Kreuzweg
Liebe Leser*innen,
zur vorösterlichen Bußzeit gehört als ein Element die Betrachtung des Kreuzweges, und wir können dankbar sein, in St. Bonifaz ein bedeutsames Originalkunstwerk zu haben: 15 Stationen in den Fensternischen, gestaltet von Eva-Maria Brückner von Eiff.
Von den Szenen des Kreuzwegs berührt mich seit jeher besonders die 6. Station: „Veronika reicht Jesus das Schweißtuch“. Ein wichtiges Detail bei unserem Kreuzweg: Jesus selbst ist gar nicht dargestellt. Er ist anwesend im Abdruck seines Gesichtes auf dem Tuch der Veronika. Dies lässt sich durchaus als eine Aussage deuten: Jesus können wir Christen nicht direkt sehen, sondern nur in den Zügen, mit denen er sich bei Menschen eingeprägt hat. Und Veronika steht für die Menschen, die sich Jesus in den Geplagten und Bedrückten zugewandt haben: In ihnen spiegelt sich Jesu wieder - das „Haupt voll Blut und Wunden“ und das „edle Angesichte“ (Paul Gerhardt, GL 289). Veronika heißt übersetzt: wahres Bild. Zu diesem wahren Bild Jesu gehören das Leid, das ihm zugefügt wurde und das er geduldig getragen hat, und das Mitgefühl, das Veronika ihm schenkte. Im Anschauen dieses Bildes sehen wir, wozu Menschen im Bösen und im Guten fähig sind. Jesu Bild will uns dazu hinführen, uns selbst ehrlich wahrzunehmen – mit unseren Abgründen und mit unseren wertvollen Seiten.
Der Abdruck Jesu im Tuch der Veronika hat viele Künstler inspiriert. Uns möchte er bewegen, zu österlichen Menschen zu werden, zu Menschen, die Leid wahrnehmen und lindern und die von der Hoffnung erfüllt sind, dass Gott uns daraus erretten kann. Wie Jesu Bild, unser Menschenbild und die Vision des österlichen Menschen aufeinander wirken können, drückt ein Kanon treffend so aus: „Im Anschaun deines Bildes werden wir verwandelt in dein Bild“.
P. Johannes Bunnenberg