…als wäret ihr mitgefangen (Hebr 13,13)
Mein erstes Weihnachtsfest in der JVA naht. Ich bin schon mehr als ein halbes Jahr dort. Die Zeit vergeht schnell und ich habe in dieser Zeit sehr viele schöne Begegnungen gehabt. Viele Gespräche gehen in die Tiefe. Für manchen Gefangenen ist es allein schon eine Wohltat, wenn er aus der Zelle in ein anderes Umfeld kommt, in ein einigermaßen behaglich eingerichtetes und gestaltetes Büro mit einer Kaffeemaschine, Sesseln und ein paar Keksen: ein „Andersort“, wo man sich alles von der Seele reden kann, weil man weiß, dass absolut nichts davon den Raum verlässt.
So zum Beispiel Herr W. Seine Geschichte ist sehr berührend: Sein Leben war in Ordnung: Glücklich verheiratet, zwei Kinder, Erfolg im Beruf. Dann die Katastrophe: Die Eltern verlieren ein Kind. Ab da ging alles schief und steil bergab: Schweigen, Vorwürfe, Selbstzweifel, am Ende die Trennung, weil man das Leid nicht gemeinsam tragen konnte. Herr W. versinkt im Chaos und ist zunehmend mit seinem Leben überfordert. Irgendwann hat er die Briefe mit den Rechnungen einfach in den Müll geworfen, hat dann auf keine Klage reagiert und einfach die Augen vor der Wirklichkeit verschlossen. Bis sie ihn einholt - und nun ist er im Gefängnis gelandet. Er gehört zu den vielen, die erst einmal nur reden wollen und das sehr viel. Er braucht jemand, der ihm geduldig und ohne viele Worte zuhört, ihm still einen Kaffee und ein paar Kekse hinstellt. In Herrn W. ist soviel Trauer und Schmerz, da ist auch Wut und Verzweiflung, die erst einmal raus müssen. Hier wird der „Andersort“ vielleicht ein Ort, an dem Heilung beginnt. Er sagt, er habe seinen Glauben verloren, aber am Ende, als ich ihn in den Haftraum zurückbringe, dreht er sich noch einmal rum, bedankt sich und bittet mich um einen Segen.
Momentan sind wir schon im Weihnachtsstress. Neben den vielen Gesprächen und der Beschäftigung mit den zahlreichen Anliegen, müssen wir 270 Weihnachtstüten füllen, die dann am Hl. Abend persönlich überreicht werden. So wie Gott für alle Mensch geworden ist, so gibt es auch für jeden Gefangenen eine eigene Weihnachtstüte mit kleinen Gaben: Süßigkeiten, Tabak und – und das ist nur in der Weihnachtszeit erlaubt: ein Teelicht!
Ich hätte zwei Bitten an Sie: Wenn Sie an Weihnachten mit Schokolade überschwemmt werden, dürfen Sie sie gerne auch an mich weitergeben. In der JVA freuen sich die Gefangenen sehr darüber. Es gibt immer wieder mal jemanden, der zwischendrin ein wenig Aufmunterung in Form von leckerer Schokolade gebrauchen kann. Zudem werden nun am Jahresende in verschiedenen Geschäften Kalender ausgelegt oder man erhält welche zugeschickt: Wir brauchen viele Kalender, denn die Gefangenen nutzen sie gerne für Notizen bzw. die Bilder zum Schmücken des Haftraumes. Falls Sie also Kalender übrighaben, gerne auch Taschenkalender, würde ich mich sehr über die Kalender freuen. Sie können sie gerne im Pfarrbüro für mich hinterlegen.
Herzlichen Dank!