Erntedank
Liebe Mitglieder unserer Gottesdienstgemeinde,
liebe Besucherinnen und Besucher unserer Kirche!
Im Oktober feiern wir Erntedank. In einer Großstadt haben wir dazu keine so enge Beziehung wie auf dem Land, doch es lohnt sich, dieses Fest in den Blick zu nehmen, denn wir alle leben von Grundnahrungsmitteln, die nicht im Supermarkt entstehen, sondern einen langen Werdegang hinter sich haben, an dem viele Menschen beteiligt sind.
Mit dem Gebet über Brot und Wein bekennen wir in jeder Eucharistiefeier: Die Früchte, von denen wir leben, sind Früchte der Erde und der menschlichen Arbeit. Menschen haben viel Kraft und Überlegung investiert, um sie zu gewinnen. Es sind Produkte, die im Zusammenwirken von Erde und Mensch hervorgebracht werden. Doch indem wir diese Produkte vor den Altar bringen, erweitern wir diese Sicht und sagen: Diese Früchte sind Gaben. Sie wachsen sozusagen nicht auf unserem eigenen Mist. So sehr unsere Planung und Anstrengung gefordert sind, sie reichen nicht aus, um diese Früchte zu machen. Weder Sonne noch Regen, weder Wind noch Erdboden sind in unserer Verfügung.
Es ist wie mit anderen wichtigen Grundlagen unseres Lebens: Wir mühen uns ab, wir strapazieren Hirn und Hände, doch dass dann schließlich etwas gelingt, dass etwas Sinnvolles und Schönes herauskommt, das haben wir nicht völlig im Griff. Wir sagen dann: Da habe ich Glück gehabt, oder: Es hat sich wunderbar gefügt. Das berühmte I-Tüpfelchen, es liegt häufig nicht in unserer Hand – weder bei kreativen Prozessen noch bei handwerklichen Verrichtungen und noch weniger bei Beziehungen.
So führt uns die Erfahrung des Gelungenen zur Wahrnehmung des Geschenkten, und die Annahme des Geschenkten mündet in den Dank. Im Danken bringe ich zum Ausdruck: Es ist nicht selbstverständlich, was ich erhalte. Ich freue mich darüber; ich sehe, dass jemand mir etwas Gutes tun will; ich weiß diese Geste der Zuwendung zu schätzen. Im Erntedank fließen mehrere Stränge zusammen: das Anschauen der wunderbaren Früchte, das Zurückschauen auf ihr Werden und das Vorausschauen auf ihre Verwendung, es ist geradezu eine Art Weltanschauung.
Wir benennen den, der dahinter steht, die Quelle, aus der alles Leben sprudelt. Wir nennen ihn Vater, Schöpfer, Geber alles Guten. Wir nehmen wahr, was uns zukommt, ohne dass wir es (allein) gemacht haben. Wir danken für so vieles, was wir von ihm und unseren Mitmenschen gratis empfangen.
All dies ist gemeint, wenn wir in der Präfation der Eucharistie aufgefordert werden: Lasst uns danken dem Herrn, unserem Gott!
P. Johannes Bunnenberg