Marienmonat Mai:Marienwallfahrtsort Fatima
Die zehnjährige Lucia dos Santos (1907 – 2005), ihr neunjähriger Cousin Francisco Marto (1908 – 1919) und dessen siebenjährige Schwester Jacinta (1910 – 1920) sahen eines Nachmittags des Jahres 1915 beim Hüten von Schafen in der abgelegenen Gegend des portugiesischen Dorfes Fatima plötzlich eine weiße Gestalt, einen jungen Mann von 14 oder 15 Jahren, der „strahlte wie ein Kristall“ auf sich zukommen. Er stellte sich vor: „Habt keine Angst! Ich bin der Engel des Friedens! Betet mit mir!“ Und er kniete nieder, neigte sich bis zum Boden und begann: „Mein Gott, ich glaube an dich, ich bete dich an, ich hoffe auf dich, ich liebe dich: Ich bitte dich um Verzeihung für die, die nicht glauben, dich nicht anbeten, nicht hoffen und dich nicht lieben.“
So begann die Geschichte eines der größten europäischen Marien-Wallfahrtsorte. Der Engel bereitete die Kinder auf das vor, was sie einige Zeit später erlebten. Europa war gerade in den fürchterlichen ersten Weltkrieg versunken. Portugal war zunächst neutral. Spätestens als die Deutschen nach den Kolonien Portugals griffen, trat 1916 auch Portugal in den Krieg ein und schickte seine wenigen Soldaten in das ungewisse Schicksal an der Westfront. Zusätzlich waren die Portugiesen durch den Sturz ihrer Monarchie ein paar Jahre zuvor (1910) und der laizistischen Ideologie der neuen Machthaber verunsichert. In diese Situation erscheint den drei Kindern am 13. Mai 1917 eine „schöne Dame, in weiß gekleidet“. Auch Sie begann: „Habt keine Angst!“ Ihre weiteren Botschaften haben wir nur aus dem Gedächtnis von Lucia dos Santos, die sie ab 1941 als Ordensfrau niederschrieb und u.a. als die drei Geheimnisse von Fatima (zweifelhafte) Berühmtheit erlangten.
Die Menschen, die bereits bei der zweiten und den folgenden Erscheinungen massenweise an den Ort des Geschehens in die Cova da Iria nahe Fatima zogen, kamen nicht wegen der Botschaften, die sie gar nicht hören konnten, sondern eher wegen des Schimmers der Hoffnung auf die Zuwendung des Himmels und auf eine Weisung zum Frieden. Ihre tief eingewurzelte Frömmigkeit trug greifbare Früchte. Auch nach dem Ende der Erscheinungen strömten viele hoffnungsvolle Menschen an diesen Ort. Erst 1930 gestatteten dann die kirchlichen Autoritäten offiziell die Marienverehrung in Fatima.
Heute kommen jährlich Millionen von Pilgern in den kleinen abgelegenen Ort Fatima. Die Friedensbotschaft ist durch den nahen Krieg in Europa wieder aktuell. Die in den Botschaften angekündigten Leiden haben wieder konkrete Gesichter. Der Kern der Botschaften der „schönen Dame“ von Fatima ist Umkehr und Bekehrung, um dadurch einen Weg zum Frieden zu finden.
P. Ralf Sagner OP.