redeten sie - jeder in seiner Sprache und waren überrascht, sich doch gegenseitig zu verstehen. So wird Pfingsten zu einem Zeichen gegenseitigen Verständnis, geprägt von interkulturellen Dialog und Austausch. In der Kulturkirche St. Thomas Morus begegneten sich am Pfingstwochenende mehrere Kulturen.
Es begann am Samstagnachmittag: die Generalprobe für den gemeinsamen Pfingstgottesdienst von katholischer und eritreisch-orthodoxer Gemeinde. Seit 2015 wird die St. Thomas Morus Kirche an der Grünberger Straße als Simultankirche gleichermaßen von katholischen und eritreisch-orthodoxen Christen genutzt.
Seitdem hat es vereinzelte Versuche der Annäherungen gegeben. Die zahlreichen Gemeindefeste bereicherte die eritreische Gemeinde kulinarisch mit traditionellen Gerichten wie zum Beispiel "Injera", einer Art Pfannkuchen belegt mit allerlei scharfen bis milden Soßen, Gemüse oder Fleisch, und das man mit den Fingern essen darf.
Eine Faltblatt wurde mit Expertise der Uni Mainz erstellt und gibt Informationen über die "Abune Aregawi"-Gemeinde. Das Faltblatt liegt auch zum Mitnehmen in der Kirche aus.
Beim Gießener Stadtlauf erreichte das eritreisch-deutsche Laufteam regelmäßig eine Spitzenposition in der Mannschaftswertung.
Seit 2018 versuchen die Gemeinden auch eine religiöse Annäherung durch gemeinsame Pfingstgottesdienste. Mit ihrer eigenen, tiefgläubigen Spiritualität und den afrikanischen Rhythmen gestaltet die Schola der eritreischen Gemeinde den Gottesdienst musikalisch in besondere Weise. Der Gottesdienst folgt dem römisch-katholischen Ritus. Hier gibt es Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten zur orthodoxen Liturgie. Die Kombination aus eritreisch-orthodoxen Traditionen und dem traditionellen, katholischen Kantorengesang mit Orgelbegleitung erzielt einen erstaunlichen Effekt in Bezug auf die eigene Inkulturation. Die Bewusstwerdung des Trennenden schärft die Wahrnehmung auf die eigenen Wurzeln und kulturelle Identität, und fördert gegenseitiges Verständnis und Gemeinsamkeiten. Sie trennt nicht, sondern verbindet.
Trotzdem gestaltet sich interkulturelle Zusammenarbeit nicht immer leicht. Das beginnt bei Banalen wie Zeitvorstellungen und den "pünktlichen" Beginn einer Probe. Hier die verschiedenen Zeitvorstellungen zusammenzubringen ist nicht immer leicht, erfordert Geduld und gegenseitigen Respekt.
Dabei ist die Sprachbarriere das geringste Problem. So erklärt sich das oben beschriebene Pfingstereignis der Jünger Jesu: wenn man sich versteht, wird die Sprache nebensächlich.
Herausfordernd gestaltete sich die Übersetzung der Texte der uralten, eritreischen Gesänge. Hier war echtes Einfühlungsvermögen und aktives Zuhören gefragt, um die richtige Bedeutung der liturgischen Texte zu verstehen.
Das Ergebnis war ein beeindruckender Gottesdienst, sozusagen ein wahres Pfingsterlebnis. Die vierköpfige Schola der eritreisch-orthodoxen Gemeinde überzeugte mit ihrer starken Geisteshaltung.
Zelebrant Pfarrer Matthias Schmid stellte gemeinsam mit Daniel Maharai, dem Vorsitzenden der eritreischen Gemeinde, die einzelnen Gesänge vor und erläuterte die kultische Bedeutung der einzelnen Instrumente im Gottesdienst wie z.B. der »Kebero«, einer eritreischen 7kg schweren Trommel, deren Spiel echtes Fingerspitzengefühl bedarf (s. Foto)
Einen weiten kulturellen und musikalischen Bogen spannte das Trio AMAN AMAN in ihrem Konzert am Pfingstmontag mit türkischen, arabischen, spanischen und sephardischen Liedern und mittelalterlichen Cantigas zu den drei Weltreligionen. In der Musik von Anka Hirsch (Cello), Marliese Glück (Percussion) und Araceli Fernández González (Gesang) verbanden sich drei Weltreligionen. Das Wort »AMAN« entspricht dem hebräischen »AMEN«.
Ein würdiger Abschluss des Pfingstfestes 2021.