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Altarkreuz St. Bonifaz
Datum:
27. März 2023
Von:
Ralf Sagner

In der Karwoche schauen wir auf das Kreuz Jesu. Es vergegenwärtigt Jesu Leiden, es steht aber auch für gegenwärtiges Leid durch Gewalt, Krieg, Folter, Terror. Es wird uns zugemutet, sie in den Blick zu nehmen.

Darüber hinaus bezeichnet das Kreuz eine Art kosmischer Tiefenstruktur. Es ist nur folgerichtig, wenn der Mensch in sich selbst die
Kreuzform wiederfindet. Bei Rückenschmerzen sagen wir: Ich hab’s im Kreuz. Wenn wir unsere Arme zur Seite ausbreiten, bilden sie mit
unserem Rumpf ein Kreuz. Bis in die Bezeichnung von Knochen hinein begegnen wir dem Kreuz: Wo Beckenknochen und Wirbelsäule
zusammenkommen, befindet sich das Kreuzbein, im Englischen „holy bone“ genannt, „heiliger Knochen“.

Das Kreuz ergibt sich als Gestalt überall dort, wo Horizontale und Vertikale aufeinander treffen. Die Horizontale steht für den Welt- und
Menschenbezug, die Vertikale bezeichnet die Ausrichtung auf die Transzendenz. Das Kreuz erinnert uns an die Spannungen, in denen
wir stehen: zwischen Erde und Himmel, zwischen Materie und Geist, zwischen Individualität und Gemeinschaft, zwischen irdischen Grenzen und Sehnsucht nach Absolutem. Diese Spannungen gehören zu uns, wir können sie nicht einfach auflösen. Sie haben ihre schmerzliche Seite, sie sind indessen auch wie ein kraftvolles Energiefeld.

All dies steht im Hintergrund, wenn das Kreuz durch Jesus zum zentralen Zeichen des christlichen Glaubens wird. Er verheißt uns: „Wenn
ich erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen“ ( Joh 12,32) – hinein in einen Raum der Geborgenheit bei Gott. So sehr das Kreuz daher das Leiden Jesu darstellt und uns bewegen will, das schwere Kreuz unserer Mitmenschen wahrzunehmen, es hat genauso eine österliche Seite. Das Altarkreuz bei uns in St. Bonifaz beinhaltet beide Aspekte. Sie finden sich wieder in mehreren Antiphonen der Passionszeit, die uns zur Meditation anregen: „Durch seine Wunden sind wir geheilt“ ( Jes 53,5), und: „Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung“ (GL 296).

P. Johannes Bunnenberg OP