Osterzeit
Das Osterfest ist das wichtigste christliche Fest. Es hat in der bildenden Kunst und den Gebräuchen eine breite Spur an Symbolen hinterlassen. Die christliche Ikonographie des Osterfestes ist reich. Bekannt ist die Siegesfahne, die der auferstehende, dem Grab entsteigende Christus in der Hand hält. Die zerbrochenen Tore der Unterwelt sieht man auf vielen Auferstehungsikonen der östlichen Traditionen. Selbst der Hase steht auf der Liste der österlichen Symbole als reines, im Frühjahr sehr aktives Tier (Lebendigkeit). Farbenfrohe Schmetterlinge, die aus ihrer Verpuppung, die an den eingewickelten Leichnam erinnert, schlüpfen gehören zu diesen Symbolen. Natürlich Eier aus denen sich neues Leben Bahn bricht, sind Symbole der Auferstehung. Das Aneinanderschlagen von Eiern symbolisiert das Aufbrechen des Grabes. Auch an Ostern dürfen wir aber die Passion nicht verdrängen. Wir werden ja auch täglich an sie erinnert.
In Bildern mit christlichen Inhalten begegnet man zuweilen einem kleinen Vogel – dem Stieglitz (Distelfink). Der Leipziger Maler Michael Triegel hat in seinem jüngsten Bild „Tabula Smaragdina“ einen brütenden Stieglitz zu Füßen der Hauptfigur gesetzt. Der Stieglitz regte einerseits durch sein farbenfrohes Gefieder als auch durch seine Vorliebe für Distelsamen die Phantasie der Betrachter an. Der Legende nach hat ein Stieglitz Dornen aus der Dornenkrone des gekreuzigten Christus gezupft und dem Leidenden damit Erleichterung verschafft. Dabei ist ihm ein Tropfen Blut auf das Köpfchen getropft. Seitdem hat der Stieglitz diesen auffällig roten Kopf.
Der Maler lässt nun einen Stieglitz in der dargestellten schockierenden Brutalität seines Bildes brüten, in der die junge Frau ein geschlachtetes und gehäutetes Lamm in den Armen hält. Den Namen der Dargestellten verrät uns der Titel nicht. Der Kontext des Lammes lässt vielleicht an Agnes denken, die hier nicht ein flauschiges Lämmchen trägt – sondern uns das eigentliche Leiden dieser Kreatur radikal und schonungslos zeigt. Der Stieglitz mit seinen Nachkommen verheißt hier jedoch Linderung.
P. Ralf Sagner OP